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wauz schrieb am 6.3. 2005 um 00:29:08 Uhr über

Zeitarbeitsbranche

Es fing ganz harmlos an. Einst war die Zeitarbeit eine Möglichkeit, gutausgebildete Spezialisten auf Zeit zu beschäftigen, ohne lange organisatorischen Vorlaufzeiten, und ohne die Notwendigkeit, Personal selbst auswählen zu müssen. Entsprechend gut war die Bezahlung. Zeitarbeiter verdienten teilweise mehr als regulär Beschäftigte.
Dann versuchten einige große Industriekonzerne, Tarifverträge zu umgehen, in dem sie Betriebsteile an »Dienstleister« verpachteten. Damit sollte auch der Kündigungsschutz ausgehebelt werden. Als aber Mercedes mit einem solchen Modell juristisch derb auf die Schnauze gefallen war, wurden andere Konstruktionen in Betracht gezogen.
Unter der Regierung Kohl beschloss der Bundestag Gesetze, die die Beschäftigung von Zeitarbeitern fördern sollte, weil die angeblich die Arbeitslosigkeit verringere. Die Zeitgrenzen der Einsatzdauer wurden gestreckt. Und viele weitere »Verbesserungen«. Zeitarbeit verkam von der Spezialisten-Beschäftigung zu einer Art Versklavung von Hilfsarbeitern. Durch teilweise sittenwidrig niedrige Löhne wurden die Beschäftigten zu horrenden Überstunden genötigt. Für viele Zeitarbeiter wurde die 48-Stunden-Woche wieder zur Realität. Sie waren auch ohne direkte Vertretung, weil die Betriebsräte der Kundenbetriebe nicht zuständig waren und die AÜ's (Arbeitnehmer-Überlassungen), wie die die Zeitarbeits-Firmen amtlich heißen, Betriebsratswahlen weitgehend verhindern konnten. Die Gewerkschaften waren eher distanziert, weil die Zeitarbeiter nicht organisiert waren. Die Zeitarbeiter waren distanziert, weil sich die Facharbeiter in den Betrieben, die das Gros der Gewerkschafter ausmachen, ihnen gegenüber ablehnend verhielten. (Das ist heute meist auch noch so!) Eine vertrackte Situation.
Unter der Regierung Schröder gab es zuerst Ansätze, die Situation der Zeitarbeiter zu verbessern. Diese wurden aber in der zweiten Legislaturperiode der rot-grünen Koalition völlig verwässert. Der Ansatz 'Gleicher Lohn für gleiche Arbeit' wurde mit einer absurden Ausnahme zu einem Zwang zu Tarifverträgen umfunktioniert. Ein völliger Witz ist die Idee, dass Zeitarbeiter für sechs Wochen unter Tarif beschäftigt werden dürfen, wenn sie zuvor arbeitslos waren. Immer noch wird in den amtlichen Verlautbarungen behauptet, dass zeitarbeit der Rekrutierung von Festbeschäftigten diene. Die Statistiken strafen diese Behauptungen Lügen. Die Zahl der Zeitarbeiter nimmt stetig zu, die der Festbeschäftigten eher rapide ab. Al noch übler in dieser Hinsicht hat sich aber die zweite Reform der geringfügigen Beschäftigten ausgewirkt.
Was in der aktuellen Diskussion aber völlig untergeht, ist die Tatsache, dass nicht nur die geringfügige Beschäftigung die Sozialkassen um Beiträge beraubt, sondern auch die Zeitarbeit. Die Sozialabgaben werden nämlich auf die Bruttolöhne bezogen bezahlt. Die sind bei Zeitarbeitern erheblich geringer, als bei direkt Beschäftigten, obwohl die Gesamtkosten keineswegs günstiger sind. Ein Industriebetrieb bezahlt für einen Zeitarbeiter unter dem Strich nicht weniger für einen Zeitarbeiter, als für einen regulär Beschäftigten, aber viel weniger dieses betrages fließt in die Sozialkassen. Das ist Lohnraub, denn die Sozialversicherung ist kollektiver Lohn, der an alle Beschäftigten samt ihren Angehörigen bezahlt wird. Schon immer haben die Arbeitenden all das erarbeitet, was verteilt wird. Lohn und Sozialversicherung sind daher noch Almosen gewesen, sondern der Teil des Arbeitsergebnisses, der nicht enteignet wurde.



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