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Mitteilung von Die Leiche (22.2.2013 01:04:27):
>>>>>>>>>>>>>In meinem Himmel gibt es

>>>>>>>>>>>>>eine sonnige Wiese, einen kleinen klaren Bach der mitten durch die Wiese fließt und ein Mädchen das neben mir sitzt und mich manchmal am Arm streichelt. Und natürlich reinstes kristallines Lysergsäurediäthylamid.
>>>>>>>>>>>>>Und wenn die Nacht aufzieht und sich die Dunkelgeister ankündigen wandern wir Hand in Hand zu unserer kleinen Wohnungshöhle und verkriechen uns halbnackt unter Decken nachdem wir uns zusammen wuschen.
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>>>>>>>>>>>>Marlen Haushofer: Die Wand
>>>>>>>>>>>>Arno Schmidt: Schwarze Spiegel
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>>>>>>>>>>>Ich habe erst gelesen: 'eine sonnige Wichse', lol! Sorry, ich habe ja manchmal das Gefühl, als ob ich so rüberkommen würde, als ob ich mich über Schmidt lustig machen würde. Das ist aber nicht der Fall. Der Mann ist mein Idol! Allein die Geschichte, wo sie ihn obdachlos im Landratsamt abgesetzt haben. Also hahaha! Ist natürlich, in der Situation, nicht lustig, sogar: schrecklich. Aber im Nachhinein habe ich auch über diesen persönlichen Offenbarungsmoment gelacht, als die Junkies damals in der Entgiftungsstation, als ich mit nichts als meinen zerschlissenen kleidern da eingefahren wurde, zu mir gemeint haben:
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>>>>>>>>>>>"eh alta, nimm dir erst mal ein paar klamotten aus der Box am Ende des Gangs, da sammeln die das, was die Leute hier vergessen haben, superdufte!"
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>>>>>>>>>>>Ich war noch total verwirrt und von oben bis unten mit Blauen Flecken übersät, wegen des Krampfanfalls, aber mir muss, ob der Vorstellung, diese alten Karl Kani Pullover aufzutragen, das höllischste Entsetzen ins Gesicht geschrieben gewesen sein. Fand ich auch cool, dass Leute, die zum Teil von oben bis unten mit Abszessen und Einstichnarben übersät waren, soviel Wert auf Hygiene legten. Ah, good times!
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>>>>>>>>>>Alleine, so auf dem, naja, Land zu wohnen, mit ALG II, dass muss ja superhart sein, wenn man immer zwanzig Kilometer für jeden Termin mit der ARGE mit dem Bus oder, behüte, dem Fahrrad radeln muss. Einerseits gibt es da natürlich keine Jobs für Ü 40, man ist da also erstmal geparkt im Nichtstun, auch schön. Andererseits haben diese Leute einen wohl auch total in der Hand. Wenn da einer oder eine also böswillig oder faul ist...
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>>>>>>>>>von den ARGE-Mitarbeitern, meine ich...
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>>>>>>>>>>gute Nacht, Wohnung und Auskommen. Meine insgesamt drei Monate auf Hartz wurden jedenfalls empfindlich getrübt durch die ruhelosen Aktivitäten dieser Personen. Letztlich haben sie mich auch rausgeschmissen, mit einer 30 prozentigen Kürzung der Bezüge und der Andeutung, dass ich, nachdem der Bezug nach maximal 6 Monaten ausgelaufen wäre, nie wieder nehmen würden. Und das alles nur, weil ich mich im Wedding verlaufen habe und die Zentrale der PIN AG nicht gefunden habe, für eine Bewerbungsrunde. Die Jobangebote von denen waren einfach nur totaler Bullshit. Soviel dazu.
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>>>>>>>>Alleine, Briefzusteller! Wie krass ist das denn. Gut die verdienen nicht so schlecht wie man meint, aber uaaah, jetzt wo die Winter in Zeiten der angeblichen Klimaerwärmung von Jahr zu Jahr härter werden, und wenn du dann jeden Tag mit dem Fahrrad rumgondelst, reicht schon so ein Minivan der abbiegt, ohne in den Rückpiegel zu sehen. Invalide, Erwerbsunfähig, kaputtes Bein. Nä.
