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Diese Assoziation ist die letzte eines kleinen Zyklus, die vorigen vier sind hier zu finden:
http://www.assoziations-blaster.de/blast/S%FCndenfall.3.html
http://www.assoziations-blaster.de/blast/Gral.17.html
http://www.assoziations-blaster.de/blast/Prophet.28.html
http://www.assoziations-blaster.de/blast/Jenseits.28.html
Auf geht's:
Ich ging die Treppe nach oben und erreichte schließlich eine verschlossene Tür aus Eichenholz. Ich stand einen Moment lang davor, ohne mich von der Stelle zu rühren; dann klopfte ich schließlich, als nichts geschah, schüchtern an.
»Herein« ertönte es von innen, es war eine sanfte Stimme.
Erst jetzt gewahrte ich, daß die Tür auch eine Türklinke hatte, die ich nun nach unten drückte. Ich betrat den Raum und sah einen älteren Herrn mit einem gut gestutzen grauen Bart und einer Brille an einem schlichten, aber dennoch sehr schönen Tisch sitzen. Ihm gegenüber stand ein noch leerer Stuhl, der offenbar für mich bestimmt war.
»Setz dich, Tommy«, sagte der ältere Herr zu mir. »Es kommt selten vor, daß ich hier Besuch bekomme, aber manche Menschen haben die Angewohnheit, sich auf so sonderbare Weise zu verirren, daß sie schließlich hierher finden.«
»Und Sie sind...?« begann ich zaghaft zu fragen.
»Ich bin der Konstrukteur.«
»Und was haben Sie konstruiert?« hakte ich nach, obwohl ich es mir eigentlich schon denken konnte.
»Nun ja, unter anderem das, was du als das Universum kennst.«
»Dann sind Sie also Gott?« fragte ich nun direkter und mutiger.
»So würden mich wohl viele Menschen nennen. Aber ich mag die Bezeichnung nicht so besonders, zu viele verquere Vorstellungen sind damit verbunden. Konstrukteur ist mir lieber«
Etwas beschämt sagte ich: »Ich hoffe, Sie nehmen es nicht so übel, aber ich war immer überzeugt, daß es Sie gar nicht gibt.«
»Das kann ich gut aushalten«, antwortete der Konstrukteur. »Es ist mir immer noch lieber, jemand zweifelt meine Existenz an, als daß er mir so alberne Eigenschaften und bösartige Charaktereigenschaften andichtet, wie es so viele der Leute tun, die ständig behaupten, daß sie mich verehren würden. Schrecklich!«
»Und Sie haben also die Welt erschaff... äh, ich meine, konstruiert?«
»Ja, ganz recht.«
»Verzeihen Sie meine Neugier, aber wie muß ich mir das so vorstellen. Ich bin also Ihr Geschöpf?«
»Das ist ein etwas irreführender Begriff. Das Konstruieren einer Welt läßt sich für jemanden, der darin wohnt, schwer begreiflich machen, aber ich will mich einer Analogie bedienen. Am besten stellst du dir das ungefähr so vor wie bei einem Ingenieur, der eine Maschine entwirft, sie baut und dann anwirft, um zu sehen, wie sie funktioniert. So ungefähr war es auch: ich habe eine ganze Weile nachgedacht, besonders darüber, wie die Naturkonstanten aufeinander abgestimmt werden müssen, dann kam der Urknall, und ich habe danach das Universum sich allein weiter entwickeln lassen und beobachtet, was daraus geworden ist.«
