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Mitteilung von matthias Schmidt (31.12.2022 13:34:22):
Das leise Schnalzen der Wand

Meine erste Klavierlehrerin sog kurz scharf die Luft ein bei einem Verspieler. Ich fürchtete dieses Geräusch, ja zuckte fast davor zusammen, ahnte es schon im Vorfeld, es schien Fehler geradezu anzuziehen, nur um kurz einsaugen zu dürfen. Manchmal war es auch nur ein Schnalzen, dann etwa, wenn der Ton zwar richtig war, aber ein klein wenig außer der zeit geriet, etwas zu lange auf sich warten ließ, nicht pünktlich im takt da zu sein dazu noch locker und unverkrampft war eine manchmal nicht zu bewältigende herausforderung, da eigentlich alles schon längst vor beginn des zeitpunktes fertig und vorbereitet war, also bereit diesen Ton anzuschlagen, und nur die noch bis dahin zu wartende Zeit, auch wenn es wohl nur Bruchteile von Sekunden oder Sekunden waren je nach taktart, diese zeit in der alles schon bereit war aber nicht zugeschlagen werden durfte, die war das eigentliche Verderbnis und Schuld am fehler, weil in dieser kurzen zeit, man mag es zwar kaum Glauben für einen der nicht spielt, aber in diesen Bruchteilen von sekunden oder ganz wenigen Sekunden nur da können sich die turbulentesten und unglaublichsten Bilder und gedankenspiele in dein Hirn einschleichen und du kannst rein gar nichts dagegen tun und vor lauter Pracht des Gedachten vergisst du völlig deinen Zeitpunkt des Anschlagens, obwohl längst alles bereit dazu war und verspielst dich dann auch noch im Ton weil du dir keines der Vorzeichen mehr sicher bist und sogar in den großen Fehler des hektischen schnell noch einmal nach vorne auf die Vorzeichen schauen damit bloß kein Fehler und dieses schauen verdirbt dir den takt und du findest auch manchmal so schnell die Stelle gar nicht wieder wo du vorher mit den augen warst. Jedenfalls bleib mir das Schnalzen, vor allem das ganz leise Schnalzen ein Begriff und eine Furcht und ein ständiges Vorhandensein des ganz kurz Zuspätkommens obwohl ich längst vorher da war. Es nerfte ich begriff es und ich konnte es nicht abstellen. Das nerfte ganz besonders, etwas genau erkennen und es trotzdem nicht verändern zu können. Dieses Lahmen meiner Selbst bei gleichzeitigem schnellen Vorhandensein, ließe ich nur einmal los, so laß doch mal los, riefen sie alle hintereinander und ich wußte ganz wirklich nicht was sie damit meinten, mir sagen wollten, ich verstand ihre Worte schon, aber ich hing doch nicht ungesichert an einem Seil hundert meter über der felsenschlucht oder etwa doch, ich befinde mich doch nur mit den Fingern am Laufen oder Hüpfen auf Tasten. Vielleicht ist dieses Loslassen doch vielfältiger als ein strenges legato und ein leichtes oder scharfes Staccato, das scharfe, das will man ja heute gar nicht mehr, alles muß leicht sein, wenn schon das leben nicht leicht so muß die Kunst es sein und werden, nie im leben habe ich soviele satiriker und kabarettisten die Regierungsreden in aöller Ernsthaftigkeit dem Publikum einbläuen gesehen, das sind wenden, zum ernsthaften hin sagen diese damals noch kleinen kinder, und wir sehen unser spaß muß flöten gehen, die Kinder werden zu kleinen und großen Diktatoren, erneut, alles kommt wieder, manchmal kommt der urgroßvater in den Enkeln wieder, und wenn es eine kleine Enkelschwemme dann wehe denen die arm und alt, die welt muß ernst regiert, nur zahlen zählen, übertragen sie das auf die schwänze ihrer Gaussglocken, unüberbrückbare Differenzen zerreißen familien, meinungsverschiedenheiten über Molekulare gegebenheiten firmenwahrheiten, mit unsicheren menschen ist auch mehr dubioser Profit zu machen während der Realkonsum stagniert, dann können endlich die die es können ihre freiheiten unbeschwerter ausleben, die alten stinkenden Säcke, sollen sie doch verrecken in den Ecken, wir stellen unser ausrangiertes parfüm daneben um den Leichengeruch etwas abzudecken, das leise Schnalzen der Wand war mir in Erinnerung und ich kann es nicht beschwören ob es tatsächlich so ist aber es stellt sich mir so dar, ich spiele bei absoluter Stille es ist trotz offener fenster wirrklich kein Geräusch, kein Laut weder im Haus noch von draußen zu hören, und ich spiele, in bewegenden Tempi die auch changieren, also eine innere bewegung haben, und es ist gut und ich bin völlig im Takt. Und ich nehme diese absolute Stille wahr. Und nun geschieht etwas, und dieser beschriebene Zustand, dieses SoGeschehen, das hat sich nun viel zig mal genau so abgespielt, ich spiele also wie beschrieben in diese absolute Stille hinein und lausche mir selbst wie schön das Erzählende musikalische doch ist, wieviele Nuancen es zuläßt sind nun beide hände erst einmal beweglich geworden und lassen sich gezielter bewegen und anschlagen, wie schön es ist, und man will fast schwelgen, aber ganz zu entspannt geht dann auch nicht so ganz, ein ganz klein wenig vorausschau und denken ist noch immer nötig, bloß nicht viel und auch keine Unruhe, aber nun geschiehts, ein einziges winziges Zögern in der melodie, ein nebenrausgedanke, aufgefangen gottseidank, eingebettet in das Gute, das Logische, das Normale, das Schöne, melodieuse, nur ein winziger Ausrutsche, aber welch ungeheurer böser gedanke, welche untat überhaupt zu denken, welch ungeheurer angriff, welch missetat welch böse und da nicht einen moment zu zögern, aber ich war es doch zu denken, ich bin doch ich und du mußt doch wissen ich bin ich, und das sind nur böse gedanken, nichts wichtiges, und gerade deshalb doch, aber das soll nicht bestimmend sein dürfen, das vorher war schön das bewegte Fließende, dieses alte bekannte lahmen nur in einer einzigen Note aufgetaucht bei einem nebengedanken, und sofort aufgefangen eingefangen auch verfrüht zum geburts, dings, tage wochen ich höre dieses schnalzen in der Stille der Umgebung, es taucht ganz unmittelbar nach diesem einen einzigen Ton der verzögerung, des alten lahmens auf, dieses leise schnalzen und das Geräusch kommt aus der Zimmerwand, nicht von draußen aber ich habe auch gelernt daß man von draußen ganz gezielt Geräusche in ein Zimmer hinein schicken kann die von genau einer bestimmten Stelle im Zimmer zu kommen scheinen aber deren quelle trotzdem draußen ist. Wenn ich nämlich auch nur einen einzigen harmonischen Fehler begehe oder ins schwimmen gerate beim ablesen ist zwar die beste Hilfe durchzuhalten und leise zu bleiben und möglichst unaufgeregt aber dann ist auch das leise Knacken eines zeiges draußen, unüberhörbar. Man kommentiert meine Geräusche also durchaus qualitativ von draußen. Aber das ist nicht glaubhaft sagt er. Das kann nicht sein. So wichtig bist du nicht.