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gats schrieb am 19.5. 2003 um 02:14:33 Uhr über

Brüssel


Judgement day in Brüssel?

Goedart Palm 15.05.2003

Freiheitsheld Tommy Franks als Beschuldigter im belgischen
Ermittlungsverfahren

Nach Ariel Sharon und George Bush I. hat es nun auch Golfkriegssieger Tommy
Franks erwischt. Mehrere Iraker und Jordanier haben bei der Staatsanwaltschaft in
Brüssel um Strafverfolgung gegen den obersten
US-Truppenchef nachersucht. Der Befreier des Irak soll Kriegsverbrechen
begangen haben. Die Anzeigeerstatter, vertreten durch den
linken Rechtsanwalt Jan Fermon, sind durch Bombardements und andere Angriffe
auf Zivilpersonen Betroffene bzw. deren Angehörige.
Vorgeworfen wird den Besatzungsmächten, dass sie
Plünderungen zugelassen, zivile
Infrastruktur bombardiert, Streubomben
eingesetzt ( Bilder von Opfern) und wahllos auf
Zivilisten bei der Einnahme von Bagdad geschossen hätten (z.B.
Beschuss eines Krankenwagens.






Pressekonferenz
am 14.5.
in Brüssel,
auf der die
Anklage
vorgetragen
wurde.
Foto:
www.solidaire.org
- Salim
Hellalet




Die Drohung, die belgische Justiz könnte gegen Franks ermitteln, löste bereits unmittelbare
Erregungen in Washington aus. Dass nun ausgerechnet das Nato-Hauptquartier in Brüssel
zukünftig zum juristisch verminten Gelände wird, stellt für Stabschef
General Richard Myers eine »sehr sehr ernste Situation« dar, die diplomatisch umgehend
bereinigt werden müsse. Möglicherweise könnte der NATO-Standort Belgien ganz
gestrichen werden.





Well, the lawsuit that was lodged is ludicrous. The charges deserve contempt,
and frankly, no comment. We have been through this before. We certainly expect
that the Belgian Government will take the necessary action to dismiss the
lawsuit under its laws. As we have also said before, the Belgian Government
needs to be diligent in taking steps to prevent abuse of its legal system for
political ends.
Philip T. Reeker, Sprecher des US-Außenministeriums


Ob diese üblichen Drohgesten angesichts der belgischen Rechtslage allerdings viel
fruchten, steht dahin. Denn nach belgischem Recht können weltweit Kriegsverbrechen in
Belgien geahndet werden. Dieses Gesetz ist allerdings vor nicht allzu langer Zeit auf den
Druck Amerikas hin insoweit entschärft worden, dass eine von der Staatsanwaltschaft für
zulässig erachtete Klage entweder an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag
oder an die jeweilige Landesjustiz weiter zu reichen wäre. Die Anklage kann auch für den
Fall zurückgewiesen werden, dass die Betroffenen keine Inländer sind.

Einerlei, für Washington ist das politische Justiz, die Belgien als Reiseland kaum mehr
zulässt, weil im Fall der Fälle selbst mit Festnahmen zu rechnen wäre. Schon zuvor hatte
sich Israels Justizminister Meir Schitrit im Fall des Verfahrens gegen Ariel Sharon
darüber erregt, dass »diese kleine und unbedeutende Nation« sich als "Richter für die
ganze Welt" aufspiele. In der Tat ist Belgiens Kampf gegen das Verbrechen nicht ohne
Ironie, hat sich doch die Strafrechtspflege vor der eigenen Haustür im Fall des
Dutroux-Kinderschänderprozesses bisher als erheblich weniger schneidig erwiesen.



»Beweisfotografie« der
belgischen Klage




Doch solche vermeintlichen Ärgernisse könnten sich in Zukunft nicht nur in Belgien
abspielen. Denn in der Bundesrepublik Deutschland besteht seit dem 30. Juni 2002 als
Ausfluss des Weltrechtsprinzips ein Völkerstrafgesetzbuch, das auch
der deutschen Justiz verbesserte Möglichkeiten an die Hand gibt, Völkerrechtsverbrechen
zu ahnden. Ohne Bezug zu Deutschland, unabhängig vom Tatort oder der Nationalität von
Täter und Opfer können danach Verbrechen gegen die Menschlichkeit und
Kriegsverbrechen hier zu Lande bestraft werden.

Amerika täte also gut daran, vor Besuchen von hochrangigen Kriegsbeteiligten in
Deutschland nachzufragen, ob nicht gerade irgendwelche Ermittlungsverfahren gegen
siegreiche US-Kriegsherren anhängig sind. Staatsanwälte wären während solcher
Staatsbesuche ausnahmslos zu beurlauben. Denn nicht auszudenken, was passiert, wenn
gegen Bush II. Haftbefehl erginge und vollzogen würde. Das dürfte dann das endgültige
Ende der deutsch-amerikanischen Beziehungen sein, von weiteren Folgen ganz zu
schweigen.

Allzu wahrscheinlich ist das Szenario indes nicht, hat sich Deutschland doch im Rahmen
des § 6 StGB, der auch dem Weltrechtsprinzip folgt, bisher äußerst zurückhaltend in der
Verfolgung solcher Straftaten gezeigt. Auch Belgien wird die heiße Kartoffel, die sich in
eine politische Mega-Streubombe verwandeln könnte, insbesondere nach der
Novellierung des Gesetzes wohl fallen lassen oder weiterreichen. Bliebe das Glück,
wenn vielleicht auch nicht das Recht, also weiterhin auf der Seite von Tommy Franks,
dem Helden.
















Kommentare:
Werden sie aber nicht.... (aknrw, 15.5.2003 2:30)
mag sein - (condiklaus, 15.5.2003 2:18)
ich glaube kaum..... (Pincinato, 15.5.2003 2:06)











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last modified: 15.05.2003
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