Eine Frage bewegte mich, doch ich traute mich kaum, sie auszusprechen. Das bemerkte der Konstrukteur allerdings, und forderte mich auf: »Ich merke doch, daß dir eine Frage auf der Zunge liegt, also sprich sie ruhig aus?«
»Wie kommt es, daß Sie gerade so aussehen, wie ein älterer Herr?«
»Offen gestanden, habe ich mich ein wenig gängigen Klischeevorstellungen angepaßt, wie sie auf der Erde üblich sind. Die Bewohner des Planten Gorboramol, auf dem sich auch intelligentes Leben entwickelt hat, haben eine etwas andere bildliche Vorstellung von mir, und wenn einer von denen mal hierherfindet, dann zeige ich mich auch in entsprechender Gestalt. Es ist immer am besten, sich solchen Vorstellungen anzupassen, um den Verstand seines Gegenübers nicht zu überfodern. - Aber ich sehe, daß du noch eine andere Frage auf dem Herzen hast, offenbar eine, die schwerer wiegt.«
»Ja, warum gibt es so viel Leid in der Welt, die sie erschaffen haben?«
Der Konstrukteuer sah einen Moment sehr traurig aus. Dann, nach einem quälend langen Moment des Schweigens, sagte er: "Ich habe mir alle Mühe gegeben, die Welt so gut wie möglich zu entwerfen, aber sie hat eben trotzdem immer noch ihre Mängel. Um die Wahrheit zu sagen, das Universum, das du kennst, ist nicht das erste, das ich konstruiert habe. Ich wollte stets eine vollkommene Welt erschaffen, mit Bewohnern, die sich aus den Gegebenheiten dieser Welt von sich aus so entwickeln, daß sie zu Güte und Weisheit finden. Doch die ersten Welten, die ich erschuf, waren instabil, sie zerfielen nach kurzer Zeit wieder. Dann gelang es mir, Solche Welten zu konstruieren, die zwar Bestand hatten, doch sie blieben leblos, ich hätte ständig von neuem eingreifen müssen, damit doch Leben entsteht, doch es hätte in diesen Welten auf Dauer keine Chance gehabt.
Als ich deine Welt entworfen habe, war ich mir sicher, daß diesmal alles klappen müßte. Und stelle dir meine Freude vor, als alles wunderbar nach Plan lief: die ersten schweren Sterne entstanden, explodierten als Supernovae, und dabei wurden schwerere Elemente bis hin zum Uran gebildet und ins All geschleudert, aus denen dann Planeten wie die Erde entstehen konnten. Ich war sehr zufrieden mit meiner Arbeit, und als auf den ersten geeigneten Planeten das Leben erwachte, war ich außer mir vor Freude.
Zunächst ging auch alles gut, es ging sogar besser, als ich erwartet hatte. Doch dann merkte ich, daß die Lebewesen, als sie zu den einfachsten Formen von Erkenntnis fähig wurden, auch zum Leiden fähig wurden, udn je weiter sie sich entwickelten, desto größer wurde auch ihre Leidensfähigkeit. Als ich den ersten Schmerzensschrei auf einem meiner Planeten vernahm, bereute ich, daß ich wieder eine unvollkommene Welt erschaffen hatte, und erwog sogar, sie zu zerstören, um das Leiden zu beenden. Doch ich merkte, daß die Lebewesen auch von Lebensfreude erfüllt waren, sogar auf diesen damals noch recht simplen Entwicklungsstufen. Da sagte ich mir, daß ich unrecht täte, diesen Prozeß, den ich in Gang gesetzt hätte, nun vorzeitig abzubrechen. Doch es nagt an mir, eine so mängelbehaftete Welt konstruiert zu haben."
