»Tue Gutes, und sprich darüber!« Diesen Spruch hatte der Gutmensch über seiner Bettstatt hängen. Heute braucht er ihn nicht mehr - er hat ihn verinnerlicht.
Das Schlimme, das geradezu Widerwärtige am Gutmenschen ist nicht, daß er eine ethische Gesinnung hätte, oder Gutes täte. Das ekelerregende besteht in der Penetranz mit der er sich selbst lobt, und über seine Mitmenschen hinaushebt; das Anstößige am Gutmenschen ist der aufblasbare Denkmalssockel, den er unterm Arm trägt, und ihn bei jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit besteigt. Auf dem Denkmal steht: »Dem Guten, Wahren, Schönen!« und in einer entsprechenden Pose präsentiert der Gutmensch sein Gutsein, wie ein bodybuilder seine Muckis.
Natürlich macht er das nicht auf direktem Wege - das wäre ja unhöflich. So sagt der Gutmensch nicht: »Ich bin besser als Ihr alle zusammen, weil ich war in Heiligendamm, und habe etwas gegen G8 getan, unter Einsatz meiner Freizeit, meines Gelds - und ihr ? Bewundert mich gefälligst und schämt Euch !« - Das denkt der Gutmensch nur für sich im Stillen. In der Öffentlichkeit sagt er vielmehr etwa: »Was habt Ihr eigentlich gegen den G8-Gipfel unternommen?« Womit schon ein jeder angeklagt ist, der nichts gegen den G8-Gipfel unternommen hat. Das wichtigstee ist natürlich die ersehnte Gegenfrage der Zuhörer an den Gutmenschen ist: »Und Du?«. Dann ist die große Stunden des Gutmenschen gekommen, der sich zurücklehnt, die Hände über dem Rippenbogen zusammenfaltet, und mit nur leicht erhobenem Kinn, ernster Miene, mit leiser und zugleich fester Stimme sagt: »I C H war natürlich dort und I C H habe demonstriert.«
Der Gutmensch ist nicht gut - er ist schlicht das, was die Bibel den Pharisäer nannte.
Die Eitelkeit, mit der er seine Gutheit zur Schau stellt, kennt ebenso keine Grenzen mehr, wie er nicht mehr den geringsten Zweifel daran hegt, was Gut ist und was nicht: der Gutmensch sucht keine Wahrheit mehr - er hat sie längst gefunden.
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