Katharsis

Ich habe den über die letzten Tage gehegten Gedanken, bei der Beisetzung meiner Mutter die Linke zum Rotfrontgruß zu ballen, möglichst noch mit den Worten 'Anneliese, der Kampf geht weiter' wieder fallen gelassen, weniger aus der Erwägung, daß ein Gutteil meiner sauer– und siegerländischen Verwandtschaft hierbei möglicherweise in Ohnmacht fallen könnte, ebensowenig aus der Überlegung heraus, daß meine zeitlebens stets auf Geltung bedachte Mutter sich hierbei in der Urne umwälzen könnte, als vielmehr aus der blanken Einsicht heraus, daß die Berufung auf eine ebenso verlogene wie gescheiterte Pseudoguerilla nicht der geeignete Abschluß für ein im ganzen genommen gleichermaßen würdevolles wie erbärmliches Leben wäre. Zudem sollte das Pathos in den Mumienablagestätten der Reaktion ihren Platz haben; es wäre auch in ihrem Sinne, aus der ganzen Sache kein großes Aufheben zu machen.

und plötzlich liegt es klar vor mir, dieses Zittern ist kein unbekanntes und auch kein unerklärliches Phänomen, nein, es gehört auch dazu. es schien mir erst nicht zu passen, aber nun habe ich meinen Körper verstanden. auch er braucht das Ausleben und Loslasen. und im grunde hatte ich diese Aktivität doch auch gewählt, um mir ein Mittel zum Ausdruck zu geben. und nun kommt der Ausdruck, und ich war erst überrascht und erschüttert. aber was hatte ich denn erwartet? wenn ich Liebe verarbeite kommt etwas schönes dabei heraus, wenn ich gewalttätige Todesnähe verarbeite, dann muss es doch auch entsprechend hinaus, es kann doch gar nicht »schön« heraus kommen. es ist nicht einfach nur Trotz, wenn ich den Weg weiterverfolge, nein, ich muss ihn gehen, um mir selber weiter zu helfen.

gebt dem Volk Brot und Spiele

mit dem Brot werden die Bäuche satt und der Körper träge und müde

mit den Spielen wird ihr Gehirn satt und die Seele gereinigt von Gefühlen