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Mitteilung von Die Leiche (6.10.2012 09:59:24):
>>Klinik-Erfahrungen

>>Ein paar Erfahrungen aus 5 Monaten in 3 Kliniken:
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>>1) Sei nett zu Pflegern und Krankenschwestern, auch wenn Sie Dir unsympathisch sind, Du sie nicht leiden magst. Es sind Deine Zellenschließer und haben Gewalt über Dich – die Lizenz zum quälen und schikanieren. Deine Freundlichkeit ihnen gegenüber kommt zurück – zwar manchmal weniger in Form von Freundlichkeit als in der Form des Unterlassens von Quälen und Schikanieren – aber das ist schon sehr viel.
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>>2) Krankenhausärzte kommunizieren nicht mit Patienten – sie betreiben Rhetorik. Ziel dieser Rhetorik ist, daß der Patient ruhig und kooperativ bleibt bzw. wird. Dementsprechend sind ihre Äusserungen auch zu bewerten.
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>>3) Krankenschwestern haben immer Recht. Widerstand gegen Sie ist zwecklos. Mit Pflegern, Chefärzten und Putzfrauen kann man diskutieren – aber nicht mit Krankenschwestern.
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>>4) Der Chef – der Chefarzt – hat überhaupt immer Recht. Das Krankenhaus ist ein Ort militärischer Hierarchie und byzantinischen Umgangsformen. Es gibt Unterärzte, Nebenärzte, Ärzte, Oberärzte und Überärzte. Unter- und Nebenärzte, ja manchmal sogar Ärzte erzählen viel, wenn der Tag lang ist. Dann kommt der Oberarzt oder der Überarzt, und schmeisst alles wieder um, und alles sieht wieder ganz anders aus.
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>>5) »Na – das sieht ja ganz gut aus!« nach der Inspektion einer Wunde, der »Kurven« oder ähnlichem ist Krankenhauswelsch. Es heißt nicht: »Der Heilungsprozeß macht Fortschritte.« sondern es bedeutet: »Ziemlich Scheisse« oder »Keine Ahnung« oder »Ich Kollege von andere Baustelle – Chef kommt gleich gugge !«
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>>6) Das ärztliche Personal im Krankenhaus hat denselben ethnischen Hintergrund, wie im Dönerladen. »Du Nekrose – mit scharf zum Mitnehme!« Es empfiehlt sich gleichwohl – analog zum Dönerladen – in der devoten Patientenhaltung zu verbleiben, weil sonst Du kriege aufs Maul eine, und türkisch Arzt hat Messer mit scharf ! Komplett !
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>>7) Vorsicht von Ärztinnen, die mit teutonischem Gehabe angespanntester Konzentration durch die Flure stelzen, und sich größte Mühe geben, den Kasinoton des preussischen Leutnants zu imitieren. Wenn Du Schmerzen hast oder sonst irgendetwas beunruhigendes passiert ist – warte lieber, bis Du jemand anderen zu packen kriegst.
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>>8) Das irgendetwas nicht gemacht wird, was gemacht werden soll, und worauf Du dringend wartest, ist völlig normal. Schlapp halt wieder vor zum Stationsarbeitsraum und bettel submissest und devot. Zweimal, dreimal, fünfmal – die Chancen sind gut, daß es dann in den nächsten 1-2 Stunden gemacht wird. Verlass Dich keinesfalls darauf, daß jemand sagt »Das machen wir gleich« oder »Kommt gleich jemand« oder »Ich komm gleich wieder«. Das ist wie bei McDonalds, wenn es heißt, daß es einen »kleinen Moment dauert«.
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>>9) Scheiss auf die Geschichten Deiner Mitpatienten. Insbesondere die Klinik-Profis, die im Rauchereck davon erzählen, wie sie dem Chefarzt erstmal beigebracht haben, wie eine Rückenmarksnarkose geht, sind wie Angler am Stammtisch zu beurteilen.
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>>10) Ignorier das Leid um Dich herum – sonst gehst Du daran kaputt !
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>>11) Wenn Krankenschwestern, Putzfrauen oder Ärzte offensichtlich gewillt sind, mit Dir ein bischen zu schwatzen, dann geh unbedingt darauf ein ! Auch wenn Du Kopfweh hast, lieber schlafen willst, eine rauchen gehen oder pissen mußt. Kneif den Schließmuskel zusammen, und halt smalltalk mit ihnen – es lohnt sich !
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>12) Halte Dir vor Augen, daß Medizin keine Wissenschaft ist, sondern eine Kunst. Es gibt wissenschaftliche Grundlagen, aber sie bedeuten für die alltägliche Arbeit des Mediziners nicht all zu viel. Eine der wichtigsten Medizinischen Methoden ist das sogen. »Wurschteln«. Man wurschtelt sich durch das alltägliche Chaos der Notfälle, Ausfälle, Unfälle, Sonderfälle – und man wurschtelt sich auch irgendwie durch den einzelnen »Fall«, den Patienten und seine Krankheit, seinen Heilungsprozeß hindurch. Sei froh, wenn Du unter Vollnarkose operiert wirst, sonst kriegst Du womöglich mit, daß es bei Dir in der Küche planvoller zugeht, als bei Deiner Operation.

13) Vergiß den Tag Deiner Entlassung – Du wirst niemals entlassen ! Begreif die Klinik als Lebensraum, und nutze jede Gelegenheit für angenehme und schöne Erlebnisse, zB den Sonnenauf- oder Untergang aus einem Flurfenster mit einer illegalen Tasse Kaffee, die Du Dir vom Kaffee-Wagen gemopst hast. Besorg Dir einen Krimi aus der Patientenbibliothek – Simenon, Glauser, Highsmith, Cristie.

14) Lies um Gottes Willen keine Fachliteratur über Deine Krankheit – der »mündige Patient« ist genauso ein Muckefuck, wie der mündige Bürger. Abgesehen von dem rein technischen Problem der zahllosen lateinisch-griechischen Fremdwörter – Dir fehlt die systematische Ausbildung. Halbwissen ist viel gefährlicher, als gar kein Wissen. Betrachte Dich als Patient und Deine Krankheit, den Heilungsprozeß als black box !
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