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wuming schrieb am 19.1. 2009 um 01:50:35 Uhr über

Phase

Die erste Phase brach im August 2007 aus, als die französische BNP die Auszahlungen aus drei ihrer Investmentfunds stoppte, weil mit Vermögenswerten hinterlegte und international gehandelte Papiere mangels Nachfrage nicht mehr bewertet werden könnten. Die Zentralbanken reagierten rasch mit hohen Liquiditätsspritzen. Als erste größere Bank wurde die britische »Northern Rock« verstaatlicht.
Eine zweite Phase von September 2007 bis August 2008 begann mit riesigen Verlustankündigen der Investmentbanken UBS und Merrill Lynch und der Rettung des großen amerikanischen Brokers Bear Stearns durch einen von der Fed mit Notfinanzierung unterstützten Aufkauf durch JPMorgan Stanley.
Daran schloß sich etwa im September 2008 die 3. Phase an, in der die riesigen Hypothekenbanken Fannie und Freddie (mit 12 Billionen Dollar Schulden) sowie die größte amerikanische Versicherung AIG von der Fed und daneben Merrill Lynch von der Bank of America gerettet wurden, jedoch Lehman Brothers in Konkurs ging. Die Fed kündigte einen Kreditrahmen von 900 Mrd Dollar für amerikanische Banken an. Ähnliche Maßnahmen wurden in anderen Ländern nötig. Die Lage an der Bankenfront schien damit zunächst einmal beruhigt.
Nun sind wir jedoch seit Beginn dieses Jahres in der 4. Phase mit neuen gewaltigen Unsicherheiten konfrontiert, weil sich die Krise in die Realwirtschaft hineinfrißt und damit die Banken mit weiteren Verlusten erneut in die Mitte des Strudels zieht. Bank of America kündigt jetzt einen Verlust von 2,4 Mrd Dollar an, die noch im Übernahmeprozeß befindliche Merrill Lynch von 21,5 Mrd Dollar und Citygroup von 8,3 Mrd Dollar. Die amerikanische Regierung muß über Bank of America einen Rettungsschirm von 138 Mrd Dollar aufspannen. In Deutschland mußte die Bundesregierung bei der Commerzbank mit 10 Mrd Euro einsteigen. Die Deutsche Bank erklärt einen Verlust von 3,9 Mrd Euro, und Ackermann muß die Deutsche Post - und damit indirekt den Staat - als Großaktionär ins Boot holen.
Alle Indizes der Zinsaufschläge für riskante Papiere im Umfang von Billionen Dollar steigen derzeit steil nach oben: für hochgehebelte Darlehen und selbst im Top-AAA-Bereich für mit kommerziellen Hypotheken oder mit Subprime-Hypotheken hinterlegte Papiere. Dazu stürzt der Export weltweit ab und macht die Exportweltmeister zu den größten Opfern. Als Reaktion der Finanzmärkte auf die wachsende Staatsverschuldung verlieren ganze Länder an Kreditstanding. Die Versicherung von öffentlichen Anleihen durch Credit Default Swaps kostet bei Griechenland und Irland inzwischen bereits 2,6 %, bei Österreich 1,5 % gegenüber nur 0,5 % bei Deutschland.
Man soll es nicht glauben: Selbst mitten in der Krise des Jahres 2008 konnten die berüchtigten Private Equity Heuschrecken weltweit mehr als eine halbe Billion Dollar an neuen Mitteln zusammensammeln, nur 11 % weniger als im Rekordjahr 2007, und haben nun viel trockenes Pulver. Also sind ihnen selbst in der Krise weitere Ersparnisse in gigantischem Umfang zugewachsen. Andererseits werden nun erstmals von amtlichen Stellen grundsätzliche Fragen zur Globalisierung aufgeworfen. So ist nach Ansicht des italienischen Finanzministers Tremonti der »wahre« Kapitalismus in der Krise, weil die Globalisierung mit dem Einschluß Asiens im letzten Jahrzehnt zu schnell, zu früh und mit zu viel Kredit expandierte.
In Deutschland sollen Banken insgesamt noch auf 300 Mrd Euro an besonders giftigen Papieren sitzen, wovon nur ein Viertel offen als Verlust abgeschrieben sein soll. Das ergab eine Umfrage von Bundesbank und Bankenaufsichtsbehörde BaFin unter 20 großen Kreditinstituten, die für das Bundesfinanzministerium erstellt wurde. Das Finanzministerium selbst soll davon ausgehen, daß der gesamte deutsche Bankensektor Risikopapiere mit einer Summe von bis zu einer Billion Euro in den Büchern führt, fast die Hälfte der gesamten deutschen Wirtschaftsleistung eines Jahres. Bankenvertreter fordern nun schon seit längerem die Einrichtung einer Bad Bank, also einer Art staatlichen Mülldeponie für faule Kredite; ohne die Maßnahme könne der Kreditfluss nicht wieder in Gang kommen.
Der deutsche Bundesfinanzminister hat die Gründe der Krise, nämlich die gewaltigen Fluten an auf die Finanzmärkte drängender Ersparnis der Besserverdiener unter Privatpersonen und Unternehmen, auch aus Deutschland, noch immer nicht verstanden. Für ihn ist laut Interview vom 17. Januar in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung alles sehr einfach: die Gier der Banken nach Marge. Er vergißt dabei gern, daß die Bundesregierung selbst die Verbriefung von zweifelhaften Forderungen mit höherer Profiterwartung energisch gefördert hat und daß sie die Ausgründung von Vehikeln der Banken für solche riskanten Papieren außerhalb der von der Aufsicht kontrollierten Bankenbilanzen steuerlich unterstützt hat. Er selbst hat den Abteilungsleiter seines Hauses Asmussen, der sich immer wieder für die Verbriefung öffentlich eingesetzt hat, noch im letzten Herbst zum Staatssekretär befördert, als der Wahnsinn einer solchen Politik längst an den Folgen ablesbar war. Allerdings hat sich auch die CDU/CSU mit der Unterschrift von Frau Merkel seinerzeit in einer parlamentarischen Anfrage an die Schröder-Regierung für die Erleichterung der Verbriefungen stark gemacht. Doch auf ein »mea culpa« werden wir vergeblich warten.



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