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Mitteilung von mcnep (24.5.2012 00:07:01):
>Kah über »Allerinnerste«

>[zum Original-Text]
>
>> Ich habe Menschen getroffen, die,
>> wenn man sie nach ihrem Namen fragte,
>> schüchtern – als ob sie garnicht beanspruchen könnten,
>> auch noch eine Benennung zu haben -
>> 'Fräulein Christian' antworteten und dann:
>> 'wie der Vorname', sie wollten einem die Erfassung erleichtern,
>> kein schwieriger Name wie 'Popiol' oder 'Babendererde' -
>> 'wie der Vorname' – bitte, belasten Sie Ihr Erinnerungsvermögen nicht!
>>
>> Ich habe Menschen getroffen, die
>> mit Eltern und vier Geschwistern in einer Stube
>> aufwuchsen, nachts, die Finger in den Ohren,
>> am Küchenherde lernten,
>> hochkamen, äußerlich schön und ladylike wie Gräfinnen –
>> und innerlich sanft und fleißig wie Nausikaa,
>> die reine Stirn der Engel trugen.
>>
>> Ich habe mich oft gefragt und keine Antwort gefunden,
>> woher das Sanfte und das Gute kommt,
>> weiß es auch heute nicht und muß nun gehn.
>>
>> (Gottfried Benn)
>
>

Seine meist späten, ungereimten Gedichte sind großartig, vor Brinkmann fast der einzige Beatnik, den 'wir' hatten. Die gereimten Sachen hingegen sind oft ein wenig peinlich. Rühmkorf hat diesen Stil schön parodiert:

Lied der Benn-Epigonen

Die schönsten Verse der Menschen
- nun finden Sie schon einen Reim! –
sind die Gottfried Bennschen:
Hirn, lernäischer Leim –
Selbst in der Sowjetzone
Rosen, Rinde und Stamm.
Gleite, Epigone,
ins süße Benn-Engramm.

Wenn es einst der Sänger
mit dem Cro-Magnon trieb,
heute ist er Verdränger
mittels Lustprinzip.
Wieder in Schattenreichen
den Moiren unter den Rock;
nicht mehr mit Rattenscheichen
zum völkischen Doppelbock.

Tränen und Flieder-Möven –
Die Muschel zu, das Tor!
Schwer aus dem Achtersteven
spielt sich die Tiefe vor.
Philosophia per anum,
in die Reseden zum Schluß -:
So gefällt dein Arcanum
Restauratoribus.