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Vik schrieb am 15.6. 2013 um 08:55:34 Uhr über

Reichensteuer

Der Begriff Reichensteuer ist eine in der nach der Bundestagswahl 2005 geführten Reformdiskussion um das deutsche Steuerrecht bekannt gewordene, häufig auch populistisch verwendete Wortschöpfung. Weitere Schlagworte sind Millionärssteuer[1] oder Neidsteuer.[2]

Die alsReichensteuerbezeichnete Erhöhung der Einkommensteuer für besonders hohe Einkommen wurde im Koalitionsvertrag vom 11. November 2005 zwischen CDU, CSU und SPD vereinbart.[3] Am 29. Juni 2006 beschloss der Bundestag die Änderung des Einkommensteuertarifes mit den Stimmen der SPD und CDU/CSU gegen die Stimmen der FDP, der Grünen und der Linkspartei.PDS. Diese Änderung wurde mit dem „Steueränderungsgesetz 2007vom 19. Juli 2006 eingeführt und gilt seit dem 1. Januar 2007.[4] Hierbei ist zu beachten, dass es sich nicht um eine selbstständige Steuer handelt, auch wenn dies teilweise in den Medien missverständlich dargestellt wurde.

Ihr Aufkommen betrug im Fiskaljahr 2010 rd. 640 Mio. Euro (2009: 610 Mio. Euro; 2008 790 Mio. Euro; 2007: 650 Mio. Euro).[5] Der Solidaritätszuschlag ist in diesem Aufkommen bereits enthalten. Betroffen von der »Reichensteuer« sind nach Angaben des DIW nur rund 45.000 Personen, also ca. 0,1 % der Steuerpflichtigen.[6]
Inhaltsverzeichnis

1 Ausgestaltung
2 Politische Diskussion
3 Diskussion in Österreich
4 Frankreich
5 Siehe auch
6 Weblinks
7 Einzelnachweise

Ausgestaltung

Ab einem zu versteuernden Einkommen von 250.731 € für Ledige (§ 32a Abs. 1 Nr. 5 i.V.m § 52 Abs. 41 EStG) bzw. ab 501.462 € bei Zusammenveranlagung (§ 26, § 26b i.V.m § 32a Abs. 5 EStG) beträgt der Spitzensteuersatz 45 %. Dieser Steuersatz galt im Veranlagungszeitraum 2007 allerdings nicht für die Gewinneinkünfte. Diese Regelung wurde damit begründet, dass zum 1. Januar 2008 eine Unternehmenssteuerreform in Kraft trat.

Erzielt ein Steuerpflichtiger nur Überschusseinkünfte, so ergibt sich obiger Verlauf des Grenzsteuersatzes; werden sowohl Gewinn- als auch Überschusseinkünfte erzielt, so hängt der Grenzsteuersatz vom Verhältnis dieser beiden Größen ab.
Politische Diskussion

Die Einführung derReichensteuerlösteauch wegen des populistischen Begriffseine erhebliche politische Diskussion aus, die allerdings innerhalb der Regierungskoalition auf beiden Seiten vor allem „ideologisch motiviertsei.[7]

Hauptsächlich wurde kritisiert, dass es sichso Gustav Horn, Leiter des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung – lediglich umsymbolische Politik“[8] handle, die letztlich nur geringe Auswirkungen habe undniemandem hilft“.[9] Entsprechend konstatierte der Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel, dass die Reichensteuer einen reinen Placebo-Effekt habe, „eine generelle, aber zeitlich begrenzte Erhöhung des Steuerspitzensatzes auf 45 Prozent wäre effektiver gewesen.“[10]

Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Peter Ramsauer, bezeichnete dieReichensteueralsökonomisch unsinnige Neidsteuer“.[11] Ähnlich argumentierte der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Karl Heinz Däke, der bei der Umsetzung der Reichensteuer erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken sieht.[12]

Der ehemalige Vizekanzler Franz Müntefering befürwortete dagegen für weite Teile seiner Partei dieReichensteuer“, es sei gut zu vertreten, dass diejenigen, „die ganz oben sind, ein Stückchen mehr an Steuern bezahlen müssen.“[13] Der stellvertretende Vorsitzende des CDU-Arbeitnehmerflügels, Gerald Weiß, sagte, dass Belastungsgerechtigkeit gebraucht werde: „Jeder soll tragen müssen, was er tragen kann.“[14]

Einen offenen Briefinitiiert durch den Reeder Peter Krämer – versahen prominente Unterzeichner mit der ÜberschriftDie Reichensteuer ist lächerlichund forderten eine konsequente Besteuerung der Reichen.[15]

Neben der politischen Diskussion über den Zweck der Reichensteuer wurde zudem aus ökonomischer Sicht untersucht, inwieweit das geforderte politische Ziel, eine differenzierte Behandlung der Gewinn- und Überschusseinkünfte, überhaupt erreicht werden konnte. Die Untersuchung kam zu dem Ergebnis, dass es sich bei den Gesetzesänderungen umkein stimmiges Modell“ handle, dasungewollte Effekte“ hervorrufe.[16]
Diskussion in Österreich

