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Mitteilung von Freno (22.7.2019 21:28:25):
>>>>>>Rainer Werner Faßbinder sitzt nackt im Dunkeln vor dem Licht der offenen Kühlsch

>>>>>>telefoniert und reibt sein Genital. Ich wollte nur zeigen wie hilflos zerrissen sich manche Intellektuelle auch heute noch fühlen. In einem Gedankengefängnis unentrinnbar verschlossen.
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>>>>>Ich mochte Kamikaze 1989 sehr gern. Faßbinder als Darsteller. Sehr genial.
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>>>>Ich mochte Fassbinder auch – vor allem diejenigen Filme wie »Lola« oder »Die Ehe der Maria Braun«, die einen Bogen schlugen zwischen gestern, heute und morgen … oder dem, was man damals für morgen hielt.
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>>>Bei »Die Ehe der Maria Braun« war ich so raurig als Bill erschlagen wurde.
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>>>Ja und Lola – ist zwar in einer Kleinstadt angesiedelt – könnte aber genau so gut in Köln spielen. Da nennt man das ja »Klüngel«. Nach all den Jahren habe ich mich damit abgefunden.
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>>Das Leben funktioniert eben so. In einem meiner Lieblingsromane – Tom Wolfe: bonfire of vanitys (das ich sogar irgendwann in englisch gelesen habe): wird genau das für die Justiz beschrieben. Es gibt eine »Gefälligkeitsbank« (Wolfe) oder »Bank für Gemeinwirtschaft« (Schwanitz, der in »Der Campus« eine Adaption von Wolfe auf die Universität vorgenommen hatte). Jeder »Player« in einem solchen System erbringt jedem anderen »Player« Gefälligkeiten – umsonst, ohne direkte Vergütung und höchstgradig illegal, strafbar. Beteiligt man sich an diesem System, wird man von ihm geschützt, wenn der Frack brennt und der Arsch auf Grundeis geht. Ignoriert man das System oder versucht sich gar als »Whistleblower« oder so, dann ist man alsbald ruiniert, verliert den »Job«, die Existenz und nicht selten klicken die Handschellen.
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>>Der Grund dafür ist ganz einfach: die offiziellen Regeln, »die Legalität« und »die Demokratie« stimmen in ihren Grundstrukturen nicht mit der menschlichen Psyche überein, überfordern sie heillos.
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>Was du beschreibst trifft im abstrakten Sinne teilweise auch auf eine Gang oder einen Clan zu.
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>So einfach kann man die menschliche Psyche nicht abschreiben. Klar gibt es Abweichler. Wir nennen Sie »Irre«. Vielleicht sind wir das auch selber – aber wir gehen meist von einer Mehrheit aus. So wie mit den Lemmingen oder der berühmten Schafsherde. Kann auch mal falsch sein – siehe drittes Reich.
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>Legalität ist manchmal auch Auslegungssache – dann meist von einem Richter. Aber es gibt einen Rahmen den auch ein Richter nicht sprengen kann. Einem Freund sagte mal ein Richter »Rechtsprechung hat nichts mit Gerechtigkeit zu tun.«. Da ging esum einen Fall wo besagter Freund mal erwischt wurde mit einer sogenannten »Airsoft Waffe«. Das sind lustige Plastikgewehre die kleine Plastikkugeln etwa 30 Meter weit spucken können. Gelangweilte Wohlstandskinder spielen mit diesen überaus teuren (Ein paar Hundert Euro kann so ein Plastkspucker kosten) Spielzeugen im Wald Krieg. Besagter Freund war natürlich schlau und hat seine von Halbautomatisch auf Vollautomatisch getuned – was man durch das einsetzen eines 2 milimeter großen Plastikstücks erreicht. Damit fällt dieses dumme Spielzeug aber leider offiziell unter das Kriegswaffenkontrollgesetz.
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>Der Richter hatte wirklich Mitleid und verstand wie dumm das gesetz in dieser Beziehung ist – aber ignorieren konnte eres trotzdem nicht, von daher gab es eine Bewährungsstrafe was am absolut untersten Minimum lag.
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>Klar ist nicht jedes Gesetz sinnvoll, gerecht oder zeitgemäß.Aber wir können auch nicht Anachie brüllen und alle Nachbarn straffrei abstechen. Als Anwalt solltest du das wissen.
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>Es gibt Fälle da überfordert die Legalität die Psyche tatsächlich (OK der besagte Freund wusste eigentlich sogar daß es illegal war – tat es aber trotzdem). Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Manchmal hart aber oft legitim.
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>Die Psyche ist aber nicht grundsätzlich böse oder nur egozentrisch – obwohl es das natürlich auch gibt.
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>Eines der faszinierendsten Bücher die ich je gelesen habe war »The origins of Virtue« – zu Deutsch etwa »Die Wurzeln der Tugend«. Das Buch beschäftigt sich mit Tugend- warum tun wir manchmal etwas gutes obwohl wir offensichtlich selber keinen Vorteil davon haben – ja manchmal vielleicht sogar Schaden nehmen.
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>Ich weiss nicht ob es das auf Deutsch gibt. Aber sehr gutes Buch. Eigentlich lohnt es sich rechnerisch selten etwas gutes anderen oder der gemeinschaft zu tun – aber dennoch tun es die meisten. Vielleicht glauben wir oft an eine höhere unsichtbare Gefälligkeitsbank ohne daß uns Details bekannt sind. Ja – auch Leute die nicht an Gott glauben sind keine vollkommenen Arschlöcher sondern tun auch mal Gutes.

