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Pferdschaf schrieb am 12.7. 2019 um 22:33:03 Uhr über

Liebe

Was Prügel sind, das weiss man schon ... Liebe ist eine Art Elektrizität. Das ist möglich, denn im Moment des Verliebens ist uns zu Mute, als habe ein elektrischer Strahl aus dem Auge der Geliebten plötzlich in unser Herz eingeschlagen. Ach ! Diese Blitze sind die Verderblichsten und wer gegen diese einen Ableiter findet, den will ich höher achten als Franklin. Gäbe es doch kleine Blitzableiter, die man auf dem Herzen tragen könnte und woran eine Wetterstange wäre, die das schreckliche Feuer anderswohin zu verleiten vermöchte. Ich fürchte aber, dem kleinen Amor kann man seine Pfeile nicht so leicht rauben, wie dem Jupiter seinen Blitz und den Tyrannen ihr Zepter. Ausserdem wirkt nicht jede Liebe blitzartig, manchmal lauert sie wie eine Schlange unter Rosen, und erspäht die erste Herzenslücke um hineinzuschlüpfen, manchmal ist es nur ein Wort, ein Blick, die Erzählung einer unscheinbaren Handlung, was wie ein lichtes Samenkorn in unser Herz fällt, eine ganze Winterzeit ruhig darin liegt, bis der Frühling kommt und das kleine Samenkorn aufschiesst zu einer flammenden Blume, deren Duft den Kopf betäubt. Was ist die Liebe ? Hat keiner ihr Wesen ergründet ? Hat keiner das Rätsel gelöst ? Vielleicht bringt solche Lösung grössere Qual als das Rätsel selbst und das Herz erschrickt und erstarrt darob, wie beim Anblick der Medusa. Schlangen ringeln sich um das schreckliche Wort, das dieses Rätsel auflöst. Man gebärdet sich wie ein Narr, man tanzt über Hügel und Felsen und glaubt, die ganze Welt tanze mit. Zu Mute ist einem dabei, als sei die Welt erst heute erschaffen worden, und man sei der erste Mensch. Die Liebe ist die höchste und siegreichste aller Leidenschaften. Ihre weltbezwingende Stärke besteht aber in ihrer schrankenlosen Grossmut. Für sie gibt es kein Gestern und sie denkt an kein Morgen, sie begehrt nur des heutigen Tages, aber diesen verlangt sie ganz. Vor mir Nacht, hinter mir Nacht - sie ist eine wandelnde Flamme zwischen zwei Finsternissen. Je wilder sie brennt, desto früher erlöscht sie, aber das hindert sie nicht, sich ihren lodernden Trieben ganz hinzugeben, als dauerte ewig dieses Feuer. Dess seid mir Zeugen, toskanische Nächte, du hellblauer Himmel mit grossen, silbernen Sternen, ihr wilden Lorbeerbüsche und heimlichen Myrten, und ihr oh Nymphen des Appenins, die ihr mit bräutlichen Tänzen uns umschwebet, und Euch zurückträumet in jene besseren Götterzeiten, wo es noch keine gotische Lüge gab, die nur blinde tappende Genüsse im Verborgenen erlaubt und in jedem freien Gefühl ihr heuchlerisches Feigenblättchen vorklebt. Es bedurfte keiner besonderen Feigenblätter, denn ein ganzer Feigenbaum mit vollen ausgebreiteten Feigen rauschte über den Häuptern der Glücklichen. Es war just die Sorte, die ich liebe: und ich liebe diese blassen elegischen Gesichter, wo die grossen schwarzen Augen so liebeskrank herausstrahlen, ich liebe auch den dunklen Teint jener stolzen Hälse, die schon Phöbos geliebt und braun geküsst hat, ich liebe sogar jene überreife Nacken, worin purpurne Pünktchen, als hätten lüsterne Vögel dran gepickt, vor allem aber liebe ich jenen genialen Gang, jene stumme Musik des Leibes, jene Glieder, die sich in den süssesten Rhythmen bewegen, üppig, schmiegsam, göttlich liederlich, sterbefaul, dann wieder ätherisch erhaben, und immer hochpoetisch. Ich liebe dergleichen, wie ich die Poesie selbst liebe, und diese melodisch bewegten Gestalten, dieses wunderbare Menschenkonzert, das an mir vorüberrauschte, fand sein Echo in meinem Herzen und weckte darin die verwandten Töne. Solche Liebe ohne Liebe tötet nie. Mit einem einzigen Blick hat sie mich vom Tode gerettet und ich stand vor ihr wie neubelebt, wie geblendet vom Sonnenglanze ihrer Schönheit und sie ging weiter - und liess mich am Leben. Und sie liess mich am Leben, und ich lebe und das ist die Hauptsache.
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PS: Heine hats am Schönsten gesagt, dagegen ist jede moderne, aber auch zukünftige Psychoanalyse der Liebe eine schmutzige Pfütze mehr, die sich nur deswegen ansammeln konnte, weil saurer Regen auf ein asbestverseuchtes Gebäude fiel und der schlechtbezahlte Handwerker vergass die Mülltonne rauszustellen, so dass es langsam schräg von oben hineintropfte und sich ebenda ein paar Pfützchen bildeten. Scheiss auf diese neuen Pfützchen, die überall geschrieben stehen, ich liebe diese alte Sprache, sie ist wunderschön.


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