Hier ein gelungender Auszug zum Thema Dummheit aus einem Community-Forum dessen Beiträge auf einer Oracle-Datenbank abgelegt werden und daher für Google nicht greifbar sind:
Quelle: http://www.puschkin.de
Forum: Kritik und Anregungen
Author: Liberty
Zeit: 05.01.2002 23:01:48
Betreff: Das Absude in der Dummheit
Dummheit sei harmlos, weiß der Volksmund zu berichten.
Wenn sich der Volksmund da man nicht getäuscht hat. Die Welt wäre an sich ganz in Ordnung, wenn jeder wüsste, wo sein Platz ist. Jeder halbwegs intelligente Mensch wird immer mit Demut seinen ihm mehr oder weniger zufällig nachgeworfenen Fähigkeiten gegenüberstehen, Gott, an den ein vernunftorientiertes Wesen nur mit Mühe oder aus Leichfertigkeit glauben kann, dafür danken und sich selbst stets mit einem gewissen Argwohn, fromm Zweifel genannt, gegenüberstehen.
Der dumme Mensch dagegen ist beim Beworfenwerden gewöhnlich mehr oder weniger zu kurz gekommen. Er verfügt nicht einmal über die Fähigkeit, sich selbst gegenüberzustehen, geschweige denn mit Argwohn. Der dumme Mensch lebt in einer beneidenswerten Gewissheit: was er denkt, kann gar nicht anders sein und Toleranz bedeutet für ihn nicht etwa anderer Leute Gedanken hinzunehmen, sondern sich notgedrungen und vorübergehend mit dem abzufinden, was er irgendwie nicht begreift.
Das fällt ihm schwer, Ungewissheit grämt ihn doch sehr, sie erzeugt in ihm ein Gefühl des Ausgeliefertseins. Der dumme Mensch kennt wenige Zustände zwischen vollkommener Glückseligkeit und blankem Leiden und wer will schon gerne leiden ? So versucht der dumme Mensch sich Gewissheit über das Unverstandene zu verschaffen.
Der halbwegs intelligente Mensch freut sich an seiner Unzulänglichkeit und an seinem Unwissen, bietet es doch ein stetes Betätigungsfeld für Neugier und die vorübergehende Befriedigung notorisch unstillbarer Wissbegierde.
Der dumme Mensch versucht nun, sein Unverständnis dadurch zu beseitigen, dass er sich die Welt dort erklärbar macht, wo sie es nicht unaufgefordert von selbst tut. Was für ein titanenhaftes Vorhaben ! Seit Jahrtausenden versuchen sich ungezählte Geister daran und ausgerechnet die Dummheit soll nun das Heil bringen.
Es ist kaum zu glauben, aus der Sicht des dummen Menschen gelingt das zunächst ziemlich mühelos. Die Welt ist, wie der dumme Mensch sie sieht. Doch immer wieder treten Leute in sein Blickfeld, die die Welt ganz anders sehen und Dinge erkennen, von denen der dumme Mensch zwar ahnt, dass es sie gibt, die ihn mit Sehnsucht erfüllen, die er aber nicht wahrzunehmen vermag, es sei denn, man stößt ihn mit der Nase drauf, auf das, was er so gerne haben möchte, das Bewusstsein, auch und gerade über sich selbst.
Nun wäre es dem dummen Menschen sicherlich hilfreich, wenn er die Erkenntnisfähigkeit anderer Leute, die wenigstens halbwegs intelligent sind, nutzen würde, um das zu erkennen, was er alleine nicht sieht. Jeder Mensch, der Auto fahren will, macht schließlich erst mal einen Besuch in der Fahrschule und aus manchen werden sogar Rennfahrer. Für den dummen Menschen dagegen ist die geistige Kraft anderer Menschen eine Bedrohung. Er empfindet sie als Versklavungsversuch.
Niemand würde auf die Idee kommen, sich von einem Klempner versklavt zu fühle, weil er selbst nicht so gut mit der Heizung klar kommt, der dumme Mensch dagegen reagiert erstaunlicherweise so.
