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Mitteilung von Die Leiche (30.7.2012 19:34:17):
>>>Philostunde

>>>Die Besten der Besten geben Unterricht.
>>>Jedes Wort war x-fach anwendbar, jeder Teilnehmer konnte für sich was mit nach Hause nehmen.
>>>Mein Eindruck ist die Erinnerung, dass ich die hohen Künste als sehr wertvoll ansehe.
>>>Ein Monatsgehalt entsprach gemessen an der Allgemeinheit eine Seminarstunde.
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>>"Die Geständnisse des Hochstablers Felix Krull" waren für mich das allererste Evidenzerlebnis vom Wert der Bildung – bewahrten sie mich doch seinerzeit vor der Einberufung zur Wehrmacht bzw. der Zwangsarbeit als »Zivi«. Anderthalb bis zwei Jahre meiner Jugend ! Gerade jetzt, wenn die Haare grau, die Zähne weniger und wackeliger werden, die Haut sich nicht mehr nur auf der Denkerstirne zu runzeln beginnt, begreife ich erst recht, welch ungeheueren Schatz ich diesem Werke Thomas Manns verdanke !
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>>Bildung ist eben durch nichts zu ersetzen – ausser durch noch mehr Bildung !°
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>Ich habe das auch gelesen, hätte es gerne nachgemacht, es fehlten mir Mut und schauspielerisches Talent. Philostunde gabs in französischen Gymnasien, statt Religion, die redeten da halt, ob Voltaire gut oder böse ist, ich war da mal für nen Monat oder zwei in einer reinen Mädchenklasse, lauter fünfzehnjährige, und ich neunzehn. Aber meine Freundin hat schwer aufgepasst das ich nicht anbändele. Da stehen sogenannte »pions«, das sind Schüler höherer Klassen an den Eingangstoren der Schule während der großen Pause die aufpassen das kein Schüler hinausgeht, etwa am Kiosk was kaufen oder rauchen. Aber Küssen auf dem Schulhof war in einer stillen Ecke erlaubt. Beim Mathetest hatte die nähere Umgebung der Mädels um mich herum eine erstaunlich gute Note. Die Lehrerin, eine alte Schachtel hat überhaupt nicht aufgepasst und Zeitung gelesen. Höchstwahrscheinlich hat sie sich köstlich amüsiert.

Ich muß an unseren Austritt aus dem Religionsunterricht denken – sieben Getreue waren wir, die wir unserem Conrex namens Albert Stolz feist grinsend auf den Schreibtisch legten. Weil nach dem damaligen Schulgesetz die Penne nunmehr verpflichtet war, uns einen Ethik-Unterreicht anzubieten. StD Stolz sah auf die Zettel, sah uns an, und dann schweifte sein waidwunder Blick auf das Kunstwerk an der Wand, an dem er über die ganzen Sommerferienen gearbeitet hatte, und nun in sich zusammenzufallen drohte: den Einsatzplan mit den farbigen Steckkärtchen. »Wo soll ich denn jetzt einen Ethiklehrer herholen ?« Wir grinsten weiter.

Und so kam ein arbeitsloser M.A., der ausschaute wie der junge Sloterdijk, glücklich zu einer BAT-Anstellung, und hochmotiviert ging dieser Habermas-Jünger mit uns zugange – und wir mit ihm. Am Halbjahresende waren wir auf fast 30 »Ethiker« angewachsen, im nächsten Jahr mußten schon zwei Kurse eingerichtet werden.

Ach ja, die schönen Zeit der ersten Küsse von der Göttin der Wahrheit und der Göttin des Schulhofes (sie hießen Athene und Christine »Jule« Schmidt).