»Könnten Sie denn nicht regelnd eingreifen? Es heißt doch, Sie seien allmächtig.«
»Das bin ich eben nicht, und kann es eigentlich auch nicht sein, denn Allmacht ist ein Begriff, der zu logischen Widersprüchen führt. Dennoch muß ich zugeben, daß ich Dinge tun kann, die für die meisten Bewohner des Universums so erstaundlich sein dürften, daß es aus deren Sicht in der Tat so scheinen mag, als wäre ich allmächtig. Tatsächlich aber unterliege ich auch Grenzen, die aber nur schwer zu erklären sind. Aber genau dies wirklich begreiflich zu machen, gehört, so fürchte ich, gerade zu den Dingen, derer auch ich nicht mächtig bin. Ansonsten möchte ich noch hinzufügen, daß ich stets zu vermeiden versuche, an einer bereits konstruierten Welt nachträglich herumzufummeln, dabei kommt meistens nichts gutes heraus.«
Ich versuchte, all das, was der Konstrukteur mir sagte, zu verarbeiten. Schließlich rang ich mich zu noch einer weiteren Frage durch:
»Ich bin auf den Weg zu Ihnen durch das Totenreich gekommen. Der Tod sagte mir, seine Stadt wäre ein Ort des Wartens. Wie bewahren Sie die Geister der Verstorbenen und worauf warten diese?«
»Es gefällt mir, daß du mich danach fragst, Tommy«, meinte der Konstrukteur. »Was deine erste Frage betrifft, so ist es ein wenig wie mit Soft- und Hardware. Laufen kann Software nur auf Hardware, doch man kann sie auch so erst einmal auf einem Datenträger sichern und verwahren. So ähnlich ist es mit der Persönlichkeit. Diese kommt eigentlich auch nicht ohne Körper aus, was ja besonders daran deutlich wird, daß Gehirnschäden die Persönlichkeit verändern können. In der Totenstadt habe ich es nun geschafft, die eigentlichen Persönlichkeiten tatsächlich zu verwahren, zu sichern, abzuspeichern, wenn du so willst. Und damit komme ich zu deiner zweiten Frage. Du hast ja sicher die Einweisungsstellen zu sehen bekommen, diese sollen zum einen dazu beitragen, daß die Personen durch Selbsterkenntnis alles Schlechte von sich abstreifen, auch wenn es bei manchem sicher dauern dürfte. Diese Abwägung hat aber auch einen anderen Sinn: auf diese Weise finde ich die herausragendensten Persönlichkeiten auf allen bewohnten Welten. Den besten unter ihnen habe ich nämlich noch eine Aufgabe zugedacht.«
»Eine Aufgabe?«
»Ja, sie sollen mir bei der Verwirklichung meines letzten Planes helfen: der Schaffung einer weiteren Welt, einer Welt, die wirklich vollkommen sein wird, und in der es kein Leid mehr geben wird, keinen Tod und keine Mängel, und damit auch kein Böses mehr, da das Böse aus dem Mangel entspringt. Ich lerne von meinen Konstruktionen, und so will ich mit en großartigsten Geistern, die meine Welt hervorgebracht hat, zusammen die letzte, die eigentliche Welt konstruieren. Und wenn diese gelingt, dann werden auch die Geister der Verstorbenen, sobald sie reif dafür sind, sie betreten dürfen und dort ein neues und besseres Leben erhalten. Sie werden nicht alle zur gleichen Zeit kommen, aber ich hoffe, daß eines Tages die Stadt des Todes unbewohnt sein wird und alle Eingang in meiner neuen Welt finden werden.«
Ich schwieg lange. Schließlich sagte ich: »Sie kennen die Menschen. Halten Sie es für klug, daß ich zu Hause von meinen Erlebnissen erzähle?«
»Auf keinen Fall«, meinte der Konstrukteur. »Im für dich ungünstigsten Fall würde man dich umbringen, ich günstigsten würdest du eine neue Religion begründen, und von denen gibt es ohnehin schon viel zu viele. Aber du könntest es so erzählen, als ob es sich um eine erfundene Geschichte handelt.«
»Das ist eine gute Idee!«
»Meine Ideen sind meistens gut«, sagte der Konstrukteur mit einem verschmitzten Lächeln. »Aber jetzt wird es Zeit, daß du nach Hause kommst. Schließ einen Moment die Augen.«
Ich tat es...
...und als ich sie wieder öffnete, befand ich mich an meinem Schreibtisch, den Kopf über einem Buch. Der Wecker piepte und teilte mir so mit, daß mein 18. Geburtstag begonnen hatte.
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