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Jemand schrieb am 9.2. 2001 um 17:26:04 Uhr über

Reemtsma

Interview mit Jan Phillip Reemtsma über seine Gefühle im Verfahren, über Trauma und Ohnmacht, Religion und Tod

Die Zeit, vom 25.Jan.2001, Nr.5, S.12 ff

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DZ: In vielen Ländern der Welt müssen Menschen, die zu Opfern von Verbrechen wurden, selber damit fertig werden - womöglich sogar damit, dass der Täter zu guter Letzt triumphiert. Sie leben in einem Rechtsstaat, und Ihre Entführer werden vor Gericht gestellt. Hilft Ihnen das dabei, das Geschehene zu verarbeiten?

JPR: Selbst fertig werden muss ich damit trotzdem. Auch die Tatsache, dass der Haupttäter jetzt vor Gericht steht, macht die Anforderungen nicht geringer. Eine Gerichtsverhandlung ist ja keine Psychotherapie. Sie kann allenfalls verhindern, das die Sache noch schlimmer wird. Das entscheidende bei der Rechtssprechung ist ja die Feststellung: Hier ist Unrecht geschehen und nicht jemandem ein Unglück wiederfahren. Und dem Opfer wird gleichsam offiziell bescheinigt: Der da ist schuld. Die Gefühle von Scham und Schuld, die Du als Opfer hast, sind unberechtigt. Wenn das verweigert wird, wird die Sache erheblich verschlimmert.

DZ: Wozu führt das dann?

JPR: Die Erfahrung geht in Serie. In der Fachterminologie gibt es dafür den Begriff der sequentiellen Traumatisierung. Das Traum wird zur Lebensregel. Man kann aus den eigenen Empfindungen nicht mehr aussteigen und ist auf das Trauma fixiert. Dass dies nicht geschieht, dazu kann dieser Prozess beitragen. Vergeltung, auch so etwas wie Vergeltung in sublimierter Form, kann ein Prozess jedoch nicht sein. Es gibt noch einen anderen Aspekt, der mich hierbei beschäftigt: Ich war erstaunt, dass bei der Anklageerhebung gegen Drach, anders als im Fall von W.K., das Stichwort der Sicherungsverwahrung nicht ins Spiel gebracht wurde, und sei es nur als prüfende Eventualität.

DZ: Sicherheitsverwahrung bedeutet lebenslanges Wegschließen .....

JPR: .... nicht notwendigerweise lebenslang. Es geht bei der Sicherungsverwahrung um eine Maßnahme zum Schutz der Öffentlichkeit jenseits von Strafe. Der Paragraf 66 im Strafgesetzbuch, der diese Maßnahme vorsieht, ist im Grunde für die Karrieren wie die von Drach erfunden worden. Drach hat selbst freimütig eingeräumt, nach seinem Schulabgang alles vermieden zu haben, was irgendwie mit Legalität zu tun hat. Er hat sich also bemüht, eine erfolgreiche Verbrecherlaufbahn einzuschlagen, und die Schwere seiner Straftaten ist mit dem Alter gewachsen. Wie ich aus den Akten weiß, hat Drach bei seinem vorletzten Gefängnisaufenthalt bereit von einer Entführung schwadroniert. Er hat davon gesprochen, dass er jemanden entführen wolle, um weitere Straftaten vorzufinanzieren. Das alles, meine ich hätte für Sicherheitsverwahrung gesprochen. Denn: Selbst wenn Drach die Höchststrafe bekäme und ihm die Untersuchungshaft in Argentinien eins zu eins angerechnet würde, hätte er immer noch einen Erlös von zwei Millionen Mark pro Haftjahr. Und selbst wenn sein Mittäter mehr erhalten hätte, als er zugibt, hätte sich dann das Verbrechen gelohnt.

DZ: Hat sich durch die Entführung Ihre Einstellung zu Geld verändert?

JPR: Nein, hat es nicht.

DZ: Was machen Sie mit dem Geld, wenn Sie es zurückbekommen sollten?

JPR: Ein Teil dieses Geldes soll Hinterbliebenen von Polizisten, die in Ausübung ihres Dienstes getötet wurden , zugute kommen, ein anderer Teil der Schuldnerberatung des Diakonischen Werkes.



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