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Olli schrieb am 3.3. 2011 um 15:54:40 Uhr über

Abhärtung

Wir haben jetzt die ersten Märztage, eiskalte Nächte mit Nachtfrost, tagsüber ist es sonnig, es sind kalte Vorfrühlingstage mit scharfem Ostwind.

So war es auch vor mehr als sechs Jahrzehnten. Da war ich elf, mein Bruder 13 Jahre alt. Am letzten Tag im Februar - wie in jedem Jahr seitdem wir einen Stiefvater hattenendete für uns die sogenannte Schonzeit, die unsere Mutter durchgesetzt hatte. Da wurden die Wintersachen weggepackt. Unser Vater wollte harte Burschen aus uns machen!

Schonzeitdas bedeutete wir durften Lederhosen mit eine Beinlänge bis zum halben Oberschenkel tragen, dazu Wollkniestrümpfe, warme Unterwäsche und einen Pulli unter dem Anorak.

Ja, wir waren aus Vaters Sicht verwöhnte Knaben und jeder besaß sogar zwei Lederhosen. Sie waren speckig und stammten von irgendeinem älteren Jungen, der sie ausgewachsen hatte. Dann diente sie zuerst meinem Bruder. Ich erbte sie später als „Winterlederhose“ und trug sie zuletzt als Sommerhose weiter, wenn ich wieder einen Schuss getan hatte.

Die „Sommerlederhosen“ bekleideten uns im Frühling und Herbst jeweils drei Monate lang. Die Hosenbeine bedeckten gerade einmal ein knappes Drittel der Oberschenkelwir sahen darin echt schneidig aus! Vor allem auch deshalb, weil sie so eng waren, dass sie auch ohne dämliche Seppel-Hosenträger nicht rutschten.

Warum hießen die bei uns Sommerhosen? Das war eigentlich Quatsch, denn in den drei echten Sommermonaten trugen wir nichts als alte verwaschene Turnhosen, Turnschuhe und ein kurzärmliges, kaum taillenlangen Hemd, das zu allem Überfluss keine Knöpfe besaß und daher nicht zugeknöpft werden konnte. Und in den Sommerferien war gar kein Hemd vorgesehen.

Schließlich verfügten wir Luxusknaben auch über einen Sonntagsdress. Das waren ganzjährig khakifarbige Baumwollshorts, dazu Halbschuhe, Söckchen und ein kurzes weißes Hemd. Auf der Straße im Winter und an kalten Frühlings- und Herbsttagen durfte ein leichter Blouson angezogen werden.

In dem Dorf wo wir lebten betrieb Papa eine Werkstatt für die Reparatur von Landmaschinen. Er hatte wohl selbst eine strenge Erziehung erlebt. Unser Schulweg zur Dorfschule war nur kurz gewesen. Aber nun gingen wir beide aufs Gymnasium in der Stadt. Wir hatten mit dem Rad einen Schulweg von einer Dreiviertelstunde. In der kalten Jahreszeit und bei Regenwetter kamen wir oft völlig durchgefroren in der Schule an. Aber in diesen Nachkriegsjahren machte man sich wenig Gedanken um unzureichend bekleidete Kinder.
Nur wenn es nachts Neuschnee gegeben hatte und man mit dem Rad nicht durchkam durften wir mit dem Bus fahren und dann solange bei einer Tante in der Stadt schlafen bis die Straße wieder befahrbar war.

Nach der Schule und den Schularbeiten trieben wir uns mit den Dorfkindern herum und liefen wie die sobald es etwas wärmer war barfüßig über Stock und Stein.
Papa ließ uns eine lange Leine und schmunzelte über Streiche. Mutter war mit Maulschellen rasch bei der Hand, wenn einer faul oder frech war. Prügel mit dem Rohrstock gab es vom Vater für Lügen, Klauen oder wenn wir irgendwas mutwillig kaputt gemacht hatten. Andere Jungs, auch Kameraden im Gymnasium, wurden aus geringerem Anlass verhauen.
Es war eine harte, aber auch glückliche Kinder- und Jugendzeit. Aber wir haben es gar nicht so schlimm empfunden, und heute denke ich gern daran zurück!





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