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Mitteilung von geri... (26.8.2011 15:51:32):
>>>>>Peter K. über »Geisteswissenschaftler«

>>>>>[zum Original-Text]
>>>Weil ich mich frage, welcher relevante Unterschied zwischen »Geistes-« und Gotteswissenschaftler existiert. Beide wenden wissenschaftliche Methodiken auf faktisch nicht greifbare, d. h. nicht sinnlich erfahrbare Phänomene des menschlichen Geistes an, operieren also losgelößt von jeder messbaren Realität in Theorie- und Dogmengebäuden, die – zu allem Überfluß – häufig ohne rationales Fundament dastehen. (Die Mathematik sei hier eine Ausnahme.)
>>
>>Da muss ich doch in aller Höflichkeit widersprechen. Meines Erachtens wäre es sehr wohl möglich, zumindest Sozialwissenschaften mittels Empire und Statistik zu untersuchen. Die Interpretation würde das nicht leichter machen, aber es gebe, wie bei den Historikern, ein Fundament aus Fakten, auf das sich jeder berufen könnte.
>
>Wird ja zweifelsohne praktiziert. Mir war vielleicht nicht ganz klar, daß man Soziologie oder Psychologie auch zu den Geisteswissenschaften zählt.

Psychologie und Soziologie definitiv, wobei man Psychologie noch unter Medizin summieren könnte, von der ist die Zuordnung umstritten. Ich habe schon von »Humanwissenschaften« als 3. Typ zwischen Natur- und Geisteswissenschaften gehört.
Hinzu kommen noch die Leute, die Mathematik zur »Formalwissenschaft« machen wollen und/oder Ingeneurswissenschaft abgrenzen usw.
Das Orndungssystem ist letztlich beliebig, je nachdem, was man für ausschlaggebend hält.

>Unter Geisteswissenschaften zähle ich so Sachen wie Literatur-, Politik- und Theaterwissenschaft.

Achtung! Politikwissenschaft hat sehr wohl einen sehr harten Kern. Erstens gibt es eine Reihe von »Klassikern« (Namentlich Locke, Hobbes, Rousseau, Montesquieu, Machiavelli et al.), die jeder Politologiestudent lernt und mit denen er sich auseinandersetzen muss, zweitens hat die Politikwissenschaft ein klar einige unbestreitbare Grundlagen, mit denen sie arbeiten kann, so historische und rechtliche Aspekte über den Aufbau eines Staates, über die Frage der tatsächliche Herrschergewalt usw. (man kann vielleicht darüber streiten, ob der Bundesrat wirklich als 2. Kammer im Sinne des Bikameralismus durchgeht, aber man kann seine Rolle de facto und de jure in unseren Staatswesen zuverlässig charakterisieren), drittens gibt es sehr wohl quantifizierbare empirische Befunde, etwa demographische Daten, über die Zusammensetzung des Parlaments und der Wahlerschaft und ihre Präferenzen und viertens, endlich, hat selbst in der Politikwissenschaft im Zuge der Auseinandersetzung mit den Thesen der sog. »Entscheidungstheorie« zunehmend eine mathematikisierung eingesetzt.
*lufthol*
Zusammenfassen kann man zwar sagen, dass die Politikwissenschaft zwar zu dein »weicheren« Fächern gehört (weil sie ihren gegenstandbereich weder experimentell untersuchen kann, noch axiomatisch wie in der Mathematik vorgeht), dass aber eine gelungene Arbeit auf diesen Gebiet nicht unbedingt weniger Mühe kostete als die auf einen vergleichbaren Gebiet.

Dass es auch unter (angehenden) Politikwissenschaftlern einige Leute gibt, die meinen die Antwort auf alle Fragen gefunden zu haben hängt IMHO mit dem Gegenstand dieser Wissenschaft zusammen: Politik reizt Leute nunmal zu einfachen Antworten. Ich denke aber, dass man dennoich das Fach an sich nicht abqualifizieren kann.

>>Die Mathematik, darauf muss ich ebenfalls bestehen, _hat_ sehr wohl ein rationales Fundament.
>
>Nichts anderes habe ich oben behauptet.

Ich nehme Worte manchmal sehr genau, da verschätzt man sich manchmal.

>Die Geschichtswissenschaft ist ja mit ihren Schriftquellen dann mehr oder weniger an die jeweiligen Auslegungen der Autoren gebunden. Interessant in diesem Zusammenhang finde ich immer wieder das stark umstrittene Bild des Deutschen Zivilisten in der Zeit zwischen 33 und 45. Da reicht die verbriefte Expertenaussage von: »Die Greuel waren für den politisch Uninteressierten nicht erkennbar« bis: »Mit gesundem Menschenverstand mußte jeder erkennen, was vor sich geht.«

Das ist an sich schon richtig, aber dennoch bleibt nicht jede Interpretation gleich plausibel. Es ist nur wesentlich schwerer, das klar herauszuarbeiten.