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kannst du schrieb am 19.11. 2015 um 18:16:25 Uhr über

kastrieren

Vor kurzer Zeit ereignete es sich in Paris, daß ein junges Mädchen auf die Frage des Maire: ob sie ihren Bräutigam zum Ehemanne nehmen wolle? erwiderte: „Sie, Herr Maire, sind der Erste, der mich darnach fragt, und ich antworte ein entschiedenes Nein!“ Alle Versuche der Eltern, den Sinn der Tochter zu ändern, waren vergeblich, und die Hochzeitsgäste kehrten unverrichteter Sache nach Hause zurück. Ein derartiger Widerstand, welcher in Frankreich nur zu oft berechtigt wäre, tritt allein deshalb selten ein, weil die jungen Mädchen in der Ueberzeugung aufwachsen, daß bei der Wahl des Ehegatten nicht ihr Herz, sondern allein der Wille der Eltern oder Vormünder zu entscheiden habe. Der Code civil giebt keine Definition von der Ehe; die Praxis des Lebens hat daraus in den meisten Fällen nur eine vermögensrechtliche Vereinigung von Mann und Frau gemacht; die Gleichmäßigkeit äußerer Verhältnisse und vorzüglich der Besitzthümer findet größere Berücksichtigung als die Frage, ob sich das Herz zum Herzen findet. Ist es hiernach zu verwundern, wenn ein Familienleben, wie es in Deutschland und England heimisch ist, in Frankeich selten angetroffen wird? Die Freiheit, welche die Mädchen in jenen Landern genießen, kennt die junge Französin nicht; sie wird möglichst streng von der Welt abgeschlossen, bis über ihre Hand disponiert ist. Ist der Bräutigam gefunden, wobei die Vermittlung der Notare sehr gewöhnlich ist, so wird von den beiderseitigen Eltern der Ehecontract mit genauer Berücksichtigung aller Chancen für Leben und Tod festgestellt; erst wenn dies gelungen, dürfen die Verlobten mit einander verkehren; oft beschränkt man dieselben auch hierin auf die engsten Grenzen, damit etwa vorhandene Disharmonien nicht schon vor der Ehe hervortreten und die Ausführung des Contractes in Frage stellen; die Wahl der Brautgeschenke, des sogenannten Hochzeitskorbes, füllt die kurze Zeit zwischen der Verlobung und Verheirathung angenehm aus. Oft tritt ein Mädchen unmittelbar aus dem Pensionat oder Kloster mit einem Manne zum Traualtare, den sie kaum äußerlich kennen gelernt hat; das Leben der verheiratheten Frauen, die gesellschaftlichen Rechte und Freiheiten derselben sind so verschieden von der zurückgezogenen Lebensweise der jungen Mädchen, daß diese den Ehecontract mindestens als ihren Freiheitsbrief aus der häuslichen Sclaverei mit Freude entgegennehmen. Die Ehe erschließt ihnen eine nene Existenz und giebt dem Drange ihres Herzens nach gegenseitigem Mitempfinden ein erlaubtes Ziel; noch schlafen freilich die zartesten Keime des Gefühls und harren der Pflege der Liebe, um sich zu entfalten.


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