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Mitteilung von Die Leiche (12.3.2013 00:23:42):
>>>Die Säufer sind unter uns !

>>>Für die Rotweinsäufer habe ich eine gute Nachricht: bei netto gibt es einmal wieder einen super-günstigen Merlot aus dem Languedoc für 2,99:
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>>>Die Flasche kommt ausgesprochen billig daher, mit Schraubverschluß und Popel-Design mit violettem Herzchen. »Frankreich Merlot 2011 Pays d' Oc« steht darauf und so n Hinweis auf irgendeinen Warentest.
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>>>Es ist ein mitteltrockener, erdig-starkfruchtiger Merlot mit dominantem Rosmarin-Heidelbeer-Aroma, mit relativ starkem Körper, und mässiger Säure. Der Abgang ist etwas flach, aber ansonsten: voll ok, auch sehr gut bekömmlich.
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>>>In der Languedoc habe ich ja lange Jahre meine Frühsommer-Urlaube gemacht, und dort vor Ort die freudige Erfahrung machen dürfen, daß man daselbst auf die Qualität im äussersten Billigsegment sehr großen Wert legt. Wenn man irgendwo einen roten Franzosen aus der Languedoc, den Pays d'Oc etc. sieht, sollte man ruhig mal zugreifen – das Risiko ist ja sehr überschaubar, und wirklich enttäuscht worden bin ich von den Weinen aus der Languedoc noch nie. Selbst der Languedoc-Merlot bei Aldi-Süd für 1,89 ist noch trinkbar, wenngleich ein schwachbrüstiger Geselle, versteht sich irgendwo. Netto hatte aber 2009/10 sogar für diesen Preis einen ganz exzellenten Merlot »Les deux pins« (auf deutsch etwa: die zwei USB-Stöpsel), dem ich heute noch nachtrauere !
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>>Wenn ich das so lese kommt mir die Welt noch etwas ungerechter vor. Wie kann das sein daß ein promovierter Anwalt zum »Weinkenner bei netto« herabfällt und jemand wie ich der nen miesen Hauptschulabschluß hat und nicht sonderlich fleißig ist den fuseligen Lambrusco teuer aus Italien importieren lässt »Weil man Schatz genau den Marcello so gerne trinkt«. Schon paradox.
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>>Aber ich glaube wir verlieren jeden Tag etwas bodenständigkeit. Ich geh immer noch gern bei netto einkaufen – sie mag aber eigentlich nur Kaiser's – die Apotheke unter den Supermärkten.
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>>Heute erzählt sie mir stolz daß sie das AHnentäfelchen (Das ist so ne buddhistische Sitte) für den Familienaltar bestellt hat. »Ich hab die Tafel mit einem Sockel aus purem Gold bestellt weil du ja Gold so magst.« und ich nur »Ähhhh, ich mag Gold? Aber ich bin doch gar nicht der Verstorbene...« Aber naja das sind so Dinge da kann man nicht wirklich drüber diskutieren.
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>>Für unsere neue Bleibe (Ich sag ungern Villa) hat sie sich erstaunt kompromissbereit gezeigt. Die Möbel des Vorbesitzers könnte sie sich vorstellen zu übernehmen. Schlecht sind die ja eigentlich nicht, aber verdammt dekadent. Bis wir drüber gesprochen hatten wusste ich gar nicht daß Versace auch Möbel macht. Ich nur so »Äh ist daß nicht so ein typ der mal Jacken entworfen hat?«. Naja ich denke mal das ist eher sowas wie ein markenname, der Typ ist ja auch schon ne Zeit lang tot. Das Schlafzimmer ist eigentlich der Gipfel der Dekadenz. Als ich da das erste mal reingekommen bin hab ich mir nur gedeacht »Hui, das von Queen Elizabeth sieht sicherlich etwas bescheidener aus.«.
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>>Naja ich glaub gegen Dekadenz kann man nicht viel machen. Ich habs ja mit dem Mitsubishi Colt versucht, aber als ich meinem Daddy stolz gezeigt habe wie der jetzt aussieht mit den Alufussmatten und der blauen LED Innebeleuchtung hat der nur gelacht und gemeint »Ähhhh ich glaube du kannst vielleicht meinen Mercedes haben, ich wollt mir eh was neues kaufen«. Naja. Schuld ist eben das Umfeld.
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>>Ich glaube morgen gehe ich zu Netto und kaufe heimlich den Merlot und bilde mir ein das Leben wäre wieder so lustig wie damals als ich mit nem Kumpel durch Punk WGs in frankfurt gezogen bin und wir über Müllberge im WOhnzimmer klettern mussten.
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>Netto und Kaisers sind hier an der Straße direkt nebeneinander. Was bei Nettos gut ist, ist vor allem diese eingebecherte Broccolisuppe. Schrecklich, also nahezu fürchterlich, ist der Bismarckhering, den die da im Glas verkaufen. Ich habe wirklich geglaubt ich sterbe, als ich den probiert habe. Da sollte man wirklich nach nebenan gehen, um das um 50 Cent höherpreisige Produkt zu kaufen. Pfui!

Ich erzähle gerne nochmal, wie ich auf die billigen Weine von dort unten gekommen bin:

Im Urlaub haben meine Frau und ich ne Pulle Merlot an so einer dieser Bretterbuden an der Strasse gekauft – 8 €, aber was soll's, es ist ja Urlaub und der Wein war so lecker, daß wir da öfters angehalten haben. Und dann, nach ein paar Tagen, wir fahren gerade so durch das Tal unterwegs nach irgendwohin, da sagt meine Frau: Guck mal, das Schild da an dem großen Haus da in den Weinbergen sieht genauso aus, wie das auf der Weinflasche ! Quiiiiietsch, wenden, hin: die Kellerei ! Die Flasche gab's dort für 3 oder 4 Euro. Man konnte ihn auch offen in Kanister füllen lassen, für 90 cent den Liter. Wir haben uns für diese neckischen Aluboxen zu 5 l entschieden, und sind aus dem Urlaub da unten dann jedesmal mit ca. 30-40 l Wein nachhause gekommen, die Boxen im Kofferraum ... und so'ne Alubox zuhause in der Küche ist natürlich schon verführerisch. Wenn man heimkommt, zapft man sich erst mal ein Gläschen, und wenn man die Schuhe ausgezogen hat, noch ein Gläschen und so weiter ...

Klarstellen möchte ich, daß ich kein Anwalt mehr bin, sondern wegen Krankheit verarmt und »auf Hartz IV«. Aber die im früheren Leben gewonnenen Kenntnisse und Erfahrungen erleichtern die Existenz in der Armut beträchtlich – wie man an diesem Beispiel ersehen kann. Auch das sehr gute »Schloss«-Billigbier von netto verdanke ich der seeligen Financal Times Deutschland, die dieses Bier in einem Artikel über das Brauereinsterben erwähnte – also hab ich es probiert und für sehr gut befunden. Es ist eben auch in der Armut sinnvoll, die Wirtschaftspresse aufmerksam zu verfolgen ! Und ach ja – promoviert habe ich nie.