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KIA, am 25.1. 2005 um 20:44:56 Uhr
Esseintes

Fischer hatten die Kiste gefunden. Ich lag am Strand unten. Es würde ein schöner Tag werden; satte Brecher dröhnten, weit hinten am Horizont trieben kleine Wolken. Der Himmel sonst tiefblau und blankgefegt nach dem Unwetter vom Vortag - bis auf ein paar Möven, die sich gierig und mit heiseren Schreien, »Hiähh! Hiähh!«, um einen kleinen Fisch stritten, als sei es der letzte. Ich stützte mich auf die Ellenbogen hoch, um zu sehen, welche von ihnen das blitzende Silberding, das ihnen in ihrem Streit verloren gegangen war, wieder auffangen würde. Die kleinen dunkelbraunen Männer brachten den Katamaran mit unglaublicher Geschicklichkeit auf den Strand. Sie schienen einen mächtig guten Fang gemacht zu haben; sie gestikulierten, lachten laut, schrieen gegen den Lärm der Brandung an. Winkten mir zu. Winkten mich heran? Sie luden die Kiste aus dem Boot. Es war gebürstetes Aluminium, das glänzte und schillerte in den Regenbogenfarben. An den Kanten war sie leicht abgerundet, und es gab weder Griffe, noch sonstige Anhaltspunkte für Oben, Unten, Verschluß und Öffnungsmöglichkeit. Sie wollten das Ding loswerden, das sah ich, denn es war ihnen unheimlich. vermutlich hatten sie es nur hergebracht in der sicheren Erwartung, mit mir ein Geschäft machen zu können. Sie wollten das Spiel. Ich klopfte Schultern, sagteBravo!” und zeigte auf zwei rotschimmernde Goldbrassen, tippte mit den Händen auf meinen Bauch, zeigte, tippte, machte die Geste des Geldzählens, lobte, kreiste mit der Rechten nochmals über der Magengegend und wies auf meine Hütte, mit beiden Händen, rieb die Zeigefinger an den Daumen; »Dort ist das GeldSie brachten mir die Kiste, auf die sie die Fische gelegt hatten wie auf einen Altar, in meine Hütte, und ich entlohnte sie reichlich für etwas, das sie nicht haben wollten. Die Kiste stand da, und ich wußte, sie wollte geöffnet werden. Ich bildete mir sogar ein, ein leises, dringliches Klopfen zu hören. Es war alles nur eine Frage der Zeit. Ich suchte Reisig, kleine Äste, Gewölle der Kokospalme, sägte von einem dickeren Ast drei gute Stücke, spaltete sie sorgfältig in sechs Teile, stellte in meiner Feuergrube das Holz zu einer kleinen Pyramide auf und entzündete mit einem Streichholz den Kokosfilz. Ich gab mir Mühe beim Aufbau, denn ich wollte immer nur mit einem Zünder auskommen. Ich briet die Fische am Spieß. Sie schmeckten köstlich. Ich ging zum Strand zurück, legte mich unter den Sonnenschirm, verschränkte die Hände unter dem Kopf und versuchte das Ding zu vergessen. Ich nahm die Kiste dann ungeöffnet mit zurück nach Europa. Sie steht dort. Sie wartet


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