und dazu noch einmal die dreifache Summe an staatlichen Subventionen kassiert. Die Bilanzen des Unternehmens wiesen bis zum Vorjahr rund eine halbe Milliarde Euro Gewinn aus. «Mit dem Geld bauen sie jetzt das Hightech-Werk in Otrokovice in der Slowakei, weil die Aktionäre den Hals nicht voll kriegen», protestiert Guttmann - und offenbart mit wenigen Worten die klare Machtverteilung zwischen modernen Konzernführern und ihren Mitarbeitern in aller Welt.
Denn die Reifenjobs verschwinden keineswegs ersatzlos. In Tschechien, der Slowakei und Rumänien, wo bis zu 90 Prozent weniger Lohn gezahlt wird, sind längst neue große Werke im Aufbau. Weltweit beschäftigt der Konzern knapp 60000 Mitarbeiter an über 135 Standorten von China bis nach Argentinien. Mindestens zwei Drittel der Reifenproduktion sollen künftig an Niedriglohnstandorten gefertigt werden - aus Sicht des Konzernvorstands ein «unvermeidlicher Schritt». Der globale Wettbewerb schreibt die Spielregeln.
Gegenwehr ist zwecklos, glaubt selbst der deutsche Conti-Betriebstat Michael Deister. Der (4Wettlauf nach unten» habe schon «vor Jahren begonnen». Erst kommen die Schließungsdrohungen, dann mache eine Belegschaft Angebote zur Kostensenkung, anschließend frage der Vor1
stand be' den anderen Werken an: «Und was habt ihr anzubieten?» Irgendwann sei dann eben Schluss. «Hochkostenstandorte» seien nur mit «Hochqualitätsprodukten» zu halten, weiß Deister, normale Reifen zählen nicht dazu. Würden diese Werke nicht geschlossen, (4dann wäre der ganze Konzern in Gefahr». «Aber wo führt das hin?», entgegnet Deisters Betriebsratskollege in Österreich bitter. Ganze Regionen sieht er «zum Armenhaus verkommen», und der Rest müsse «arbeiten wie in Amerika: halber Lohn, doppelte Arbeit. Das soll die Zukunft Europas sein?»
Warum nicht? Es gibt Schlimmeres. Die Argentinier etwa haben solche Überlegungen längst hinter sich. An ihrem Frontabschnitt der Globalisierung geht es für viele Millionen nur noch um Nahrung und Unterkunft für den nächsten Tag.
Buenos Aires, 12.113. Dezember 2001: Ohrenbetäubender Lärm aus Hunderttausenden aneinander geschlagenen Topfdeckein, aus Autohupen und Sirenen schallt durch die Straßen. Der Lärmprotest, einst
20
eine Aktionsform gegen die Diktatur der Generäle, ist d Generalstreik, dem neunten schon innerhalb der ver Jahre. Taxis und Lastwagen von Streikbrechern brenne Familien plündern Supermärkte, Bankfilialen gehen in Die Flughäfen sind geschlossen, Busse und Bahnen s Müll stapelt sich auf den Straßen.
Massive Lohnkürzungen, über 30 Prozent Arbeitslo der Rentenzahlungen und der Zusammenbruch des ösundheitswesens treiben die Menschen des einst siebtre der Welt zur Verzweiflung. Mit wachsender Wut stem gentinische Bevölkerung in immer neuen Protestwel wirtschaftlichen Niedergang ihres Landes.
Der ist das Resultat einer marktradikalen Wirtscha rungspolitik im Dienste der Privilegierten. Wder all Vernunft hatte ein Bündnis aus Technokraten des 1 Währungsfonds und machtversessenen argentinischen argentinischen Peso seit zehn Jahren im Verhältnis eins Kurs des Dollar geknüpft. Für jeden umlaufenden P Dollar Devisenreserve aus Exporteinnahmen auf den K tralbank gebucht sein. Damit war der
1 Festkurs obje Diese Strategie bremste zwar die Inflation. Doch gleic
die Importzölle drastisch gesenkt, und in der Flut d Waren ging die heimische Produktion in die Knie. D Geldverkehrs öffnete zudem der Kapitalflucht der Pri und Tor. Jahr für Jahr flossen zweistellige Milliardenb ten im Ausland.
Der Urheber der «Schocktherap,e», ein Marktfun Harvard-Diplom namens Domingo Cavallo, war sechs j schafts- und Finanzminister und erfreut sich bei der g ndustr'e höchster Wertschätzung. Denn parallel zur Landes an den permanenten Währungsschock hat sein den gesamten Staatsbesitz privatisiert. Telefonunterne schaften, Banken, große Teile der staatlichen Infrastr Fernstraßennetz, gingen zu Schleuderpreisen an privat über und liegen nun großteils in ausländischer Hand.
Um auch nach dem Ende des Ausverkaufs und tr
|