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Mitteilung von toss (6.12.2007 23:54:23):
>>>>>>>>>>>>>>>>>>Liquidationsdef

>>>>>>>>>>>>>>>>>>[zum Original-Text]
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>>>>>>>>>>>>>>>>>>> »Die sicherste Charakterisierung der europäischen philosophischen Tradition ist die, dass sie aus einer Reihe von Fussnoten zu Platon besteht.«
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>>>>>>>>>>>>>>>>>>> (A.N.Whitehead)
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>>>>>>>>>>>>>>>>>>Ist es nicht zu kurz gesprungen, über die Fußnoten anderer zu lästern, die sich bewusst sind, worauf sie ihre Gedanken fortsetzen, gründen? Ist es nicht zu wenig, darüber zu lästern, als vielleicht auf die Schlüsse abzustellen, die sie aus dem Gesagten/Geschriebenen ziehen? und wie ist eigentlich europäische philosophische Tradtition zu definieren? Wer gehört denn in den Kreis derjenigen, die eine solche Tradtion begründen? Was und wer gehört zu Europa?
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>>>>>>>>>>>>>>>>>'Europa' als Summe oder Vollendung der antiken Philosophie zu sehen – vielleicht allgemeiner gefasst als 'in der judäograecischen Tradition stehend' oder so, scheint mir heute nicht mehr der erfolgversprechende Ansatz zu sein. Ich will ja gar keiner Baukastenphilosophie das Wort reden, so »wie bekomme ich den Dalai Lama in die Skinner-Box, ohne es mir mit Jesus zu verscheißen?« In der Schule haben sie uns durch alle Facetten des preußischen Landrechts gepeitscht, die Schwiegertöchter Bebels & Bismarcks hätten wir herunterbeten können, doch schon so eine in mythisches Dunkel getauchte Staatsgründung wie die Russlands, irgendwann vor tausend Jahren im Raum von Kiew ist den meisten Hekuba geblieben. Die sumerischen Hochkulturen, die uns das Verständnis von Urbanität und Recht entwickelt haben, wurden irgendwann in der Sexta behandelt, hätte man uns erzählt, die Skythen seien im 8. vorchristlichen Jahrhundert vom Mars gekommen, hätten wir das auch geglaubt. Die Weltgeschichte ist ein mäandrierendes, deltareiches Gewirr voll Seen, Inseln und Wadis, da mag einem die Nordsee noch so gewaltig vorkommen, der Atlantik verspeiste sie zum zweiten Frühstück. Apropos: Ich war
>>>>>>>>>>>>>>>>'fahr', nicht 'war'...
>>>>>>>>>>>>>>>>>jetzt nach ME, bin zum Mittag eingeladen, ich muss los...
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>>>>>>>>>>>>>>>Dieser Mann deutscher Zunge sagt jedenfalls das , was ich mir von einem Philosophen wünsche:
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>>>>>>>>>>>>>>>http://www.zeit.de/2007/34/M-Seele-Interview?page=all
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>>>>>>>>>>>>>>Dass ohne den Begriff der Seele nichts, aber auch gar nichts fehlen würde, ist im Grunde ebenso ein Allgemeinplatz, wie die Feststellung, dass die Konstituierung des Ichs ein extrem durchlässiger bis amorpher Zustand ist. Eher ist es typisch für unsere zunehmend irrational werdende Zeit voll Kreationismus- und Wertedebatten, dass solche im Grunde offen zutage liegenden Einsichten, die eigentlich überhaupt nicht in der Beweispflicht sein sollten, des 'Umwegs', bzw. der Segnung durch die Neurologie bedarf, um sich artikulieren zu dürfen. Zu Voltaires Zeiten wurde der Streit gegen die Geissel der Religion als eine philosophisch-politische Pflicht betrachtet, heute muss man sich vorauseilend entschuldigen, wenn man in einer zeitgeschichtlichen Betrachtung zur Einsicht kommt, dass die ganze Geschichte mit dem Glauben vielleicht von wesentlich weniger positiver Bedeutung ist, als man ein paar Jahrtausende angenommen hat.
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>>>>>>>>>>>>>Die Diskussion möchte ich später gern fortsetzen, hier drängt der nächste Gast an den Rechner ...
