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mcnep schrieb am 24.11. 2007 um 15:46:56 Uhr über

Verunreinigung

Ich habe mal an einer Kunstausstellung teilgenommen, die ein Düsseldorfer Künstlerverein organisiert hatte. Mein Beitrag bestand aus zwei Betthussen, die ich im Rather Augusta-Krankenhaus gegen 'Bezahlung' mitgenommen habe. (Die Bezahlung bestand aus einem Extra in die schwesterliche Kaffeekasse; meiner später verstorbener Schatz, der dort fast ein Abonnement hatte, war als 'Privater' ein viel umsorgter und zuleich angenehm anspruchsloser Patient.) Diese beiden Hussen trugen jede einen Aufnäher, genauer gesagt zwei verschiedene auf jeweils beiden Seiten, in grüner Schrift das Wort 'REIN' und in roter Schrift 'UNREIN'. Dies dient in vielen Krankenhäusern seit altersher zur Unterscheidung von frischbezogenen und benutzten Klinikbetten, zum Beispiel auf Fluren und in Lagerräumen. Ich hatte penibel den Titel und die Maße der Installation angegeben, wobei ich Länge und Breite der nebeneinander gehängten Laken zugrunde legte, also 'REIN/UNREIN' - Leinen, Textilfarbe, je 226x121,5 mm, es wirkte für die Ausstellungsbesucher, die über meinen nichtakademischen Hintergrund nicht informiert waren (bis auf meine mit ausstellenden Freunde fast alle) durchaus wie ein gleichberechtigter und kompetenter Beitrag zur Ausstellung, die irgendein modisches Diskursthema wie 'Atavismen & Antagonismen' zum Ausgangspunkt hatte. Was ich nun interessant fand, war, während der Vernissage in sicherer Entfernung zu meinem Beitrag zu stehen (den ich durchaus nicht als grimmige Scharlatanerie oder Satire gegen zeitgenössische Beliebigkeiten verstanden hatte, die Darstellung war mir schon ernst, nur ging mir an dem Abend die Bereitschaft ab, meine Unvertrautheit mit den Spielregeln des Betriebs durch Gescheitheit zu kompensieren) und die Reaktionen der Betrachter zu beobachten. Was reflexhaft während des Abends wiederkehrte, war die Reaktion, das mit UNREIN bedruckte Laken besonders skrupulös zu mustern, winzigste Stäubchen und Gewebefehler zu debattieren und überhaupt nach Indizien für die Unreinheit des so bezeichneten Tuchs zu suchen, obwohl es wie sein daneben hängender reiner Zwilling vor der Ausstellung Waschmaschine und Heißmangel durchlaufen hatte. Die dazu gehörige Quittung, die ich spaßeshalber als einzige Spesen eingereicht hatte (ein Minimalbetrag war zuvor zugesichert worden) lautete auf : 2 Laken Mangel: 4,20 DM und war von mir mit einem Stempel versehen worden, der die Aufschrift 'Kein Makel' trug. Die Laken waren unverkäuflich, aber die Spesensquittung habe ich für 350 Mark im Katalog angeboten, etwa dem Preis einer Zeichnung der 'echten' Kollegen. Hätte ich den Zettel verkauft bekommen, ich wäre mir fast vorgekommen wie ein Alchemist, der aus der Fäulnis das Gold gewinnt, in einem Vorgang, der von der Materie über ein Transitorium der Vergeistigung in gleißende Helle mündet. Es blieb dann aber bei einem mittelschweren Vollrausch. Die Laken habe ich allerdings immer noch, ganz profan hängen sie im Keller einträchtig zwei Regale ab. Das eine habe ich gewendet; jetzt sind sie beide etwas schmuddelig, aber einträchtig REIN. Versöhnung in Besudelung, so würde ich mal das zugrunde liegende künstlerische Prinzip bezeichnen.



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