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Craig McDermott schrieb am 3.11. 2008 um 00:43:54 Uhr über

Zwei-Männer-Film

Bin Ladens Islamisten oder Schäubles Maulwürfe? Jürgen Elsässer widerspricht der offiziellen Verschwörungstheorie
Von Rüdiger Göbel

Möglichst große Fässer für den Sprengstoff: Die Chemikalien der »Sauerland-Bomber«
Foto: AP
Pünktlich zum siebten Jahrestag der Anschläge in New York und Washington legt Jürgen Elsässer ein neues Buch vor. In »Terrorziel Europa« beschreibt er das »gefährliche Doppelspiel der Geheimdienste« bei den Attentaten und angeblichen Anschlagsversuchen von »Islamisten« in Europa in den letzten 13 Jahren. Selbst politisch Interessierte haben mittlerweile Schwierigkeiten, bei dem Themenkomplex den Überblick zu wahren, vergeht doch seit dem verheerenden Bombenterror in Madrid im März 2004 und in London im Juli 2005 kaum ein Monat, in dem die Sicherheitsbehörden mindestens eines europäischen Landes nicht Großalarm auslösen.

Akribisch trägt Elsässer Widersprüche zu den offiziellen Darstellungen zusammen. Er zeigt auf, in »fast allen Fällen spielten Agenten oder V-Mäner von Geheimdiensten eine tragende Rolle«. Mit anderen Worten: »Kein einziger dieser Morde oder Mordversuche hätte ohne die Mithilfe der Staatssicherheit unternommen werden könnenDer islamische Fundamentalismus sei zwar eine Realität, konstatiert Elsässer, doch sein »terroristisches Potential ist eine Leihgabe vor allem der US-amerikanischen und britischen Geheimdienste, die Europa auf diese Weise immer tiefer in ihren weltweiten Krieg verstricken wollen«.
Verdeckte Operationen
Es ist ein über weite Strecken rasantes Buch, ein Politkrimi par excellence. Elsässer fügt Puzzleteil an Puzzleteil, Indizien und harte Fakten, die die offizielle Verschwörungstheorie über die Omnipräsenz und Allzeitgefahr Al-Qaidas ad absurdum führen. Der Autor erinnert an die Unterstützung Osama bin Ladens durch den Secret Service in den 80er Jahren und die massive Aufrüstung arabischer Mudschaheddin im bosnischen Bürgerkrieg. In dem Balkandörfchen Bocinja trafen Mitte der neunziger Jahre die wichtigsten Männer zusammen, die später in Mitteleuropa zum Dschihad antreten sollten. Ob von London aus, von Madrid, Paris oder Ulm, immer wieder führen die Spuren nach Bosnien, wo die US-Söldnerfirma MPRI im Kampf gegen die Serben ab 1993 islamistische Brigaden ausbildete.

Elsässer faßt in einem Kapitel die verdeckten Operationen zusammen, die von der NATO-Geheimarmee Gladio im Kalten Krieg durchgeführt wurdenallein bei Anschlägen in Italien wurden dabei mehr als 460 Menschen ermordet–, und er skizziert, wie diese systematische Untergrundarbeit nach »9/11« fortgesetzt wurde. Mittlerweile richtet sie sich nicht mehr gegen den kommunistischen Feind im Osten, sondern den islamistischen global. Die italienische Justiz etwa hat wegen der Verschleppung Abu Omars im Februar 2003 und anschließender Folter in Ägypten 26 CIA-Agenten und 13 Italiener, darunter sieben Mitglieder des Militärgeheimdienstes SISMI, angeklagt. Der Chef der Antiterrorabteilung des SISMI, Marco Mancini, packte im Gefängnis aus. Er berichtete über die Existenz einer geheimen Sondereinheit aus CIA-Leuten und handverlesenen SISMI-Agenten, die an den italienischen Institutionen vorbei und unter Mißachtung der Gesetze gebildet worden war. Elsässer betont: »Diese dramatische Entwicklung gibt es freilich nicht nur in Italien
Offizielle Versionen
Auch die bisher bekannt gewordenen Fakten über die Verfolgung des Khaled Al-Masri lassen viele Fragen offen. Elsässer spricht in diesem Zusammenhang von einem »Martyrium und Mysterium« und mutmaßt, daß der Ende 2003 in Mazedonien verhaftete und anschließend auf einen US-Stützpunkt in Afghanistan weggesperrte Ulmer wohl als Spitzel wider die Islamistenszene seiner Heimatstadt gewonnen werden sollte. »Weil die Doppelstadt Ulm/Neu Ulm seit Ende der neunziger Jahre vom Verfassungsschutz gezielt zu einem ›Honigtopf‹ aufgebaut wurde, um militante Islamisten anzulocken, auch als Rekruten für die Dienste

Auch in Sachen Kofferbomber von Köln, »Sauerlandgruppe« um »Terror-Fritz« und Anschlagsversuch auf den Strasbourger Weihnachtsmarkt meldet Elsässer Widerspruch zur staatlich verbreiteten Verwörungstheorie. In allen Fällen waren »Stümper« und »Dilettanten« am Werk, deren Spur jeweils zu den Diensten führt. Der Autor erinnert daran, daß alle gesetzlichen Verschärfungen der letzten Jahre im Windschatten großer Terrorplots mit Geheimdiensthintergrund durchgesetzt wurden. »DieOtto-Katalogewurden als Lehre aus dem 11. September 2001 ausgegeben, die Vorratsdatenspeicherung mit dem 11. März 2004 in Madrid und die gemeinsame Antiterrordatei als Konsequenz aus dem Anschlagsversuch der sogenannten Kofferbomber 2006 verkauft. Nach den Festnahmen in Oberschledorn im September 2007 kam der nächste StreichUnd Bild-Kolumnist Franz Josef Wagner hetzt: »Wir werden uns in Zukunft daran gewöhnen müssen, niemandem zu vertrauen. Weder dem braven Asylstudenten, dem Dönerkoch und dem Kellner mit seinen arabischen Augen. Es bereitet mir Unbehagen, meine Freunde von gestern zu umarmen. Ali in der Paris-Bar, Muhamad in der Döner-Kneipe. Haben sie zwei Gesichter? Ich habe Angst vor ihren Augen. Ich weiß nicht, wo sie nachts hingehen und beten. Ich weiß überhaupt nichts von meinen muselmanischen Mitbürgern

Das Bizarre: Je weniger eine terroristische Struktur unter den hiesigen Moslems nachgewiesen werden kann, um so mehr gilt das als Beweis für die von ihnen ausgehende Gefahr. »Das ist die Feinderklärung an eine inländische religiöse Minderheit, wie man sie seit den dreißiger Jahren nicht mehr gelesen hat«, spitzt Elsässer zu. Das Dramatische: Nicht einmal Linke wehren sich dagegen. Islamisten haben keine Lobby. Ihre Prozesse finden praktisch ohne Öffentlichkeit statt. Elsässers Buch ist als eine Art Enzyklopädie aller »islamistischen« Anschläge und Anschlagsversuche in Europa ein erstes Korrektiv.




Jürgen Elsässer: Terrorziel Euro­pa - Das gefährliche Doppelspiel der Geheimdienste. Residenz Verlag, St.Pölten/Wien 2008, 325 Seiten, 21,90 Euro * ISBN 9783701731008. ab 11. September im Buchhandel, Buchvorstellungen: 15. September, Wien, Buchhandlung Kuppitsch, Schottengasse 4, 19.30 Uhr; 17. September, Berlin, ND-Gebäude, Franz-Mehring-Platz 1, 19 Uhr

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