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>>>>>>>Also – irgendwas macht Ihr einfach total verkehrt. Ich bin jetzt seit Sommer 2011 auf Hartz IV und hab keinen Grund, mich über irgendwas oder irgendjemand zu beklagen. OK – es treten immer mal wieder Probleme auf, das ist normal, aber die werden dann schnell und unbürokratisch gelöst, und die Leute sind ausnahmslos nett, hilfsbereit und
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>>>>>>>HÖFLICH
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>>>>>>>zu mir.
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>>>>>>OK – ich habe hier einen soziogeographischen Vorteil: in Hildburghausen bei der Agentur und so, da ist es wie Ostern und Weihnachten auf einmal, wenn da einer kommt, der nicht nur Abitur hat, sondern sogar n abgeschlossenes Studium. Wenn ich mir da so den humanoiden Müll, diese zweifüssigen Argumente für Eugenik anschaue, die da auf den Fluren herumlungern ... meine Fresse, mit diesen Hackfressen sich jeden Tag rumschlagen müssen, das ist schon ein hartes Brot, was die Agenturtypen da so mampfen ... hm.
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>>>>>>In Berlin oder ähnlichen Metropolen dagegen, mein Gutester, da stehen Hundert habilitierte Geisteswissenschaftler vor Dir inne Schlage, tausende von promovierten Juristen, hunderte von Ärzten, Betriebswirtschaftlern und was weiß ich. Und dann kommst Du mit Deiner Säuferleber und Deinem abgebrochenen Studium der Hektoliteratur – keine guten Chancen, mein Guddschdr !
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>>>>>nee, nee, Studium war nicht abgebrochen. Hab sogar eine 1,2 in der Gesamtnote (was aber nicht soviel heißt, die Dozenten der Geisteswissenschaften sind da, zugegebenerweise, sehr großzügig, was das angeht... wenn man eine 2 komma irgendwas bekommt, muss man da schon irgendwie übelst verkacken...)
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>>>>>Naja, Geschichte, Kunstgeschichte, Germanistik. Ist halt so ein Giftfach. Da sind manche Orchideenfächer wie z.B. Soziologie echt besser. Bekannter von mir, der z.B. Soziologie studiert hat, als ich diese zwei Semester in Erlangen abgerissen habe, arbeitet jetzt bei der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg und erstellt Gutachten und Denkschriften, wie man die Arbeitslosen noch besser drangsalieren könnte. Weiß nicht, ob das so meins wäre, aber eigentlich ein korrekter Typ. Die ganze Sauferei hat natürlich auch ihren Teil dazu beigetragen, keine Frage. Wobei das bisher an mir, toi toi toi, bis auf die eine oder andere haarsträubende Episode eigentlich relativ – gesundheitlich, psychisch – an mir vorbeigegangen ist. In einem Job vor drei Jahren oder so, wo ich unmittelbar nach der Uni aufgeschlagen bin, hat eine Mitarbeiterin sogar verwundert gemeint, dass ich viel jünger aussehe als es meine damals dreissig Jahre eigentlich hergeben müssten. Das ist wohl, weil ich eher Quartalssäufer bin. Zwei Wochen ganz ohne sind schonmal drin. Ich erinnere mich nur an diese Gruppenrunde, wo dieser eine Mann, total fertig, gemeint hat, dass er jetzt seit zehn Jahren säuft. Der war echt fertig mit dem Leben und sah auch so aus. Da habe ich mir nur gedacht 'oh scheisse, das war ja bei dir ähnlich, so um 2002/2003 rum hat das richtig angefangen einzuschlagen...' Aber das ist wohl so, 'Neuroplastizität'. Wenn man die ganze Zeit auf 'Downer' (was Alk ja letztendlich ist) ist, dann würgt man wohl irgendwo all die Zellen in seinem Körper ab, die sich sonst wohl irgendwie regenrieren. Da reden wir von so 6-8 Bier am Tag oder so, was auf kurze Sicht eine absolut lächerliche Menge ist, aber einem wohl, wenn man das jeden Tag betreibt, wohl seine Effekte zeigt. Vor kurzem war ja in der britischen Presse ein Bericht über den ehemaligen englischen Fussballheld Paul Gascoigne, Gazza, der sich, nach Angaben seines Saufkumpans und diese ganze Geschichte an den Daily Star verkaufenden Mitbewohners, wohl zwei Flachen Gin und zehn+ Bier am Tag reingehauen haben soll. Das liest sich etwas übertrieben, aber eine total unrealistische Menge ist das nicht. Allein wenn ich jeden zweiten Tag immer wieder die selben Frührentner hier im Supermarkt dieses teilweise doch recht 'Bürgerlich' durchmischten Viertels (Mehringdamm/Bergmannstraße) sehe, die sich zum Frühstück erstmal zwei Falschen Goldbrand auf das Kassenband knallen... naja.
