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wuming schrieb am 10.4. 2003 um 00:07:44 Uhr über

Medienindustrie


Lex Bertelsmann in der Zielgeraden

Peter Mühlbauer 09.04.2003

Der Bundestag verabschiedet am Freitag ein neues Urheberrecht. Die Novelle ist
ein Propagandaerfolg, nach dem sich die PR-Agenten der Golfkriegsparteien
die Finger lecken würden

Ein Eroberungsfeldzug (vgl. Content is King! oder die Diktatur des Kleingedruckten)
wurde von der Medienindustrie erfolgreich als Abwehrschlacht verkauft, eine
unbegrenzte Ausweitung der Rechte der Medienindustrie über Konsumenten,
Bibliotheken und Universitäten als »Schutz vor Piraterie«.







Änderungen gegenüber zuletzt diskutierten Fassungen (vgl. Parlamentarier feilschen ums
Urheberrecht) ergaben sich nur in wenigen Punkten, unter anderem zum § 52a. Für die
Forschung dürfen nun »Teile« von Texten im Intranet zur Verfügung gestellt werden, für den
Unterricht nur »kleine Teile«. Eine ausdrückliche Zustimmung der Verlage wird nur bei
Schulbüchern verlangt. Die Regelung ist bis 31.12.2006 begrenzt, danach sollen die
Auswirkungen überprüft und neu evaluiert werden.

Die Änderung dieser Vorschrift erfolgte, nachdem in einer bemerkenswert dreisten
PR-Kampagne Entstehung und Honorierung wissenschaftlicher Arbeiten fernab jeder
Realität dargestellt wurden. Für seriöse Wissenschaftler wird das neue Urheberrecht eher ein
Verlust als ein Gewinn, da sie in Zukunft für jeden Blick in einen Aufsatz von den Verlagen
zur Kasse gebeten werden können.

Weiter verändert wurde der § 95b, der u.a. Behinderten Mittel zur Umgehung von
DRM-Technologie zur Verfügung stellen soll. Hier sollen die Verbände "freiwillige
Vereinbarungen" mit den Rechteinhabern treffen. Wenn diese keine ausreichenden Mittel zu
Verfügung stellen, liegt die Beweislast jetzt bei den Behinderten. Der nicht von der
EU-Richtlinie vorgeschriebene und von der SPD »heimlich« eingebrachte Schutz von
DIN-Normen (vgl. Architekten und Ingenieure gegen Urheberrechtsnovelle) wurde dagegen
leicht entschärft.

Am problematischsten Punkt der Novelle, dem Verbot von »Umgehungstechnologien« (vgl.
Weggesperrt in Krypto-Flaschen) hat der Rechtsausschuss auch in seiner heutigen Sitzung
nichts mehr geändert. Die restriktive Umsetzung des Artikels 6 der EU-Richtlinie bringt eine
massive Einschränkung von Presse- Wissenschafts- Meinungs- und Informationsfreiheit mit
sich. In den USA verhinderte ein ähnlich rigoroses Verbot bereits die Publikation
wissenschaftlicher Studien zu Verschlüsselungssystemen.

Die Regelungen der §§ 53 und 54 (Pauschalabgaben vs. Individualvergütung) werden nicht am
Freitag entschieden, sondern sind auf den Herbst vertagt. Für den Verbraucher - der von den
am Freitag zu beschließenden Regelungen erhebliche Auswirkungen zu befürchten hat - ändert
das dann zur Entscheidung anstehende Scheingefecht zwischen Verwertungsgesellschaften
und IT-Industrie kaum mehr etwas: PCs und Peripheriegeräte wurden bereits vor Einführung
der Pauschalabgabe teurer, weil viele Hersteller und Importeure, wie von den
Verwertungsgesellschaften gefordert, Rückstellungen bilden und diese verdeckt auf die Preise
aufschlugen.

Die Entscheidung zwischen GEMA und DRM, die im Herbst fallen soll, erscheint vielen
Konsumenten wie eine Systemkonkurrenz zwischen Nordkorea (ineffizienter Totalitarismus,
der nur eine bürokratische Elite begünstigt) und Somalia (absolute Macht in den Händen einer
Oligarchie ohne Grundrechte für die Bevölkerung). Andere Vorschläge, wie eine
Pauschalabgabe, mit der eine Kranken- oder Altersversicherung für alle Künstler und
Programmierer finanziert wird, und die nicht (wie bei der GEMA) vorwiegend der
Medienindustrie zufließt (vgl. Lex Bertelsmann, Teil 2) wurden bisher weder von der
Regierung noch von der Opposition berücksichtigt. Eine Änderung in diesem Bereich ist nicht
zu erwarten, solange Reinhold Kreile Chef der GEMA ist (vgl. Urheberrechtsausgleich oder
Subventionssteuer?). Der ehemalige CSU-Bundestagsabgeordnete und Anwalt von
Franz-Josef Strauß verfügt über ein persönliches Netzwerk, das ihn gegen Reformvorhaben
immun macht.
















Kommentare:
falscher Ansatz (W2, 9.4.2003 21:47)
leider(?) nein (crs, 9.4.2003 21:13)
Gedankenspiel - Microsoft verklagen (Skybird, 9.4.2003 19:35)
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last modified: 09.04.2003
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