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Sarrazin-muss-Kanzler-werden

Bildung in Berlin
Sarrazin gab den Sparkommissar
Als Thilo Sarrazin Berliner Finanzsenator war, sanken die Gehälter von Erzieherinnen und Lehrern, die Vorklassen wurden abgeschafft. Das schadete gerade Einwandererkindern. Fast scheint es, als habe er seine Prophezeiungen selbst eingeleitet.
Von Heike Schmoll, Berlin


Als Finanzsenator hat Thilo Sarrazin die Arbeit der Berliner Lehrer nicht gerade erleichtert
13. September 2010 Kurz bevor der frühere Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) zur Bundesbank ging, hatte er die Berliner Lehrerschaft mit dem Vorschlag in Aufruhr versetzt, 20 Prozent ihres Einkommens von einer besseren Leistung in den Klassen abhängig zu machen. Zu Beginn des Schuljahrs sollten dazu unabhängige Inspektoren den Leistungsstand der Kinder prüfen und am Ende wieder.

Es kämen auch immer mehr Kinder in die Schulen, die nicht schulreif seien. Als Sündenbock machte Sarrazin damals die Kitas aus. „Die durchschnittliche Berliner Kita ist nicht bildungsorientiert aufgestellt, obwohl wir den bundesweit höchsten Personaleinsatz haben“, sagte er. Es werde beispielsweise wenig gesungen, viel zu wenig vorgelesen und extrem wenig auswendig gelernt.

Am gravierendsten war Abschaffung der Vorschule
Bei diesen Äußerungen allerdings hat Sarrazin, der von 2002 bis 2009 das Berliner Finanzressort leitete, auf die Vergesslichkeit der Berliner gesetzt. Während seiner Amtszeit wurden Gehalt und Arbeitszeit der Erzieherinnen gekürzt. Da sich die Öffnungszeiten der Kitas nicht änderten, verdienten sie bei gleicher Arbeitszeit weniger. Sie wurden zugleich dazu verpflichtet, über jedes Kind ein Tagebuch zu führen, in dem die Lernfortschritte dokumentiert werden. Dass jede Reform in der Berliner Bildung für die Beteiligten mit höheren Belastungen und weniger Verdienst einherging, bekamen auch die Lehrer zu spüren. Die Arbeitszeiterhöhung für Beamten wurde im Jahre 2001vor Sarrazins Zeit – zurückgenommen, mit Ausnahme der Lehrer. Daran hat sich auch unter Sarrazin nichts geändert. Die schlechteren Einstiegsgehälter in Berlin sorgen dafür, dass qualifizierte Junglehrer sich möglichst rasch in andere Bundesländer bewerben, weil sie dort einige hundert Euro mehr verdienen und außerdem Aussicht auf eine Verbeamtung haben.

Wirklich einschneidend hat sich die Abschaffung der Vorklassen im Jahre 2003 ausgewirkt. Damals besuchten etwa 10.000 Kinder die Vorklassen, 14.000 andere der gleichen Altersstufe Kitas. Im Westteil Berlins waren Erzieherinnen oder Sozialpädagoginnen in Vorklassen eingesetzt, im Osten der Stadt ehemalige Unterstufenlehrerinnen. Die Vorklassen versuchten, Defizite bei den Kindern zu beheben, bevor sie in die Schule kamen. Die Vorklassenleiter haben Eltern beraten, Müttern einen Sprachkurs an der Schule vermittelt und den Kindern eine logopädische Behandlung oder Integrationsstunden vermittelt. Vor allem in der Sprachförderung haben sie Migrantenkinder weitergebracht. Für viele Familien war die kostenlose Vorklasse ein Ausweg, weil die Kindergartengebühren seinerzeit gerade erhöht worden waren. Weil Kinder auch früher nicht unbedingt mit sechs Jahren schulreif waren, wurden schon 1906 die ersten Vorklassen eingerichtet.

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Evident befangen im Fall Sarrazin
Dass die flexible Einschulungsphase, die Kindern ermöglicht, die ersten beiden Klassenstufen in jahrgangsübergreifendem Unterricht in ein bis drei Jahren zu durchlaufen, kein Ersatz für die Vorklassen ist, war Eltern und Lehrern schon bei ihrer Einführung klar. Viele Lehrer haben damals dafür plädiert, die Vorklassen in die flexible Eingangsphase zu integrieren. Dazu jedoch ist es nicht gekommen. Stattdessen hat die vorgezogene Einschulung allem Anschein nach einen hohen Tribut gefordert. Allein im Schuljahr 2008/2009 mussten in Berlin 4300 Kinder die zweite Klasse wiederholen, das ist fast jeder sechste Schüler eines Jahrgangs.

