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Noidry schrieb am 24.11. 2001 um 15:44:48 Uhr über

Christ

Die germanische Ehe als innere Gemeinschaft

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Der Sinn der Ehe wird im nordisch-germanischen Menschentum als eine seelische Beziehung zwischen Mann und Weib erfaßt. Die körperliche Zusammengehörigkeit ist nicht das Entscheidende, sie bildet nur die naturgegebene Grundlage solcher inneren Verbundenheit. Diese verinnerlichte Auffassung ist bedingt durch die Wesensart des germanischen Menschen, die - bei aller Bejahung des Leibes und der Werte des Diesseits - den eigentlichen Sinn des Daseins stets auf das Geistige bezieht, für die ein Werterleben nur in der Sphäre des Geistigen denkbar ist.

»Der Körper ist dem Germanen nur ein Teil der Seele« , sagt der dänische Altertumsforscher Grönbech. So wird dem Germanen die Ehe zum seelischen Einssein, zur Lebens- und Schicksalsgemeinschaft zwischen Mann und Weib. Diese Auffassung galt schon im frühen Germanentum; sie ist altes, nordisch-germanisches Erbgut und nicht, wie von kirchlicher Seite behauptet worden ist, erst mit der Bekehrung zum Christentum bei den Germanen eingeführt worden. Unwiderlegbar bewiesen wird dieser Sachverhalt durch die Berichte der maßgebenden Quellen, vor allem des Tacitus und der Isländersagas. (Wer sich vollständig über diese Frage unterrichten will, lese Gustav Reckels kleine Schrift ,,Liebe und Ehe bei den vorchristlichen Germanen.")

In unmittelbarem Zusammenhang mit solcher Auffassung des Begriffs der Ehe steht die hohe Achtung, die im Germanentum von jeher der Frau zuteil wurde. Tacitus berichtet, wie die jungvermählte Frau durch die Morgengaben, die sie von ihrem Gatten erhielt - Waffen und ein aufgezäumtes Roß -, darauf hingewiesen wurde, daß sie Gefährtin seiner Kämpfe und Mühen sei, daß sie in Glück und Unglück mit ihm das gleiche Los zu teilen bestimmt sei. Er berichtet, wie die germanischen Krieger ihre Wunden zu den Gattinnen und Müttern trugen, wie diese den Männern, neben Wartung und Pflege, auch Zuspruch und Ermutigung, im Kampfe auszuharren, boten. Ein solches Hineinziehen der Frau in den Lebenskreis des Mannes setzt volle Anerkennung ihrer geistigen und sittlichen Gleichwertigkeit voraus. Die Sagas bestätigen diese Schilderung, die Tacitus von der Stellung der Frau, von der Auffassung der Ehe als engster Schicksalsverbundenheit der Gatten gibt, durchaus. Auch hier ist die Frau die dem Manne an inneren Werten ebenbürtige Lebensgefährtin. In Not und Kampf bewährt sie ihre eheliche Treue am stärksten, bewährt sich die Zusammengehörigkeit von Mann und Frau als unlösbare Einheit. Tief ergreifend wird ein solches Zusammenstehen der Gatten geschildert in der Saga von Gisli, dem Geächteten, und seinem Weibe Aud. In selbstverständlicher Treue harrt Aud bei Gisli aus in der Not und Einsamkeit seines Ächterdaseins, jede Versuchung zum Verrat ohne Wanken von sich weisend. Dieselbe Treue bewährt in der Njalssaga die alte Bergthora, die freiwillig das Todesschicksal ihres Gatten teilt; hat sie ihm doch bei der Eheschließung gelobt, ein und dasselbe Schicksal solle sie beide treffen.

Auch im weiteren Verlauf der Geschichte des germanischen Geistes bleibt diese Auffassung bestehen, daß Ehe gemeinsames Erleben und Tragen aller Sorgen und Mühen bedeute, daß die Frau die Gefährtin des Mannes in guten und schlimmen Tagen sei. Wir finden sie im Wandel der Jahrhunderte bei allen Persönlichkeiten wieder, die ungebrochenes nordisch-germanisches Wesen verkörpern. In Shakespeares Julius Caesar ist eine Szene zwischen Brutus und seiner Gattin Portia bezeichnend für diese Einstellung des germanischen Menschen. Portia bittet Brutus, ihr den Grund seiner sorgenvollen Stimmung zu sagen. Als er ausweicht, dringt sie weiter in ihn:

,,Bei jenem großen Schwur, durch welchen wir
Einander einverleibt und eins nur sind,
Enthüllt mir, Eurer Hälfte, Eurem Selbst,
Was Euch bekümmert - - - "
Nicht sein Weib, nur seine Buhle sei sie, wenn er nicht alles, was ihn bewegt, mit ihr teilen wolle. Und der Mann erkennt den Anspruch der Frau auf Teilnahme an seinem Innenleben voll an. Brutus bricht erschüttert in die Worte aus: ,,Ihr Götter, macht mich wert des edlen Weibes" und gesteht ihr volles Vertrauen zu.

Kommt hier der heroische Sinn des nordischen Menschen zum Ausdruck, der - ähnlich, wie es bei den tacite'ischen Germanen der Fall war, - in der Frau die Kampfgefährtin sieht und wertet, so sucht eine mehr der Gemütsinnerlichkeit zugewandte Erlebnisform des germanischen Geistes in der Frau auch die Trägerin warmer Liebesfähigkeit. Diese Liebesfähigkeit muß den Ausgleich herstellen zwischen der - im Kampfe des Berufsdaseins dem Manne vielfach aufgezwungenen - äußeren Härte seines Wesens und einer nach Wärme verlangenden Weichheit seines Innenlebens. In diesem Lichte sieht Bismarck seine Ehe, wenn er seiner Frau schreibt:

"Ich habe Dich geheiratet, um Dich in Gott nach dem Bedürfnis meines Herzens zu lieben und um in der fremden Welt eine Stelle für mein Herz zu haben, die all ihre dürren Winde nicht erkälten - -;
- - es gibt nichts, was mir nächst Gottes Barmherzigkeit teurer, lieber und notwendiger ist, als Deine Liebe - - -."

Unter den vielen geschichtlichen Persönlichkeiten nordischer Geistesprägung, deren Ehe im Zeichen einer solchen verinnerlichten Einstellung stand, sei vor allem Wilhelm von Humboldt erwähnt. Mit stärkster Überzeugungskraft beweisen seine Briefe an seine Frau, wie die Ehe, die innere Verbundenheit mit einer hochstehenden Frau auch dem Manne Bereicherung, Erhöhung seines Wesens bedeuten kann. Die Frau erscheint hier als die dem nordischen Manne unentbehrliche innere Ergänzung seiner männlichen Daseinsform. Dankerfüllten Herzens spricht Humboldt aus, was er von Caroline empfing. ,,Daß ich eins bin in mir, daß ich bin, wozu ich Anlage hatte zu sein, daß ich Wahrheit sehe, daß ich harmonische Schönheit empfinde, das ist Dein, einzig Dein Werk" .

In solcher dem nordisch- germanischen Geiste eigenen Auffassung wird die Ehe zur wertesteigernden Gemeinschaft, zu einer sittlichen Kraftquelle, die ihre Wirkung auf Mann und Weib in gleicher Weise ausstrahlt und das innerste Wesen beider Geschlechter formt und erzieht.

»Eine Fackel, die Euch zu höhern Wegen leuchten soll« , nennt Nietzsche die wahre Ehe.




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