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>>>>>Gerade bei den ARGE-Mitarbeitern ist das aber wohl sehr formabhängig. Ich hatte in den drei Monaten das ganze Spektrum. Die erste Erfahrung war die Junge Frau, die selber eher aussah, als ob sie hier was 'holen würde' (Trainigshosen, Kaugummi) und die mich anstandslos, nachdem ich den Vertrag mit einem wirklich üblen Call-Center auflösen habe lassen (ist normalerweise ein Grund für die Beendigung aller Bezüge, selbstveschuldete Auflösung des Arbeitsverhältnisses), durchgewunken hatte, bis zu dem Ost-Drachen, der mich, leicht, oder vielmehr: schwer sadistisch darauf hingewiesen hatte, dass ich hier nichts mehr zu holen hätte und mich doch an die Berliner Tafel wenden könne. Alles dabei. Nicht mein Verein, definitiv. Wenn man acht bis neun Stunden am Tag in irgendeiner Idiotenmühle zu Gange ist, hat man wenigstens die realtive Gewissheit, dass einem qua Arbeitsrecht nicht die fristlose Kündigung ins Haus steht. Zumindest nicht, solange man sich nicht als totaler Depp aufführt.
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>>>>>>Ich würde ja sagen: come to Hildburghausen country, where the flavor is, and the Mehrbedarf – aber Du machst mir am Ende hier noch die Preise kaputt !
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>>>>Mal im Ernst – ich habe bei denen hier einen ziemlich schweren Stein im Brett weil:
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>>>>- ich Jurist bin, also was hochanständiges gelernt habe,
>>>>- hier in der Region ein ziemlich angesehener Anwalt war,
>>>>- »total objektiv« körperlich schwerkrank bin mit 2 Pfund Attesten, Klinik-Befunden, Gutachten bis hin zu den bei meinen notorisch kurzen Hosen deutlich sichtbaren »Entnahmestellen« der Hauttransplantation am Oberschenkel,
>>>>- von meiner Frau in größter Not verlassen worden bin; meine Ex hat mir sogar den unfreiwilligen Gefallen getan, sich anschlässlich der Räumung unserer letzten ehelichen Wohnung gegenüber meiner Betreuerin und meiner Sachbearbeiterin von der Agentur genauso aufzuspielen, wie man sich eine böse Ex so vorstellt.
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>>>>Hinzu kommen einige subjektive Elemente. 20 Jahre Erfahrung »in verantwortlicher Position« ist halt durch nix zu ersetzen. Ich hab da für mich so'n Spruch entwickelt: Wenn man beim auffe Fresse fliegen nicht ganz genau aufpasst, dann kann man ziemlich auffe Fresse fliegen dabei.
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>>>>Liest man ja u.a. hier immer wieder.
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>>>Der Teil mit »ich Jurist bin, also was hochanständiges gelernt habe« hat mir zu denken gegeben. Eigentlich hielt ich Anwälte immer für hochgradig unanständig. Aber dann habe ich mir versucht einen unanständigen Lehrberuf auszudenken und kam auf keinen. Naja letztlich werden manche Leute ja auch Kohl und Merkel als »hochanständige Politiker« würdigen. Ganz sicher.
