Ich weiß sehr wohl, daß Vanille erhitzend wirkt, und daß man von der Manille [dem Dildo] mäßigen Gebrauch machen soll. Aber was soll man machen! wenn einem nur das bleibt - wenn man ohne jedes andere Behelfsmittel dasitzt. [...] Morgens eine gute Stunde lang fünf Manilles, kunstvoll abgestuft von 6 bis 9 [Zoll = 15–23 cm], abends eine gute halbe Stunde lang drei, mit kleineren Abmessungen ... Auf der anderen Seite [...] herrscht wirklich beispiellose Keuschheit – fürwahr, bisweilen drei Monate lang. Nicht daß der Bogen nicht hart gespannt wäre –oh! keine Angst, in dieser Hinsicht würde alles zu ihrer Zufriedenheit ausfallen – doch der Pfeil will nicht losgehen – und das ist tödlich. Denn man will ja, daß er losgeht – in Ermangelung eines Gegenüber geht es dann im Kopf los, wodurch nichts besser wird. [...] Was die Dickköpfigkeit betrifft, mit der dieser Pfeil einfach nicht losgehen will, so habe ich einen klaren Entschluß gefaßt, namentlich weil es im Falle, daß er es doch schafft, durch die Lüfte zu sirren, zu einem regelrechten epileptischen Anfall kommt. [...] Und von diesen Zuckungen, Krämpfen und Schmerzen hast du in Lacoste [Stammsitz der Sades] Kostproben erlebt. Seither ist es doppelt so arg geworden, so daß Du Dir eine Vorstellung davon machen kannst. Da dies nun alles in allem mehr Nachteile als Vorteile mit sich bringt, halte ich mich an die Manille, die sanft ist [...] Ich wollte den Grund dieser Anfälle analysieren, und ich glaube ihn in der unglaublichen Zähflüssigkeit gefunden zu haben – es ist so, als wollte man Schmand durch einen äußerst engen Flaschenhals pressen. Diese Zähflüssigkeit bläht die Gefäße und zerreißt sie. [...] Je erregter der Kopf ist, um so weniger geht der Pfeil los. Und je weniger er losgeht, um so erregter wird der Kopf [...] Wenn der Pfeil nicht losgeht und man ihn dazu zwingen will: gräßliche Kopfschmerzen; wenn es einem gelingt: schreckliche Lustkrämpfe. – Und wenn es einem nicht gelingt – der Kopf geht zum Teufel.
Marquis de Sade, Brief aus der Bastille an seine Frau Renée-Pélagie (1784)
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