Auch in Österreich gab es eine öffentliche Debatte um eine vergleichbare Regelung. SPÖ, Grüne und FPÖ ließen Sympathien für eine Reichensteuer erkennen,[17] Finanzminister Karl-Heinz Grasser wies im November 2005 die Vorschläge alsfür Österreich bedeutungsloszurück.[18]

Seit der Finanzkrise ab 2007 gibt es immer wieder neue Vorschläge zur Besteuerung von Reichen zum Zweck der Budgetkonsolidierung. So schlug 2011 der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann eine Millionärssteuer vor, die 0,3 % bis 0,7 % ab einem Vermögen von 1 Mio. Euro betragen soll. Je nach Prozentsatz soll sie 500 Mio. bis 2 Milliarden Euro an Staatseinnahmen bringen.[19]

In Österreich gab es bis in die 1990er-Jahre eine Vermögensteuer, in der Zwischenkriegszeit gab es in Wien eine sehr umstrittene Wohnbausteuer.
Frankreich

In Frankreich gewann 2012 François Hollande die Wahl gegen Nicolas Sarkozy und wurde französischer Staatspräsident. Im September 2012 kündigte er hohe Einsparungen und eine Reichensteuer an, die im Oktober 2012 beschlossen wurde.[20] Einkommen von über 150.000 Euro sollen demnach künftig mit 45 % besteuert werden. Der Steuersatz für Einkommen von mehr als 1 Mio. Euro soll bei 75 % liegen. Dabei werde es keine Ausnahmen geben. Die Maßnahme sei eher symbolisch, da sie nur bei 2.000 bis 3.000 Personen greife.[21] Der 75 % Steuersatz wurde Ende Dezember 2012 vom Verfassungsrat gekippt.[22]

Medien berichteten, dass einige Reicheauch wegen einer unternehmerfeindlichen Stimmung in Frankreichin Nachbarländer umgezogen seien oder dies planten. [23]. Für Aufsehen sorgte vor allem der Schauspieler Gérard Depardieu, der medienwirksam nach Russland auswanderte und dort die russische Staatsbürgerschaft annahm.

Nach Aufzeichnungen der EZB sind seit Herbst 2012 bis zu 70 Milliarden Euro an Kapital aus Frankreich abgeflossen, was primär als Effekt der Einführung der Reichensteuer gesehen wird.[24]
Siehe auch

Einkommensteuer (Deutschland)
Steuerprogression

Weblinks
Wiktionary Wiktionary: Reichensteuer – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Einzelnachweise

↑ Millionärssteuer istreiner Wahlkampf“. In: Süddeutsche Zeitung, 22. Juni 2005.
Vgl. Rüttgers mahnt Merkel. In: Die Welt, 9. November 2005.
Vgl. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom 11. November 2005, in: bundesregierung.de, S. 68.
Vgl. Steueränderungsgesetz 2007 (PDF).
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/006/1700691.pdf
http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/reichensteuer-so-viel-bringen-hoehere-steuern-fuer-vermoegende-a-848522.html
Katharina Schuler: Streit um ein Symbol. In: Zeit Online, 26. April 2006.
Vgl. Merz mosert über Merkel. ZDF, 13. November 2005.
Vgl. Wolfgang Otto: Kommentar Reichensteuer: Symbol-Politik, die keinem hilft In: Tagesschau vom 2. Mai 2006.
Vgl. Wirtschaftsweise warnen in: n-tv vom 13. November 2005.
Vgl. Verfassungskonformität der Reichensteuer allgemein bezweifelt. In: FAZ.net, 3. Mai 2006.
Vgl. Verfassungsklage gegen Reichensteuer? heute.de, 7. Mai 2006.
Vgl. Reichensteuer bringt weniger Geld als erhofft. In: Süddeutsche Zeitung, 7. Mai 2006.
Vgl. Ran an die Reichen. In: FAZ.net, 7. November 2005.
Die Reichensteuer ist lächerlich, Volltext.
Vgl. Reichensteuer trifft die Falschen. In: Financial Times Deutschland, 21. September 2006.
Vgl. Aktion 50 plus in: orf.at vom 14. November 2005.
Vgl. Grasser: KeineReichensteuerin Österreich. In: oe1.orf.at vom 14. November 2005.
http://derstandard.at/1313025349069/Steuerideen-Kanzler-will-Reichensteuer-ab-einer-Million-Euro
↑ nzz.ch:Nationalversammlung stimmt für Reichensteuer
zeit.de 10. September 2012: Hollande kündigt Steuererhöhungen in Milliardenhöhe an
Süddeutsche Zeitung: Frankreichs Verfassungsrat stoppt Reichensteuer, 29. Dezember 2012
Unternehmer fliehen aus Frankreich (spiegel.de 29. Dezember 2012)
Reichensteuer »kostete« Frankreich bis zu 70 Mrd. Euro Die Presse, 9. April 2013



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