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schlechte laune mit frau berg schrieb am 8.12. 2003 um 22:47:02 Uhr über

Heiligabend

Schau nur, es schneit. Es schneit wirklich an Heiligabend. Die Flocken, wiso machen die keinen Lärm, sind doch so groß, als ob sie die Stadt unter Wasser setzen würden, die Flocken wie helles, warmes Wasser durch das sich langsam rudernd, als würde die Welt gleich stehenbleiben , die Zeit stehenbleiben , Menschen bewegen, mit roten Gesichtern, und kleine Kinder , die seit Tagen nicht mehr ruhig schlafen können, wegen aufgeregt. Gleich ist Heiligabend. Was für ein altes Wort, eines, das es gar nicht mehr geben sollte, es gibt doch so wenig, was heilig ist. Dieser Abend vielleicht schon. Dieser miese Abend. Ich habe ja alles versucht. Alles versuchte ich schon. Bei Freunden war ich und wir haben getan, als sei es ein Abend wie alle,haben gelärmt gegen etwas Fahles an, etwas Peinliches, das keiner aussprach und dann bin ich weggegangen , von den Freunden , alleine die Straßen entlang und habe in die Häuser gesehen, die Lichter gesehen, und wollte gar nicht mehr laufen , mich nicht mehr bewegen, so weh tat es in mir. Und wusste nicht warum. Ich bin weggefahren , in heiße Länder , habe Touristen belächelt , die Plastikbäume in den Sand steckten, doch auch da kam die Nacht und ein einen Sehnen , nach was nur. Ich habe sie mir angesehen, die Menschen , die herumjagen, Geschenken hinterher , die niemand bekommen sollte, die kaufen und schwitzen , die kochen Essen, das dann keiner mehr mag , wegen des Stresses und wenn es soweit ist , haben sie fettige Haare und streiten sich . Liebe gibt es nicht . Habe ich mir gesagt , doch es hilft nicht. Es ist der Abend, die Nacht , die heilig ist und mich wieder klein macht, zum Kind macht , das verdammt nochmal eine Familie haben will. Weist du, ich könnte jetzt rausgehen, in einen Club gehen, wo all die Einsamen gegen die Traurigkeit antanzen, antrinken, ich könnte mich in ihnen sehen, könnte sehen, wie ich in einem Club stehe und auf Weihnachten scheiße. Aber es würde nicht helfen, nichts hilft , in dieser verdammten Nacht , verstehst du mich . Als ich klein war, und ich kann dir sagen , gerne war ich das nicht , war Weihnachten fast immer eine Enttäuschung. Warum hat nie jemand erraten , oder gefühlt , was meine wirklichen Wünsche waren. Doch dieses Hoffen, damals, war so schön, es war wie träumen, von einem großartigen Leben , viel großartiger sind diese Träume, als Leben je seien können. Dieses Gefühl, es kam nie wieder,später . Es war der Glauben daran, das es Wunder geben könnte. Ich glaube nicht mehr. Die Glocken, jetzt gehen die Glocken los, Die Katholiken greifen an, ich möchte verächtlich den Mund verziehen, die Idioten belächeln , die in die Kirche gehen, sich ein Märchen anhören in schlechtgeheiztem Gemäuer. Aber ich schließe nur die Augen und höre den Glocken zu . Jeder Schlag hallt in mir , füllt mich aus, bis ich keine Luft mehr bekomme, bis ich schreien möchte , weglaufen vor diesen Glocken den sie werden immer lauter und schlagen in meinem Körper wie gegen Wände aus Eis. Dann ist Ruhe, und weiß , was jetzt passiert , in tausend Wohnungen. Was soll passieren. Kinder fallen über die Geschenke her , reißen das Papier auf, die Geschenke auf, kaputt, das Essen ist angebrannt , vielleicht brennt später auch noch die Gardine. Lüg nicht , lüg dich nicht an , was passiert , ist Heimat . Zu wissen , wo man hingehört . Ist Ruhe. Und wenn es auch nur die Idee von diesen Dingen ist . Ich kann noch nicht mal die Idee haben . Ich gehöre nur mir , und wenn ich irgendwo zu Hause bin , dann da . Ich bin dünn, was soll das für eine Heimat sein. Heimat. Scheiß Heimat. Ich brauche sie nicht. Nichts brauche ich. Es geht nicht mehr lang. Es geht vorbei, es ist nicht schlimm. Ich werde etwas essen , zu Bett gehen, es kommen gute Filme , an Heiligabend. Morgen ist der erste Weihnachtstag und alles schläft , satt von Liebe, vom Braten , von der Erschöpfung, egal warum , kein Mensch ist morgen auf der Straße . Alleine , werde ich sein und denken, was nur denken und es wird vorbeigehen. Freunde werden mich fragen , irgendwann , wenn sie sich wieder der Welt zuwenden, wie war es denn an Weihnachten . Und ich werde lächeln und sagen , weißt du , ich bin froh das ich den ganzen Zirkus nicht mitmachen muss. Ich habe fernsehen geschaut , viel geschlafen , ich habe mich gepflegt , mir ging es gut, danke. Und sie werden neidisch sein. Klar, werden sie neidisch sein , nach all der Hektik die sie hatten. Ich befürchte, das wird mir nicht helfen . Nicht lange helfen , denn ich weiß wen sie beneiden. Einen Menschen , der an einem Tag alleine ist, an dem niemand allein sein sollte. Weil es ist , wie alleine auf der Welt zu sein. Einen , der so gerne jeden Tag intensiv erleben will, weil er doch der letzte sein können. Aber verdammt, wie geht das nur.

(SibylleBerg)


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