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>>>>>>>>>>>>Meine Herrn ! Da werden gewaltige Worte gelassen in die wehrlose Tastatur gedrückt, unter souveräner Mißachtung des Umstandes, daß unser heutiges Menschenbild, unsere Kultur, eben nicht nur von der griechisch-römischen Antike geprägt ist, sondern auch von der jüdisch-christlichen Tradition. Die Frage nach dem Glauben ist eine existenzielle solche – sie kann nicht durch rationale Kalküle beantwortet werden, die Grundfrage der Philosophie ist beantwortet: es wimmelt nur so von prinzipiell unerkennbarem – siehe Heisenberg & Gödel, die von der Grenze der Vernunft erschaudernd wiedergekommen sind. In Ansehung dessen kann ich niemanden des Irrationalismus zeihen wollen, der sich dem Glauben in die ausgebreiteten Arme wirft – wohl aber zuweilen wegen dessen, was er danach in diesem Schoße so treibt.
>>>>>>>>>>>>Um ein einziges Beispiel herauszugreifen: die gesamte strafrechtliche Dogmatik: Tat und Handlung, Täter und Teilnehmer (Anstifer, Beihelfer), Notwehr und Notstand, Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe – sie alle entstammen der katholischen Dogmatik der Sünde, Buße und Vergebung. Es ist verdammt schwer, so tun zu wollen, als hätte es die etwa 2.300 Jahre zwischen Platon und uns nicht gegeben, und nach Art der Erlanger Konstruktivisten ganz von vorne anzufangen. Geschafft haben sie's ja auch nicht.
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>>>>>>>>>>>Bleibt die Frage, ob es zu schaffen wäre. Entgegenhalten will ich Dir nur:
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>>>>>>>>>>>Über die Götter allerdings habe ich keine Möglichkeit zu wissen, weder das sie sind, noch das sie nicht sind, noch wie sie an Gestalt sind; denn vieles gibt es, was das Wissen hindert: die Nichtwahrnehmbarkeit und dass das Leben des Menschen kurz ist.
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>>>>>>>>>>>"Über die Götter", Protagoras
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>>>>>>>>>>>Im übrigen geht es nicht um das Aufrollen einer gesamten, vollständigen Philosophie über mehrere Jahrtausende, sondern um das Ausleuchten einiger Ecken, die für mich dunkel sind. Manches wird klarer, wenn mann sich auch noch mal mit den Alten beschäftigt.
>>>>>>>>>>>Mir geht es auch um die Erhellung, wie bestimmte Dinge entstanden sind. Ursprünglich waren Philosophie und Politik viel enger verknüpft, als wir es heute erleben. Es scheint mir, als wäre die Kunst einer guten Rede, die auch etwas bewegt, das wichtige gewesen. Und zwar egal, ob der Senator oder Diogenes spricht. Heute starren wir gebannt auf die Rede eines Bundespräsidenten, doch die Weisheit in der Erzählung unseres alten Nachbarn hören wir nicht. Ich persönlich fasse die Worte Protagoras nicht so agnostisch auf, wie verschiedene Kommentatoren: schliesslich bleibt es für ihn offen, ob es Gott gibt ... und genau das sollte auch die katholische Kirche beherzigen, es mag ihn geben, kann ihn geben, aber das Beharren auf die Existenz und der Folgen seiner Existenz (bezogen auf unser Leben) ist der Grundfehler in der Gedankenwelt. Allerdings stärkt das Beharren die Macht der Kirche (über uns), denn wir Menschen heute haben Angst, die mit der Heilslehre, dem Wort, der schärfsten aller Waffen, geheilt werden soll.
>>>>>>>>>>>"Am Anfang stand das Wort" Heilbringend und tötend ...
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>>>>>>>>>Ich antworte mit einer Überlegung, die ich »strategischen Gottesbeweis« nenne, oder »Gottesbeweis durch Differenzialdiagnose«:
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>>>>>>>>>Angenommen, wir glauben (sic!), daß es Gott gebe, und richten unser Leben im Sinne eines kathegorischen Imperativs so aus, daß wir unser Handeln vor ihm rechtfertigen könnten – man landet dann immer bei so was ähnlichem wie der Bergpredigt, den 10 Geboten oder dem Katalog der unveräusserlichen Menschenrechte. Je nun: war unsere Grundannahme richtig, dann haben wir Glück gehabt – war sie falsch, dann haben wir auch in allgemeiner Hinsicht keine Scheisse gebaut.
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>>>>>>>>>Angenommen, wir glauben nicht, daß es Gott gebe, und richten unser Leben eben nicht darauf aus, daß wir es vor ihm einmal rechtfertigen müssten – und wir liegen dann falsch: dann sitzen wir ganz schön in der Tinte, und können nur hoffen, daß wir vor dem Jüngsten Gericht einen verdammt guten Pflichtverteidiger erwischen !
