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Weichquarz schrieb am 1.11. 2015 um 21:59:59 Uhr über

Papstneuwahl

Ich werde mich stark machen für die Ablösung des derzeitigen Papstes, denn ich beabsichtige, irgendwann dessen Amt zu übernehmen. Ich will aber nicht warten, bis er das Zeitliche segnet, sondern ich wünsche ihm, dass er gleich seinem Vorgänger den Ruhestand genießen und das Aufstreben seines Nachfolgers mitverfolgen kann. Wie ich darauf komme? Das ist schnell erklärt. Bereits als Baby hatte ich unglaubliches Glück. Ich war aus dem Fenster meines Elternhauses geklettert und dabei in die Tiefe gestürzt. Aber ich prallte nicht auf die Erde auf, denn mein Fall wurde gebremst durch den schmiedeeisernen Zaun, der das Grundstück umgab und im Bereich des Fensters, aus dem ich gefallen war, der Mauer sehr nahe kam. Aufgespießt auf zwei spitzigen Verzierungen schrie ich mir die Seele aus dem Leib. Meine Mutter entdeckte mich, und mit einer aufwendigen Rettungsaktion sorgte der Notarzt dafür, dass ich überlebte. Meine gläubigen Eltern führten das auf das Wirken eines Schutzengels zurück, ein wahres Wunder, und erzählten mir immer wieder davon. Und bald war ich selbst davon überzeugt, schließlich hatte ich auffällige Narben am Körper. Doch das ist nur einer der Gründe, weshalb ich gedenke Papst zu werden. Es war die Bekanntschaft mit dem Teufel, welche ich in meiner Jugend machte. Ja, ich bin dem Leibhaftigen begegnet. Damals verbrachte ich die Ferien oft bei meinem Onkel. Dieser hatte einen Dackel, und einmal erteilte er mir die Erlaubnis, das Tier spazieren zu führen. Leichtsinnigerweise hatte ich vergessen, den Dackel anzuleinen, weshalb das Tier auf die Straße rannte. Glücklicherweise herrschte dort zu der damaligen Zeit wenig Verkehr. So gelangte der Dackel wohlbehalten auf die andere Straßenseite, wo er mich kläffend an seinem mir nicht bekannten Haus erwartete. Ich rannte über die Straße und wäre beinah von einem der wenigen Autos überfahren worden, denn schließlich galt es, das ungehorsame Dackelchen wieder einzufangen. Doch der Dackel erklomm mit der artuntypischen Gewandtheit einer Katze den Türpfosten des Hauseinganges und gelangte so auf einen hoch gelegenen Mauersims. Diesen dackelte er entlang und führte mich so in das Haus hinein, denn glücklicherweise führte der Mauersims direkt an die oberste Stufe der unteren Treppe, so dass ich hoffte, den Dackel endlich ergreifen zu können. Ein Irrtum, denn der Dackel flitzte wieselflink die weiteren Treppen hinauf, während ich ihm hinterherhastete. Ich sah gerade noch, wie das Tier in den Spalt einer angelehnten Tür hineinschlüpfte. Ich hinterher, da fand ich den Dackel in einem sonderbaren Raum wieder, der mit seltsamen Landschaftsmodellen verbaut war. Ganz hinten am Ende des Raumes stand ein hagerer älterer Herr mit Brille hinter einem Tisch. Jetzt erst begriff ich, dass mich der Dackel in eine Art Laden geführt hatte. Der Herr winkte mich zu sich heran und fragte: „Was wünschen Sie, junger Mann?“ Ich erklärte ihm, dass ich eigentlich bloß den Dackel meines Onkels hatte einfangen wollen. „Aber schauen Sie doch, junger Mann“, entgegnete der Herr, „der Dackel hat bereits Gesellschaft.“ Und wirklich, außer mir und dem Herren, welcher offenbar hier der Verkäufer war, hielten sich noch weitere Leute hier in dem Laden auf, welche ich wegen der Dunkelheit und dem unübersichtlichen Chaos, das hier herrschte, erst jetzt bemerkt hatte. Ein junges Mädchen ließ den Dackel sogar an ihrem Lolli schlabbern. Ich lächelte erfüllt. Dieses Dackelchen verstand die holde Weiblichkeit um den Finger zu wickeln wie einst Casanova in seinen Flegeljahren. „Nun, Sie sollten wissen“, nahm der Verkäufer das Gespräch wieder auf, 2mein Geschäft läuft nicht mehr so wie früher. In diesen Mauern geschehen sonderbare Dinge, welche ich näher zu umschreiben nicht imstande bin. Aber möchten Sie vielleicht nicht doch etwas käuflich erwerben?