Warum wir Gutes tun, auch wenn es unseren Interessen schadet – auch dafür kann ich eine Erklärung grob skizzieren, nämlich die der Psychoanalyse. Wir tun Gutes gegen unsere eigenen, »vitalen Interessen« (Erich Fromm), weil wir von unserem Gewissen dazu gezwungen werden und unser Gewissen ist in seinem Kern: ein Introjekt des gleichgeschlechtlichen Elters aus dem Ödipus-Konflikt, das durch »Erziehung und Sozialisation«, wie man das so nennt, »kulturell aufgefüllt« wurde, wie Freud das beschrieb. Für das Nähere bleibt mir nur der Verweis auf Freuds »Das Ich und das Es«, wo dieser Vorgang der Introjektion sehr detailiert beschrieben wird. Es gibt dazu auch ein gutes Abstract bei Wiki.


Daß wir also Gutes tun, obschon es unseren Interessen schadet, ist in der Sprache der Psychopathologie nichts als ein Symptom einer Zwangsstörung, die jedoch kulturell durch Religion und nichtreligiöse Ethik »sozial elaboriert« ist. Aber es ist nichts anderes, als Höflich seine Deppenkriminalität: Ehrenschutzdelikte im Netz absondern, Leihfahrräder justament vor der Polizei umschubsen, nur damit er immer und immer wieder bestraft wird – »Wiederholungszwang« nennt man das auch, was eine andere Form dieses Zwanges ist, die jedoch eindeutig pathologisch ist, während unser Gewissen in höchsten Ehren steht.

Gott – im Sinne der monotheistischen Religion – ist für die Psychoanalyse nichts als eine Extrapolation dieses »Über-Ichs« oder »Ich-Ideals« ins Kosmologische. Die monotheistische Religion kann insofern verstanden werden als eine makrosoziale Gruppentherapie für den Ödipus-Komplex. Freud war so konsequent gewesen, daraus auf den illusionären Charakter der Relgion zu schließen – davor scheue ich selbst unter dem Eindruck von Pascals Wette zurück. Wenn man darlegen kann, wie Religion nach der psychoanalytischen Psychologie funktioniert, kann man kein ontologisches Urteil über sie abgeben, meine ich.

Mein Lektüretip für Dich wäre »Das Unbehagen in der Kultur« von Freud, 1930 auf den Goethepreis der Stadt Frankfurt hin geschrieben, den Freud zwar klüngelweise erhielt, aber durchaus nicht unverdient. Freud war ein brillianter Stilist, nicht umsonst war und ist er Bestseller-Autor und nicht umsonst gibt es heute einen Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa und das »Unbehagen« ist ein Lesevergnügen erster Kajüte.