>>>>>>>>Das genaue Zitat fällt mir partout nicht ein, aber Dir und v.S. trotzdem gleichermaßen mit dem ungenauen Zitat geantwortet:
>>>>>>>>Ein ganz kluger Mann sagte sinngemäß in etwa das:
>>>>>>>>''Gerade das werfe ich der Kirche vor, dass sie uns nötigt zu GLAUBEN, statt mehr WISSEN zu wollen.''
>>>>>>>>Dass wir vieles, fast alles noch nicht wissen: wer widerspricht dem?? Aber weshalb deshalb zu nachweislichem Unfug Zuflucht nehmen?
>>>>>>>Hypatia konnte ein Lied davon singen ...
>>>>>>Ermordet von wahren Christen, deren übelster später heilig gesprochen...
>>>>>>Ein Schüler & Bewunderer von ihr (auch ein nachmaliger Bischof) wird in der WP mit der wunderbaren Aussage über ihre Gegner & Mörder zitiert:
>>>>>>.
>>>>>>„Ihre Philosophie besteht in der simplen Formel, stets Gott als Zeugen anzurufen, wie es Platon tat, wenn sie etwas behaupten oder bestreiten. Jeder Schatten würde diese Leute übertreffen, wenn er sich zu irgendetwas äußern würde. Aber ihre Anmaßung ist enorm.“
>>>>>Das ist um 400 geschrieben, nicht als Replik auf Bush, Howard, Blair, Chomenei & Bin Laden...
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>>>>"Nachweisbarer Unfug" – das ich nicht lache ! An dem Versuch, die Existenz Gottes zu widerlegen, haben sich schon brilliantere Geister die Dritten Zähne ausgebissen.
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>>>>Ach ja, und dann wieder die Verbrechen im Namen Gottes ... pfffft. Irgendwann sind wir dann bei den Hexenverbrennungen, der Inquisition und Pius dem Soundsovielten (Pacelli), der sich 1936 als Apostolischer Nuntius in Berlin geweigert haben soll, der Synagoge für irgendein Fest 2 Palmwedel zu organisieren. Jaja, déjà bien, kennen wir.
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>>>>Tu quoque ! In Nürnberg und vor sonstigen Tribunalen darf dieses Argument bekanntlich niemals gezogen werden. Aber hier schon: Die (Massen)morde im Namen der Aufklärung und der sich hierauf berufenden Ideologieen von Robbespierre über Stalin und Mao bis hin zur RAF reichen mir völlig zur Aufrechnung.
>>>>
>>>>Soll man wirklich auf diesem Pausenhof-Niveau diskutieren ?
>>>Ich nehme an, dass Du Deine Wohnung auch gegen Ufos wie gegen alle anderen nicht widerlegbaren Unwägbarkeiten des Daseins geschützt hast; aus rein strategischen Gründen.
>>>
>>Zwischen Ufos und Gott gibt es ein paar erhebliche Unterschiede. Auf »Ufos«, also intelligentes ausserirdisches Leben innerhalb unseres Ereignishorizontes, kann man sich kaum vorbereiten – auf Gott und ein Leben nach dem Tode schon. Und die Möglichkeit, daß es nach dem Tode eine wie auch immer geartete Begegnung mit Gott geben könnte, ist weitaus relevanter, als diejenige, daß ein Alien bei mir anklopft.
>
>Ein großer Verbündeter ist mit Dir, Peter:
>.
>''Ratzinger hat die Laizität von Habermas schon in katholische Sprache übersetzt: Damit die Demokratie nicht in den Nihilismus stürzt, müssen alle – Gläubige und Atheisten – sich verhalten, »als ob es Gott gäbe«. Das ist die völlige Umkehrung der Moderne.''
>.
>las ich gerade in einem 'Zeit'-Artikel gegen Habermas.
>''Sich verhalten, als ob es Gott gäbe'', das ist ja genau Deine Empfehlung.

Wieso »Umkehrung der Moderne«?
Auch wenn Habermas seine »Unübersichtlichkeit« und Sloterdijk seine »Sphären« predigt, bleibt die Gesellschaft in der du lebst durchdrungen von Jesus ... Jesus hier, Jesus da.
Und du glaubst, da steckt kein Machtsystem dahinter?!
Bei Sloterdijk wird das Philosophie-Entertainment ja nun wirklich offensichtlich!