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Mitteilung von baumhaus (2.6.2012 22:18:59):
Die Leiche über »Weltkommunismus«

[zum Original-Text]

> In Landolf Scherzers unendlich verdienstvollem Reportageroman »Der Erste« über die allgegenwärtigen Mängel der sozialialistischen Planwirtschaft kann man zB nachlesen, daß zB die Produktion von Ketten für Fahrräder, Motorräder, Steuerketten von Motoren usw. zu 100% in der Kettenfabrik Barchfeld, und die von Salzstangen zu 50% in der Keksfabrik Bad Liebenstein – beide im ehemaligen Kreis Bad Salzungen fast in Rufweite voneinander gelegen – konzentriert gewesen war. Fiel da mal der Strom aus oder war die Schnapsversorgung mal wieder besonders gut, konnten alle Unternehmen in der DDR, die auf Ketten angewiesen waren, in die Röhre gucken, was besonders unangenehm war, weil es gleichzeitig ja auch auf einmal 50% weniger Salzstangen für jeden Bürger gab ! Und so ging das überall durch die ganze DDR ! Weil es ja im Sinne marxistischer Ökonomie Blödsinn ist, wenn eine sozialistische Kettenfabrik der anderen Konkurrenz machen würde. Logisch ! Und nun denke man sich so einen Marxismus im Globalen Maßstab vor ! Da ist die Globalisierung ein Scheiss dagegen ! Stellt Euch das doch mal vor, wenn die Kommunistische Weltpartei auf einmal beschließt, daß Speicherchips nur noch in der Chipsfabrik in Ho-Chi-Min-Stadt und Frühlingsrollen nur noch im VEB Teigwarenkombinat Erich-Honecker-Stadt (vormals: Berlin) gebacken werden !

Du wirst lachen, aber so absurd ist das gar nicht. Aktuelles Beispiel ist die Flut in Thailand im Jahr 2011, die ausgerechnet eine Region besonders in Mitleidenschaft zog, in der eine sehr große Fabrik steht. Die Fabrik fertigt ausschließlich kleine, schnelle Motoren, sie ist hochspezialisiert. Die Motoren werden in Computerfestplatten verbaut. Nun gibt es auf der Welt 4 bis 5 Hersteller für Computerfestplatten, die sich den Markt händereibend teilen. Allerdings: Jeder dieser Hersteller braucht diese kleinen, schnellen Motoren – und kauft sie in genau jener Fabrik in Thailand vom Hersteller Nidec, 50 km von Bangkok entfernt. Die Flut setzte die Fabrik fast vollständig unter Wasser, so daß sie nur noch mit 20% ihrer Kapazität produzieren konnte. Was dazu führte, daß im Oktober und November Festplatten plötzlich Mangelware wurden. Die Hersteller bedienten jetzt nur noch die Volumenverträge mit den ganz Großen: IBM, HP, Dell etc. – Groß- und Einzelhandel gingen hingegen leer aus. Was folgte, war natürlich eine Preisexplosion. Hatte eine 1-TB-SATA-Platte von Western Digital im Juni 2011 noch einen Nettopreis zwischen 35 und 50 Euro, war das gleiche Modell Ende November unter 160 Euro nicht mehr zu haben.
Natürlich nutzten die Hersteller den Trend und die Nachrichtenlage aus. Auch als Nidec im Februar 2012 die Produktion nahezu vollständig wieder hochgefahren und sogar in andere Standorte ausgelagert hatte, um den gestiegenen Bedarf decken zu können, waren die Preise noch 100% höher als im Vorjahreszeitraum.

Ähnliches kann jederzeit wieder passieren. Gerade die Hightech-Industrie ist extrem abhängig von Einzelstandorten, da derartige Fabriken immens Kapital binden und somit eher auf Dauer-Überlast als auf Redundanz ausgerichtet sind (will sagen, die meisten Hersteller können es sich schlichtweg nicht leisten, eine Zweitfabrik irgendwo anders aufzubauen, die evtl. gar nicht voll ausgelastet wird).

Wenn man die Computerwelt mal so richt aufmischen wollte (und mit steigender Bedeutung des Themas IT für das tägliche Leben ließen sich hier nette Szenarien denken), könnte man z. B. auch mal Foxconn City »lahmlegen« (ABC-Angriff?). Das Fabrikgelände bei Shenzen ist 3 Quadratkilometer groß, 450.000 Arbeiter sind dort beschäftigt. 40% aller Elektronikkomponenten werden dort zentral gefertigt. Für alle namhaften Hersteller: Intel, Sony, Samsung, Toshiba, Dell, Apple, Cisco, Nokia etc. etc.
Nach einem Totalausfall von Foxconn City würde es erstmal eine Weile lang weder Unterhaltungselektronik noch solche für Rechenzentren geben. Beides würde der rasenden Verbreitung des Internets einen kurzen aber schmerzhaften Dämpfer verpassen.