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Mitteilung von Christine (28.3.2014 08:39:38):
>>>>>>Langzeitarbeitslose erhalten keinen Mindestlohn

>Ich sage es mal so: Geschichte/Kunstgeschichte ist nicht wirklich ein Feld mit großer arbeitsmarktlicher Relevanz. Dazu muss man sagen, dass ich sehr, sehr, lange studiert habe, war eine lustige Zeit, zugegeben. Allerdings habe ich das von Anfang an geahnt, ja, darauf zugearbeitet. Die größten meiner Vorbilder haben ihr Leben auf dem unqualifizierten Arbeitsmarkt zugebracht. Es hat natürlich in der Hinsicht auch nicht geholfen, dass dieser Typ:
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>http://www.geschkult.fu-berlin.de/e/khi/mitarbeiter-gaeste/privatdoz/arnulf/index.html
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>mir nach meinem Abschluss erstmal 1,5 Jahre meine Examensklausur nicht korrigieren wollte, und ich so faktisch bis weit in meine Call-Center-Zeit keinen Abschluss hatte. Hat er wohl vergessen. Die Sekretärinnen im Prüfungsbüro haben mir mehrere E-Mails geschrieben, dass sie leider auch nichts machen könnten, sie hätten mehrere Mahnungen geschrieben, but to no avail etc... Da er bei seinen angeblichen Sprechstunden, für die ich mich teilweise, quasi 'illegal' ('ich habe Migräne! Hilfe!') habe krankschreiben lassen, auch nicht aufgekreuzt ist, er dazu einige meiner E-Mails mit dem lapidaren Spruch: 'bin mir keiner Schuld bewusst! Wer sind sie?' quittiert hat, blieb mir nur der eine Weg:
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>ich hatte schon einen Termin bei der Dekanin ins Auge gefasst, habe aber schließlich vorgezogen, ihn auf der Mailingliste des Instituts öffentlich zu beleidigen. Der 'Shitstorm', der auf mich eingeprasselt ist, war für die Zeit (2009) unglaublich ('ich bin entrüstet und schockiert, dass hier...' war eine der besten Reaktionen der Tweed-Jacket-Fraktion, haha! Ich war richtig stolz!) Naja, Ende vom Lied: er hat mir eine E-Mail geschrieben von wegen 'Ja, uff, das tut mir sehr leid, mir geht es nicht sehr gut etc etc etc." (Habe mir nur gedacht, naja, mir geht es auch manchmal nicht sehr gut, aber eine Unterschrift mit dem Kugelschreiber bekomme ich sogar noch im Delir hin, ah weh, Allmächd!...) Eine Woche später durfte ich mir, wieder unter einem Vorwand krankgeschrieben, mein Zeugnis im Prüfungsbüro der FU Berlin abholen. Hurra! 1,5 aber mittlerweile vollkommen wertlos. Ich habe mich durch ganz Dahlem gelacht.
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>Naja, das ganze war mehr eine Episode, wäre wohl auch nicht anders rausgelaufen, wenn ich dieses 'Zertifikat' umgehend damals ausgehändigt bekommen hätte, aber das war schon dreist. Wenn ich mir da zärtere Gemüter vorstelle...

Kunstgeschichte & Callcenter-Knowhow ... Klingt wie der Beginn eines Romans, um nicht zu sagen eines Drehbuchs. Ich hab gut reden, zumal ich durch meine Berufsunfähigkeitsrente alle Zeit der Welt habe, während meine Chefin eine Stelle nach der anderen ausschreibt, um zu expandieren, aber kaum auf Gegenüber stößt, die sie sich als die idealen Angestellten vorstellt, und Jahre vergehen. Immerhin hatte ich kurz aufgehorcht, als sie ein Gesundheitsmagazin aus dem Boden zu stampfen begann, und meinen Rententräger gefragt, ob ich jetzt kündigen muss, um die Rente nicht zu gefährden, zumal der Job wesentlich weniger als ein Existenzminimum abwerfen würde, zumal bei meiner Restleistungsfähigkeit, die den Arbeitstag auf maximal vier Arbeitsstunden bei nachfolgend zwölf Rekalibrierstunden begrenzt. Meine ständige Alltagsinventur macht mich offensichtlich zunehmend alltagsuntauglich, auch wenn das Stimmenhören dabei erträgliche Ausmaße behält, aber passager extrem aufflammen kann, sobald irgendeine Rentenkürzung droht. Konsequenz: am Dienstag beginnt ein Workshop mit sieben arbeitswilligen Gesundheitsredakteuren, um dann auszuloten, wie es tatsächlich weitergehen kann. Klar, dass ich entsprechend unsicher bin, was meine eigene Zukunftsplanung betrifft, und auch nur unzureichend meinen Kindern beim Studieren Mut machen kann, ja, dass es sogar bedrohlich anmutet, wen ich ihnen vorschlage, für sie da zu sein, um künftige Enkel großzuziehen. Die fünf Jahre Narkose und Reanimation in Highspeed sitzen mir jetzt noch in den Knochen und beunruhigen die Beiden, wenn sie bei ihrer eigenen Planung ohne Reserven rückhaltslos vorzugehen versuchen. Tim ist jetzt soweit, dass er sich nicht mal mehr an der Popakademie für Bass bewerben mag, nachdem ei ein halbes Jahr von acht bis zweiundzwanzig Uhr Erwachsene mit geistiger Behinderung betreut hat. Dabei war das noch vor einem Jahr sein wichtigstes Ziel. Wo beginnt Identität tatsächlich? Wie konstant muss ein Ziel sein, um tatsächlich das eigene Ziel zu sein? Ich beneide Tim um jede Minute mit den geistig Behinderten. Die Arbeit war vor Jahren mein eigenes Ziel, ohne dass ich es je ihm gegenüber so formuliert hätte. Es gibt nur wenig, was klarer strukturiert als diese Arbeit. Dass er sie allerdings gleich so vollständig und umfangreich absolvieren muss, beunruhigt mich schon. Hab inzwischen zu seiner thailändischen Gastmutter Kontakt aufgenommen, zumal er sich an der INALCO für Thai einschreiben will. Nicht, dass wir inzwischen miteinander reden, aber wir tauschen bei Facebook Likes aus. Sie postet inzwischen zu fast jeder gelebten Minute Fotos, wofür ich natürlich dankbar bin, ist es doch der Lebensraum, den Tim ein Jahr lang teilte. Ihn in seinem Wohnprojekt zu besuchen, habe ich noch nicht zuwege gebracht, zumal es in Dijon ist und ich außer WieGehtEsDir und Ja noch nichts auf Französisch sagen kann, was angesichts der Deutschkenntnisse meiner künftigen Schwiegertochter ein gewaltiges Handicap ist. Meinen Vorschlag, sich doch noch in Mannheim für Bass zu bewerben und sie zu bitten, ob sie ihr Philosophiestudium in Mannheim fortsetzen mag, während sie Deutsch für Ausländer belegt, war nicht mal eine Antwortmail wert. Die Perspektive, in Paris zu leben, ist verlockender. Bleibt Französisch zu lernen. Aber das fiel mir schon schwer, als Tim noch zur Schule ging.