>Info zum Stichwort Linke | >diskutieren | >Permalink 
wauz schrieb am 12.8. 2005 um 20:42:51 Uhr über

Linke

Was die Linken (eine einheitliche Linke gibt es nämlich nicht) in der BRD angeht, so besteht derzeit ihr Hauptproblem im Bruch mit der organisierten Arbeiterbewegung. Die Veränderung der ökonomischen Bedingungen in der BRD seit den 60erJahren gingen einher mit einer Veränderung der Milieustrukturen. Der große Bedarf an technisch-administrativer Intelligenz in den 60ern erforderte eine Öffnung der Hochschulen für weite Kreise. So kamen Kinder aus Unterschicht- und Mittelschicht-Milieus an die Universitäten und Hochschulen, was bekanntermaßen politische Folgen hatte. Aus diesem »Aufbruch der 68er« entwickelte sich in der BRD das links-alternative Milieu, das mehrheitlich hochschulgebildet war. Logisch, dass diese gut ausgebildeten Leute auch an entsprechend gut bezahlte Posten kamen. Nun bestimmt aber bekanntermaßen das Sein auch das Bewusstsein mit. Also spaltete sich das Milieu wieder auf. Politisch kann man das ganz gut an der Entwicklung der grünen Partei zu einer zweiten FDP nachvollziehen. Aus dem kleinen Rest des links-alternativen Milieus entstanden (teilweise) die Autonomen, die aber aufgrund ihrer Unwilligkeit, sich zu organisieren und oft auch durch einen Mangel an Bildung keinen gesamtgesellschaftlichen Einfluss haben.
Die organisierte Arbeiterbewegung hat es bisher weitgehend verpasst, sich an die neuen Strukturen anzupassen, so dass ihre Basis schmäler geworden ist. Dazu kommt, dass die Gewerkschaften mehrheitlich von Sozialdemokraten geführt werden, die sich nicht trauen, gegen den Kurs ihrer Partei anzutreten (oder das nicht wirklich wollen). Die sozialdemokratische Partei aber ist in den 70er und 80er Jahren von eben diesen studierten »68ern« übernommen worden. Da sie auch in das neue technokratische Milieu hineinwuchsen, haben sie sich von ihren Wurzeln entfernt, eine auf kleinbürgerlicher Ideologie fußende Politik eingeschlagen und damit die Arbeiterbewegung letztendlich paralysiert. Dazu noch kam die Krise der kommunistischen Partei, die sich in den 80ern ganz dem Kampf um Abrüstung verschrieben hatte und dabei versäumte, die politisch-ökonomischen Veränderungen programmatisch aufzuarbeiten. Das führte 1988 zum faktischen Zusammenbruch der Partei, der dann noch durch den Umsturz in der DDR zementiert wurde.
Dieser Umsturz in der DDR und die darauf erfolgende Vereinigung hatte in Ost und West geradezu dramatische Folgen. Im Osten erwies sich, dass die bislang regierende SED keineswegs die kommunistische Partei gewesen war, für die man sie im Westen gehalten hatte. Nur etwa 3 Prozent der Mitglieder waren in ihren Überzeugungen waschechte Kommunisten, weitere 30 Prozent waren wackere Sozialdemokraten. Zwei Drittel der Mitglieder erwiesen sich einfach als karrieregeile Kleinbürger, die sich eilig aus dem Staube machten, als es nichts mehr zu gewinnen gab. Immerhin konnte die PDS einen Teil des vorher beträchtlichen Parteivermögens retten, was es ihr ermöglichte, als links-sozialdemokratische Partei lokale Interessensvertretung zu betreiben. Allerdings mit einem Hang ins technokratische Milieu, mit all den damit verbundenen weltanschaulichen Konsequenzen.
Im Zuge der »Wiedervereinigung« wurden weite Teile der DDR-Industrie vernichtet, mit katastrophalen Auswirkungen für die Industriearbeiter und den in der Landwirtschaft Beschäftigten. Der formal sehr hohe Organisationsgrad der Arbeiter fiel durch die Arbeitslosigkeit drastisch ab. Die verbliebenen Reste wurden von den West-Organisationen geschluckt. Illusionen über die Kampfkraft der Gewerkschafter im Osten seitens der Westler und über die Schwierigkeit von Arbeitskämpfen seitens der Ostler führten zu argen Frustrationen auf beiden Seiten. Dazu kam ein definitiv unsolidarisches Verhalten einiger Gewerkschaftsverbände aus dem Westen. Vor allem die IGMetall, Bezirk Küste, und der VW-Betriebsrat traten hier übel in Erscheinung. Derzeit scheint sich zu bestätigen, was viele Metaller bei VW schon lange unter der Hand sagten: der Betriebsrat war gekauft.
