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Mitteilung von Freno d'Emergenza (5.3.2015 21:37:06):
>>>>>>>>Höflich über »Kartoffelpüree«

>>>>>>>>[zum Original-Text]
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>>>>>>>>> Die Neger rollten den Berg hinunter und schrien. Urkräfte waren am Werk. Wladislaus Kemper, ein alter Eisendreher, wurde Zeuge, schilderte den Lokalnachrichten: Hölty und der Hain sind zusammen mit den Negern den Berg hinunter gerollt. Mitten hinein ins Erbswasser, mitten hinein! Die Polizisten nickten. »Immer dieser Hölty, immer dieser Hölty«, murmelten sie, ganz bedächtig, in ihre Schnauzer. Der Reporter notierte alles. »Werden Sie nun Inspektor Issel in den Fall einschalten?«. »Inspektor Issel, also Inspektor Issel fängt immer dort an zu wirken, wo es brenzlig ist... also ja!«. »Wie erklären sie sich das mit dem Hölty?« »Werteverfall, Werteverfall. Das ist Werteverfall, Werteverfall ist das. Ich würde sagen, das ist Werteverfall. Was sagst du, Klaus?« »Ich meine, das ist Werteverfall. Werteverfall. Ganz klar: Werteverfall. Klare Sache von Werteverfall!«.
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>>>>>>>>> Kemper legte sich dann des Nachts zu Bett. Er schlief schlecht. Er atmete fast nicht. Er schwitzte. Schlafen konnte er auch nicht. Auch schwitzte er. Noch dazu... Er stand auf, um zum Fenster hinauszusehen – denn das war ihm eine Wohltat – schon des öfteren gewesen – das zu tun – und er sah nicht einmal des Mondes blassen Schimmer am Himmelszelt, dort wo er sonst war, unter den kristallinen Sphären der Fixsterne. Nein! Er ging in die Küche um Rosenwasser zuzubereiten, welches er auf das Votivbild Hermann Görings sprenkeln wollte, das im Flur hing. »Göring, Göring...«, murmelte er auf dem Weg immer wieder... »ja der Göring...der Göring«. Es klopfte an der Tür. »Wer da?« »Polizei, aufmachen!« »Hoho, das mag ein jeder sagen, des nächtens um diese dunkle Uhrzeit zu gange ist einen armen Mittdreißiger durch Arglist seiner Habe, und womöglich seines Lebens zu berauben. Ich werde nicht öffnen!« »Der Hölty wurde entdeckt, wir haben Fragen an sie!«. Kemper zuckte. »Der Hölty...«, dachte er bei sich, »Der Hölty... Hölty und der Hain!«.
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>>>>>>>>Wieder eine Perle entdeckt.
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>>>>>>>Ich mag Höfliche Texte nur selten und dieser gehört nicht dazu. Die Type pflegt ihre Texte zu übermästen, wie eine Gans, auf deren Stopfleber man scharf ist. Zuviel Sinn kippt dann in Unsinn um und leichter Brechreiz macht sich breit. Man giert nach einem Verdauungsschnaps. Vielleicht ist das Mensch ja sogar aus ebendiesem Grunde alkoholkrank ?
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>>>>>>Ich finde den obigen grandios. Du solltest die Möglichkeit in Betracht ziehen, daß es sich um Parodie, Satire handelt. Möglicherweise um Selbstparodie, eine hohe Kunst!
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>>>>>Ja der Text ist in der Tat genial. In Worte gefasster Surrealismus. Der Dadaismus der Literatur. Ein Text wie ein LSD Trip. Sinn? Unsinn? Kleingeister! Wer darueber sinniert der sieht nicht wie hier Thomas Mann mit dem Bleirohr verpruegelt wird. Lasst uns den Koenig der Wortschoepfungen auf Haenden tragen zu seinem Throne!