“ Ich verneinte, denn schließlich hatte ich keinerlei Geld dabei. Der Verkäufer griff derweil in die Tasche seines Kittels und holte eine tote, weiße Maus hervor. Das war überraschend für mich, denn dass ich mich gerade an einem sonderbaren Ort aufhielt, dessen war ich mir sehr wohl bewusste, aber dass der Verkäufer tote Mäuse in seinen Taschen herumschleppte, erschien mir außerordentlich eigenartig. Der Verkäufer öffnete ein kleines Gittertürchen an der Wand, legte die tote Maus hinein und verschloss es wieder. Vor Neugier hielt ich es nicht mehr aus und schaute durch die Maschen des Gitters in einen Hohlraum des Mauerwerkes. Da erschien ein Tier nach der Art einer Spinne, jedoch perlmuttweiß und von der Größe eines Meerschweinchens. Es war eine Kreatur mit zwei großen und sechs kleinen prachtvoll metallisch schimmernden Augen und acht glänzenden Beinen. In meinem bisherigen Leben hatte ich ja nie so sonderlich auf Spinnen geachtet, doch ich musste eingestehen, niemals ein Geschöpf von solch ehrfurchtgebietender Schönheit gesehen zu haben. Mit gemessenen, beinah würdigen Bewegungen ergriff die riesenhafte Spinne die Maus mit ihren Kieferklauen und machte sich daran, sie zu verzehren. Doch dann geschah plötzlich das Unfassbare; überall im Mauerwerk begann es zu knacken und aus den Mauerritzen quoll eine weißlichgelbe, zähflüssige Masse hervor, die fast wie Eiter ausschaute und die Spinne mitsamt ihrer Beute einhüllte, um schließlich das Gittertürchen aus der Wand herauszusprengen. Dann erstarrte die Masse plötzlich und wurde bröcklig, und weder von dem Loch in der Wand noch von der Spinne und ihrer Beute war etwas zu sehen. „Nun sehen sie, was ich meine“, sagte darauf der Verkäufer, „Diese tibetanische Riesen-Springspinne war das einzige bekannte Exemplar der Welt und ein Vermögen wert. Sie waren soeben der letzte Mensch auf Erden, der einen Vertreter dieser Tierart sah. Doch eine böse Macht der Finsternis hat mich soeben dieses Schatzes beraubt. Als einer meiner Freunde vor einiger Zeit auf einer Weltreise den Dalai Lama besuchte, hat dieser ihm diese Spinne persönlich als Geschenk überreicht.“ Ich bekam es mit der Angst, krallte mir den Dackel meines Onkels, arbeitete mich rasch durch all die Landschaftsmodelle in Richtung Tür durch, stürmte die Treppen hinunter und völlig außer Atem auf die Straße hinaus. Den Dackel noch fest an mich gepresst hastete ich über die Straße zurück zu dem Haus meines Onkels. Ja, dieser Dackel war es einst gewesen, dem ich den Entschluss zu verdanken hatte, gegen all das Böse in dieser Welt vorzugehen. Im Jahre darauf besuchte ich meinen Onkel erneut. Der Dackel war inzwischen unter mysteriösen Umständen gestorben. Erst sechs Jahre alt, hatte er sich innerlich irgendwie verflüssigt, was ihm einen qualvollen Tod bereitete. Die Veterinärmedizin war in den frühen 60er Jahren halt noch nicht so weit. Was ich im Jahr zuvor mit dem Tier erlebt hatte, verriet ich meinem Onkel niemals. Doch weitaus sonderbarer war der Umstand, dass das gegenüberliegende Haus mit dem absonderlichen Laden leer stand. Sämtliche Eingänge und Fenster waren mit Brettern vernagelt. Mein Onkel sagte damals, der Zustand des Hauses sei schon lange so, schließlich sei der Besitzer, ein Jude, bereits 1945 in Bergenbelsen umgekommen und die Besitzverhältnisse ungeklärt. Unklar ist ebenso, ob es die Art der tibetanischen Riesenspringspinne wirklich gab, denn all meine Recherchen ergaben lediglich, dass die größten Vertreter der Springspinnen nur wenige Zentmeter groß werden. Selbst zu dem Dalai Lama versuchte ich Kontakt aufzunehmen, um der Lösung des Rätsels auf die Spur zu kommen. Aber ich erhielt nie Antwort. So seltsam, wie das alles scheint, eines ist völlig klar. Der Leibhaftige hatte damals seine Finger im Spiel, und ich werde gegen ihn kämpfen. Ich besuchte seit jenem Ereignis in meiner Jugend zahllose Gottesdienste, und all das habe ich dem Dackel meines Onkels zu verdanken. Irgendwann werde ich Papst sein, das ist gewiss, und das Böse wird zurückgedrängt werden. Aber nicht erst dann wird man wieder von mir hören


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