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mcnep schrieb am 20.7. 2008 um 06:26:43 Uhr über

Kakteen

In einem großen, mindestens 20 Liter fassenden Blumentopf aus schwerem weißen Porzellan steht bei mir der Mutterkaktus. Der Mutterkaktus ist ein recht unspektakulärer, nicht einmal handballgroßer Kaktus, ich weiß nicht einmal, zu welcher Familie er gehört, Kakteen sind für mich etwas sehr fernes und spezielles, ich bin sicher, sie sind so etwas wie die Basken, die Malteken oder die Finnugrier, etwas vom Mond gefallenes ohne nähere Verwandtschaft, wenn eine Opuntie sprechen könnte, wir würden sie nicht verstehen. Mutterkaktus heißt er mir, weil er für Jahr und Tag in einem viel zu kleinen Topf annähernd erdfrei auf einer Fensterbank bei meiner verstorbenen Mutter stand. Die vielen Jahre im engen Topf haben ihn etwas unsymmetrisch werden lassen, die lichtabgewandte Seite, beschattet durch den Topfrand, ist deutlich heller, fahler als der grünfleischige Rest. Jetzt steht er fast ein wenig verloren in dem riesenhaften Topf, sattvoll mit bester Kakteenerde, und so langsam scheint der Mutterkaktus den plötzlichen Sauerstoff- beziehungsweise Nährstoffschock verkraftet zu haben, bei vorteilhafter Beleuchtung kann man ihn jetzt schon unauffällig mit den Muskeln spielen sehen. Sogar zwei Kindel hat er gebildet, die ihre silbrigen Köpfchen (viele Kakteen kommen ja mit weißen Haaren zur Welt, die sie im Alter ablegen) durch den luxuriösen Kakteensand strecken. Sogar eine Flasche Kakteendünger habe ich gekauft, bei Größe und Zahl meiner Kakteen dürfte ich damit bis zum nächsten Erdzeitalter auskommen. Und alles nur für ein halbbewusstes Schamanénshinto, unlogisch, absurd und doch vermutlich jedem gewesenen Sohn verständlich, dass ich hier am Kaktus gut zu machen versuche, was meiner Mutter in Fülle zu besitzen nie gegeben war, genug Platz, genug Anstoß zum Wachstum, jemanden halt, der einem hilft, nicht immer nur alles aus sich selbst heraus zu produzieren. Ich mag Kakteen nicht einmal besonders, aber diese komische Knolle werde ich in den nächsten Jahrzehnten hegen und mehren, bis die Wohnung aussieht wie bei Döblins auf dem Schreibtisch.


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