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>>>>Wo geht's hier um Thomas Mann ??! Ich habe diesen zwar lange Jahre nicht mehr gelesen, aber ausser der Länge der Schachtelsätze, die Th. Mann, ich, Höflich und Edmund Stoiber so sehr lieben, sehe ich da beim besten Willen nüschdt.
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>>>>Hihi ... »ich sollte in Betracht ziehen ...« – die Tomaten habe ich nicht auf den Augen, sondern nebst 1/2 Apfel und 1 Paprika im Abendbrotsalat ! Natürlich soll das immer Satire sein, was Höflich da so emitiert, aber Satire ist nur, wenn man(n) sich amüsiert, und das tue ich mitnichten, siehe oben. Höflich ist kein kleiner Dummer – eher ein ganz großer Dummer. Die Idee mit dem Göring-Votiv hat er wohl bei J.C. Fest »Das Gesicht des III. Reiches« im Portrait Görings gepflückt, der 1946 in Nürnberg seiner Überzeugung Ausdruck gab, heutzutage (also so 2000 rum) würde in jedem deutschen Hause ein kleines Denkmälchen für ihn stehen. OK, er hat mal wieder seine Bildung ausgeführt, und an irgendeinem Bäumchen Pipi machen lassen (was ein Bild von Tucholsky ist) – aber das schwimmt auch völlig beziehungslos in dieser überschwappenden Wortbrühe herum !
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>>>Ach ja, es muss auch immer einen Gegenpol geben. Franz Marcs Bilder mussten 1911 auch jeden abend gereinigt werden weil Besucher sie angespuckt hatten. Damals hatten die Kleingeister den Expressionismus nicht verstanden. Sowas gibt es wohl bei allen Kunstformen, darum müssen Höflichs Texte heute verbal angespuckt werden. »Satire ist wenn Freno d'Emergenza darüber lachen kann«. So stehts ja auch im Duden... *Seufz*
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>>Höflich versucht etwas, was nicht gehn kann: Satire mit der großen Handschuhnummer zu schreiben. Satire ficht nicht mit dem Säbel, sondern mit dem Florett. Sie soll nicht stechen, sondern kitzeln. Und erst recht soll sie nicht dreinschlagen wie ein Preussischer Schutzmann mit dem Säbel auf Sozialdemokraten. Und genauso drischt Höflich mit schwerster Keule auf seinen Themata herum, bis das Blut und Eiter spritzen. »Zwei Mann zum aufwischen!« sagte man früher, als es noch die Wehrpflicht gab.
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>Warum soll es denn nicht gehen können? Ich finde, der Text ist eine zum Schreien komische Persiflage auf den sprachlichen Brutalismus einer gewissen Geisteshaltung, er riecht förmlich nach Stiefelwichse: »Polizei, aufmachen!« – und Moralismus: »Werteverfall!«

Es ist das Gelalle eines Halbbesoffenen am Tresen, ein Rauskotzen – sonst nichts. Das ist nicht komisch, sondern traurig. »Werteverfall« ... pffft. Auch da kann ich Dir sagen, wo er das her hat: »Dr. Murkes gesammeltes Schweigen« von Heinrich Böll. Da gibt es eine witzige Episode: der feinsinnige Dr. Murke – ein Funkredakteur – sitzt in der Kantine und ein paar Tische weiter versaufen ein paar freie Mitarbeiter ihr Zeilenhonorar. Einer davon hält irgendso ne besoffene Rede und schreit dabei immer: »Kunst!« in den Raum, es istdie »Kunst!« um die es geht, die »Kunst!!« die das entscheidende ist, die »KUNST!!!« um die man sich abzumühen habe ... und jedesmal zuckt Dr. Murke zusammen, wie unter einem Peitschenhieb. Es ist eben schwer, kreativ zu schreiben – verdammt schwer.

Bis jetzt ist einfach nur nachäffen, nachmachen. Gut meinethalben. Garnix dagegen, daß er seine Fingerübungen in den Blaster stellt. Das mache ich schließlich auch von Zeit zu Zeit. Aber wie man sowas gut finden kann ... naja.