Mit einem Geschäftsordnungstrick verhindert China eine
Verurteilung durch die Menschenrechtskommission der
Vereinten Nationen. Die USA stehen vor der Weltgemeinschaft
als Verlierer da.
Genf - In einem wochenlangen Kräftemessen mit den USA hat die
chinesische Führung einen klaren Sieg errungen. Die
Menschenrechtskommission der Uno in Genf lehnte es am Mittwoch
abend ab, über die massiven Repressionen der roten Machthaber
gegen die eigene Bevölkerung abzustimmen. Die Regierung in
Washington hatte auf eine Verurteilung der kommunistischen Führung
gepocht - vergeblich. Damit dürften diejenigen US-Politiker neue
Munition erhalten, die wegen des Konfliktes um das amerikanische
Aufklärungsflugzeug Vergeltung gegenüber Peking fordern: Der
Konflikt zwischen den beiden mächtigsten Staaten der Welt geht in
eine neue Runde.
Bei Menschenrechtsaktivisten löste die Uno-Entscheidung
Verbitterung aus: "Im bevölkerungsreichsten Land der Welt werden
Millionen von Menschen brutal unterdrückt. Und die höchste
Menschenrechtsinstitution der Vereinten Nationen weigert sich, auch
nur darüber zu reden. Ein Skandal", sagte Joanna Weschler, die
Uno-Repräsentantin von Human Rights Watch.
Pekings Vertreter bei dem Genfer Uno-Gremium hatte ein Schlupfloch
in der Geschäftsordnung genutzt: Qiao Zonghuai präsentierte den
Antrag, dass sich die 53 Mitglieder des Gremiums erst gar nicht mit
einer Verurteilung Chinas befassen sollten. Die offizielle Begründung:
"Nach mehr als einem Jahrhundert Erniedrigung durch westliche
Staaten erfreut sich die chinesische Bevölkerung nie zuvor gekannter
Freiheiten."
Koalition der Unterdrücker
Pekings Winkelzug wurde von 22 Staaten unterstützt - darunter
Algerien, Kuba, Libyen und Russland. Allesamt Staaten, die auch eine
brutale Gangart gegen Teile der eigenen Bevölkerung pflegen. "Da hat
sich eine Koalition der Unterdrücker zusammengefunden", analysierte
ein westlicher Diplomat.
US-Präsident Bush, Außenminister Colin Powell und mächtige
Mitglieder des amerikanischen Kongresses hatten sich für eine
Verurteilung der Chinesen stark gemacht. "Die Situation der
Menschenrechte hat sich in China kontinuierlich verschlimmert",
bilanzierte Außenminister Colin Powell.
Die wochenlange US-Kampagne gegen Peking wurde allerdings vor
Beginn der Krise um das amerikanische Aufklärungsflugzeug lanciert.
Washingtons Diplomaten trugen umfangreiches Beweismaterial gegen
Peking zusammen: Schwere Einschränkungen der Versammlungs-,
Religions- und Meinungsfreiheiten. Harsche Repressionen gegen
Oppositionelle, brutale Strafen gegen Verurteilte in den berüchtigten
Gefängnissen, Exekutionen bei vergleichsweise harmlosen Vergehen.
Missmut hatte bei rechten US-Politikern die Position der EU-Länder
ausgelöst. "Ich bin enttäuscht von den Europäern. Sie hätten sich
stärker für eine Verurteilung der Chinesen einsetzen müssen",
kritisierte Christopher H. Smith, einflussreiches republikanisches
Mitglied des amerikanischen Repräsentantenhauses.
Der Kongress wetzt die Messer
Beobachter rechnen jetzt mit einer weiteren Anspannung der
sino-amerikanischen Beziehungen. Im US-Kongress werden schon die
Messer gegen die Chinesen gewetzt. Hardliner im Kapitol könnten
vereiteln, dass die Meistbegünstigungsklausel für den Handel mit
China erneuert wird.
Dadurch würde der angeschwollene Strom von Gütern aus dem Reich
der Mitte in die USA gedrosselt - eine offene Kampfansage an Peking.
Dass die Bush-Administration jedoch zum Krisenmanagement
zumindest bereit ist, lässt sich aus den Äußerungen amerikanischer
Offizieller ablesen. Im Vorfeld der verlorenen Abstimmung erklärte die
US-Botschafterin bei der Uno-Menschenrechtskommission, Shirin
Tahir-Kheli: "Tatsächlich hat die Bush-Administration daran
gearbeitet, dass die Beziehungen zwischen den beiden Staaten
herzlich bleiben."
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