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In einer verlassenen Kleinstadt stand ein altes Modehaus, dessen Schaufenster staubig und schmutzig war. Man sagte, der Laden habe früher Menschen in Träume geführt, doch niemand wagte sich nachts hinein. Eines Abends beschloss eine neugierige, junge Frau, dem Gerücht auf den Grund zu gehen.
Als sie die Tür öffnete, empfand sie den Geruch von vergessenen Stoffen und Moder, gemischt mit einer stechenden Note von Metall. Der Boden knarrte unter ihren Schritten, und ein schwaches Licht flackerte aus dem Hinterzimmer. Hinter einer Glasvitrine lagerten seltsame Kleidungsstücke, die wie Augen wirkten, wenn man sie betrachtet. Unter dem Spiegel hing ein einzelner, schwerer Mantel—dunkel wie Mitternacht, doch der Stoff schimmerte wie kalter Atem.
Als sie den Mantel berührte, hörte sie ein leises Zischen, fast wie ein geflüstertes Versprechen. Der Raum begann sich zu dehnen, die Wände atmeten, und die Stiefelspuren auf dem Boden wichen, als ob unsichtbare Füße ihnen nachgingen. Die Luft zog sich zusammen, der Geruch von Verlassenseinheit und altem Leder wurde intensiver. Plötzlich hörte sie ein Rascheln hinter dem Vorhang und sah schemenhafte Gestalten, die aus dem Stoff zu kriechen schienen.
Der Mantel schloss sich um sie herum, als wäre sie in den Tiefen eines lebenden Tesses. Die Umrisse der Kleidungsstücke formten sich zu Gesichtern, die flüsterten: Wer uns trägt, wird Teil von uns. Die Frau spürte, wie der Mantel ihr eigenes Wesen zu verschlingen begann—Gedanken, Erinnerungen, Identität schmolzen dahin. In dem Moment, als sie sich völlig in den Mantel wickelte, verschwand der Laden hinter ihr, und sie war plötzlich nicht mehr sie selbst, sondern eine Idee der Kleidung, die weiter nach neuen Trägern verlangte.
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