Die Linken im Westen bestanden natürlich nicht nur aus dem linken Flügel der Arbeiterbewegung, dem allerlinkesten Flügelchen der SPD, sondern eben auch aus der DKP und den sogenannten sozialen Bewegungen. Es erwies sich, dass die jetzt zusammengebrochene Deutsche Kommunistische Partei, die in Resten noch existiert und versucht, sich zu berappeln, das organisatorische Rückgrat der meisten dieser Bewegungen gewesen war und die DDR indirekt eine große Menge materieller Ressourcen bereitgestellt hatte. Der Wegfall dieser Ressourcen traf gerade die wenig organisierten Bewegungen, die sich ja vorher gar nicht bewusst darüber gewesen waren, in welcher Weise sie unterstützt worden waren. Viele vorher Aktive setzen sich jetzt in die Frustecke, ein anderer Teil war mit der eigenen Karriere beschäftigt oder musste sich einfach von den sieben Jahren Dauer-Kampagne der Friedensbewegung (1981-88) erholen. Im Ergebnis kann man sagen, dass die Massenbasis der sozialen Bewegungen sich faktisch aufgelöst hatte.
Mit dem Verschwinden der Politik von der Straße setzte auch in der SPD eine politische Lethargie ein. Diskussionen gab es allenfalls noch auf Vorstandsebene. Dies ermöglichte es Gerhard Schröder als Bundeskanzler mit Unterstützung von Joseph Fischer von den Grünen, in einer Art Putsch von oben eine Politik durchzudrücken, die die Politik seines »konservativen« Vorgängers im Amt, Dr. Helmut Kohl, weit rechts überholte. Wo Kohl die Verfassung hintergangen hatte, da brach sie Schröder offen. Die SPD wurde zu einer Mobbing-Maschine umfunktioniert, die jede Kritik ersticken sollte. Das funktionierte eine ganze Weile sehr gut. Die Unionsparteien sekundierten ihm mit noch radikaleren Forderungen nach Sozialabbau und Kürzung des Lebensstandards, so dass nicht auffiel, dass Schröder das durchsetzte, wozu vorher die Union und die FDP nicht in der Lage waren. Gleichwohl waren immer mehr Menschen links von der Mitte mehr und mehr enttäuscht, was sie dazu brachte, bei Wahlen einfach zu Hause zu bleiben. So gewann die CSU bei einem Anteil von einem Drittel der Stimmen der Wahlberechtigten eine 60% Parlamentsmehrheit bei der Landtagswahl Nach dem selben Muster verlor die SPD die Mehrheit im Parlament von Schleswig-Holstein und ging mit der CDU eine große Koalition ein. Bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen gewann die CDU erstmal absolut an Wählerstimmen hinzu und sicherte sich so mit Pauken und Trompeten die Regierungsmacht. Das veranlasste Gerhard Schröder, mit einem Trick den Bundestag auflösen zu lassen, um vorzeitig Neuwahlen zu erreichen.
Das war das Signal an die linke Sozialdemokratie, sich wieder zu rühren. Es scheint so, als hätte Schröder dies auch erreicht, allerdings in anderer Art, als er sich das gedacht hat. Linke Gewerkschafter hatten im Westen schon eine neue sozialdemokratische Partei gegründet, die Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG). Diese versucht jetzt, ein Bündnis für die bevorstehende Bundestagswahl mit der PDS aufzubauen, die sich dafür in »Die Linkspartei« umbenennt. Aus wahlrechtlichen Gründen kann nur die PDS kandidieren, so dass die PDS bundesweit antritt, aber viele Mitglieder der WASG (und auch anderer linker Parteien) auf den Listen stehen.
Wie man sieht, ist die Linke derzeit damit beschäftigt, wieder so etwas wie eine sozialdemokratische Partei aufzubauen. Möglich, dass das gelingt, aber es ist fraglich, ob es so viel bringt. Es fehlt einfach an so etwas wie einer weltanschaulicher Vorhut, die die Richtung anzeigen könnte. Eine Linke ohne Arbeiterbewegung verfällt in anarchistisches Klein-Klein, eine Arbeiterbewegung ohne Kommunisten wird ein kleinbürgerlicher Wohlstandsverein. Wenn die Linke in Deutschland wieder etwas werden will, braucht sie eine Neo-kommunistische Partei.



   User-Bewertung: 0
Juppheidi-Juppheida!

Dein Name:
Deine Assoziationen zu »Linke«:
Hier nichts eingeben, sonst wird der Text nicht gespeichert:
Hier das stehen lassen, sonst wird der Text nicht gespeichert:
 Konfiguration | Web-Blaster | Statistik | »Linke« | Hilfe | Startseite 
0.0138 (0.0023, 0.0101) sek. –– 881397820