Die Grundschullehrer hat das nicht überrascht, gerade in sozialen Brennpunkten muss nun in der Schuleingangsphase geleistet werden, was früher Sache der Vorschulklasse war. Immer mehr Kinder bleiben in Berlin drei Jahre in der Schuleingangsphase, die eigentlich nur zwei Jahre dauern soll. Dadurch entsteht nach Beobachtung der Lehrer ein Teufelskreis: Den jeweils neu dazu kommenden Schulanfängern können die Lehrer nicht so viel Aufmerksamkeit schenken, wie eigentlich nötig wäre, weil so viele Kinder ein drittes Jahr brauchen. Die altersübergreifende Mischung stimme dann nicht mehr, sagen betroffene Lehrer. So hat Sarrazin auch selbst dafür gesorgt, dass seine Prophezeiung eintritt, dass der bildungspolitische Kampf kaum zu gewinnen seiin einer Struktur, wo die Zahl der Bedürftigen von Jahr zu Jahr steigt“.

Die bildungspolitischen Forderungen in Sarrazins Buch

Thilo Sarrazin gibt in seinem aktuellen BuchDeutschland schafft sich abkonkrete bildungspolitische Empfehlungen. So fordert er eine Kindergartenpflicht vom dritten Lebensjahr an. Der Schwerpunkt in den Tagesstätten soll seiner Ansicht nach auf dem Erwerb der deutschen Sprache liegen - gefördert durch Singen, Vorlesen und Erzählen. Bei unentschuldigtem Fehlen solle Empfängern von Transferleistungen die Grundsicherung für das Kind gekürzt werden, schlägt Sarrazin vor. Der Besuch von Krippen müsse Einwandererfamilien dringend empfohlen werden. Überdies sollten Mütter nach der Geburt eines Kindes bei Hausbesuchen in Ernährungsfragen und in der Kinderpflege angeleitet werden.

Der frühere Berliner Finanzsenator fordert darüber hinaus, Ganztagsschulen vom ersten Schuljahr an zur Regel zu machen. Es solle keine Befreiung vom Schwimmen oder Sport aus religiösen Gründen geben, dafür ein Kopftuchverbot an Schulen. Er empfiehlt die Einführung von Schuluniformen, damit an der Kleidung erkennbare soziale Unterschiede weniger ins Gewicht fallen. Schüler, welche die Leistungsstandards nicht erfüllten, sollten an einer verbindlichen Hausaufgabenbetreuung teilnehmen. Diese Hausaufgabenbetreuung sollten ihre Lehrer übernehmen. Eltern von Schulkindern müssten für unentschuldigtes Fehlen mit empfindlichen Geldbußen belegt werden, meint er. Die Grundschule solle sich auf Lesen, Schreiben und Rechnen konzentrieren. Ältere Schüler mit schlechten Noten sollten sich hingegen vor allem mit Hauswirtschaft, Kochen, Handarbeit und Werken beschäftigen.

Fernsehen und Computerspiele gelten Sarrazin als Bildungsverhinderer schlechthin. Um einen übermäßigen Medienkonsum zu verhindern, sollten deshalb zumindest größere Kinder nur das Wochenende und den Feierabend daheim verbringen. Sarrazin schwebt dabei auch eine weitgehende Verstaatlichung des elterlichen Erziehungsauftrags vor: „Letztlich muss jedes Kind in jedem Alter während der normalen Arbeitszeit an Werktagen betreut werden“, schreibt er. „Wenn diese Zeit für eine vernünftige Erziehung, Bildungsangebote und konkrete Anforderungen an die Kinder genützt wird, ist dies der beste Beitrag zur Chancengleichheit für die Kinder aus den unteren Schichten.“

Er fordert auch, die sprachlichen Anforderungen für den Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft zu erhöhen, und zwar auch für zuziehende Ehegatten. Diese dürften für die Dauer von zehn Jahren keine Grundsicherung erhalten, sondern müssten finanziell auf eigenen Beinen stehen oder vom Partner ernährt werden können. Sarrazin plädiert dafür, Zuwanderung so zu begrenzen, dass im Prinzip nur noch hochqualifizierte Spezialisten ins Land kommen können. Empfänger von Grundsicherung sollen sanktionsbewehrt zu gemeinnütziger Arbeit oder Sprachkursen verpflichtet werden können. (ura.)



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