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>>>Bei der Formulierung »in verantwortlicher Position« musste ich dann aber ehrlich lachen. Wenn mir ein bewerber sowas erzählen würde müsste ich reflexartig fragen »Ach verantwortlich waren Sie? Für den Kaffee? oder für das rausbringen der Mülltonnen?«
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>>>Ich glaube aber gemeint war wohl eine »Verantwortungsvolle Position«. Wobei ich auch da grinsend an einen gewissen jemand denken musste der dann seine Verantwortung so zurechtgelegt bekommen hat daß er »Nix kaputtmachen konnte«.
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>>>Und klar, die bööööööööööse Ex.... Kenne ich auch. Ist sicherlich weggelaufen weil sie nen böseren Mann gesucht hat, der passt ja dann besser zu ihr.
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>>Mon chèr !
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>>"Etwas anständiges" sind:
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>>1) Medizin
>>2) Jura
>>3) BWl/Banklehre
>>4) Inschenör
>>5) Physik und Chemie
>>6) »so irgendwas mit Computer«
>>7) sonst nix mehr
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>>"Verantwortung" ist auch eines meiner liebsten Unwörter, vor allem in Verbindung mit künftigen Generationen.
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>>Wir leben nun mal im Dritten Reich – also sollten wir uns, zumindest im Umgang mit seinen Behörden, auch der lingua tertii imperii bedienen !
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>Müsste ich mich geehrt fühlen weil ich aus der Chemie komme und (Wenn ich nicht gerade eine Auszeit nehme) eigentlich immer »So irgendwas mit Computer« mache. Und entstamme einer Bankiersfamilie. Aber jetzt ist mir doch noch ein Anwalt eingefallen der letztlich anständig geworden ist. Günter Freiherr von Gravenreuth! Denn der hat letztlich Selbstmord begangen. Sehr anständig von ihm! Und auch verantwortungsbewußt gegenüber zukünftigen Generationen denn er tat das ja noch vor dem Rentenalter. Hut ab! Aber Korrektur – wir leben im 4. Reich, das dritte ging irgendwann in den Vierzigern des letzten jahrhunderts unter.

Ich widerstehe der Versuchung, die Reichs-Artimethik metaphysisch zu durchleuchten ebenso, wie derjenigen, Anstand definieren zu wollen.

Ich habe indessen folgende Erfahrung gemacht:

Nicht nur Lügen, sondern auch sonstige Unanständigkeiten haben kurze Beine. Damit nachhaltigen Erfolg zu erzielen, ist verdammt schwierig. In sehr vielen Lebensbereichen ist anständiges Verhalten regelrecht alternativlos. Selbstverständlich gibt es auch hier Grauzonen, die indessen widerrum in sehr vielen Lebensbereichen nur sehr schwer zu identifizieren sind. Das Erkennen und richtige Ausnutzen der Grauzone zwischen anständigem und unanständigem Verhalten ist m.E. mitentscheidend für das, was man gemeinhin »Erfolg« nennt.

Ich bewundere einen Großbetrüger, den ich einmal kennenlernen und für einige Jahre gelegentlich tätig sein durfte – unser Verhältnis war gegen Ende regelrecht freundschaftlich geworden. Dieser Berufskriminelle war einer der anständigsten Menschen, die mir je in meinem Leben begegnet sind. Sein Taktgefühl war enorm: er hatte ein geradezu diabolisches Feingefühl für die Grenze des Anstandes, die er niemals überschritten hat. Er hat nie gesessen, ist überall immer noch wohlgelitten, auch in den Kreisen, in denen er desaströse Bankrotte hingelegt hat, und geniesst nunmehr – er hat heute die 70 schon lange überschritten, erfreut sich meinem letzten Kenntnisstand nach bester Gesundheit – eines zufriedenen und nicht nur im materiellen Sinne kompfortablen Ruhestandes.