Sobald er eine zu große Nähe zu mental fortgeschrittenen Menschen spürt, fängt er an zu fremdeln. Er hat Angst, gedanklich heimatlos zu werden, nicht wissend, dass seine Heimat ein nur schwer bewohnbares und nur mit Kunstdünger kultivierbares Stück Ödland ist.
Der dumme Mensch schottet sich reflexhaft aus Furcht ab, seine brüchigen geistigen Gaben ganz zu verlieren. Seine Vorstellungskraft reicht nicht aus, einen Lernprozess auch dann als fruchtbar zu erkennen, wenn er voraussetzt anzunehmen, dass der Lehrende mehr auf dem Kasten hat als er selbst. Mit diesem Paradoxon verbaut er sich so ganz nebenbei auch von vorneherein jeden Wissenszugang.
Wo bei dem halbwegs intelligenten Menschen der Zweifel einsetzt, da meldet sich an dieser Stelle das bereits beschriebene Nagen der Ungewissheit, denn der dumme Mensch hätte ja gerne immer recht, aber wissen tut er auch das nicht.
Also entsorgt er die in diesem Prozess periodisch auftretenden Schübe termitenhaften Wirkens in seinem Inneren durch Bollwerke kurzgedachter Eigenkonstruktionen. Der dumme Mensch ist ja nicht wirklich jeden Denkens unfähig, er setzt es nur grundsätzlich falsch ein.
Der dumme Mensch kann in seiner tunnelartigen Weltsicht nicht nicht denken, sondern er wird „vom Denken ausgeschlossen“ oder er meint, halbwegs intelligente Menschen wollten ihn gar vertreiben, dabei weiß jeder halbwegs intelligente Mensch, dass man der Dummheit nicht dadurch Herr wird, dass man sie vertreibt, denn dann taucht sie erstens woanders auf und zweitens wäre das Land dann ziemlich menschenleer.
Während der halbwegs intelligente Mensch also nach dem Licht der Erkenntnis strebt und bisweilen sogar vom Balkon eines Elfenbeinturms ein Bad in der Sonne des Wissens nimmt, so haust der dumme Mensch hinter dicken Mauern aus Vorläufigkeit im Halbdunkel der Menschheitsgeschichte, ständig im Eindruck der Bedrohung durch die Erkenntnisse der Armseligkeit seines Daseins.
Mit aller ihm zur Verfügung stehenden Macht vermint er sein Terrortorium, das, was er als seinen Ausdruck von Selbstverwirklichung wahrzunehmen meint. Jede Annäherung von Leuten, die nicht seines Schlages nennt, bekämpft er mit dem gedanklichen Kurzschluss, dass die nur gekommen seien, ihn zu versklaven und ... der Lächerlichkeit preiszugeben, wie er es nennt.
Jeder Psychologiestudent im zweiten Semester, der heutzutage noch das Glück hat, sich mit Freud beschäftigen zu dürfen, weiß, dass wir es hier mit dem Phänomen des Spiegelns zu tun haben: das, wovor der Dumme am meisten Angst hat, unterstellt er anderen als Motiv deren Handelns, um es auf diese Weise von sich fernzuhalten.
Natürlich wissen wir, dass jeder halbwegs intelligente Mensch viele andere Dinge weitaus lieber macht, als andere der Lächerlichkeit preiszugeben, erweckt es doch immer ein gewisses Gefühl der Peinlichkeit, in der Nähe solcher Menschen beobachtet zu werden. Hier nun liegt die große Chance des dummen Menschen, denn in dem er Peinlichkeit mit seiner mentalen Resistenz vermittelt, hält er instinktiv diejenigen von sich fort, die seine brüchige Eigenkonstruktion von Welt gefährden könnten. Der dumme Mensch sucht nicht den Austausch oder den Dialog, sondern das Abreiten von zeit im Kreise seinesgleichen. Das ist es, was er als Erfüllung seines Daseins begreift und gibt ihm den verheißungsvollen Arbeitsbegriff »Spaß«.
Der halbwegs intelligente Mensch mag denken, Dummheit könne in diesem Ausmaß von Absurdität gar nicht sein, doch die Realität stampft mit dem Fuß auf und brüllt lauthals »aber klar !«.
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