Eine seltsame Mystifikation: das Buch wird immer umfassender, je fragmentarischer es ist. Das Buch als Bild der Welt ist jedenfalls völlig langweilig. Es genügt aber nicht zu rufen Es lebe das Mannigfaltige!, so schwer dieser Ausruf auch fallen mag. Keine typographische, lexikalische oder syntaktische Geschicklichkeit kann ihm Gehör verschaffen. Das Mannigfaltige muß gemacht werden, aber nicht dadurch, daß man immer wieder eine höhere Dimension hinzufügt, sondern vielmehr schlicht und einfach in allen Dimensionen, über die man verfügt, immer n-1 (das Eine ist nur dann ein Teil des Mannigfaltigen, wenn es davon abgezogen wird). Wenn eine Mannigfaltigkeit gebildet werden soll, muß man das Einzelne abziehen, immer in n-1 Dimensionen schreiben. Man könnte ein solches System Rhizom nennen. Ein Rhizom ist als unterirdischer Strang grundsätzlich verschieden von großen und kleinen Wurzeln. Zwiebel- und Knollengewächse sind Rhizome. Pflanzen mit großen und kleinen Wurzeln können in ganz anderer Hinsicht rhizomorph sein, und man önnte sich fragen, ob das Spezifische der Botanik nicht gerade das hizomorphe ist. Sogar Tiere sind es, wenn sie eine Meute bilden, wie twa Ratten. Auch der Bau der Tiere ist in all seinen Funktionen izomorph: als Wohnung, Vorratslager, Bewegungsraum, Versteck nd Ausgangspunkt. Das Rhizom selber kann die unterschiedlichsten rmen annehmen, von der verästelten Ausbreitung in alle Richtungen der Oberfläche bis zur Verdichtung in Zwiebeln und Knollen. enn Ratten übereinander hinweghuschen. Im Rhizom gibt es Gutes nd Schlechtes: die Kartoffel und die Quecke, dieses Unkraut. Die uecke ist Tier und Pflanze zugleich, daher heißt sie auch crab-grass. ns ist schon klar, daß wir niemanden überzeugen können, wenn wir icht wenigstens einige ungefähre Merkmale des Rhizoms aufzählen.
1. und 2. Das Prinzip der Konnexion und der Heterogenität. Jeder unkt eines Rhizoms kann (und muß) mit jedem anderen verbunden erden. Das ist ganz anders als beim Baum oder bei der Wurzel, bei enen ein Punkt, eine Ordnung, festgelegt ist. Chomskys linguistischer aum beginnt an einem Punkt S und wird durch Dichotomien erweirt. In einem Rhizom dagegen verweist nicht jeder Strang notwendierweise auf einen linguistischen Strang: semiotische Kettenglieder Iler Art sind hier in unterschiedlicher Codierungsweise mit biologieben, politischen, ökonomischen etc. Kettengliedern verknüpft, odurch nicht nur unterschiedliche Zeichenregime ins Spiel gebracht .erden, sondern auch unterschiedliche Sachverhalte. Kollektive ußerungsgefüge funktionieren tatsächlich unmittelbar in maschiellen Gefügen, und man kann keinen radikalen Einschnitt zwischen ichenregimen und ihren Objekten machen. Auch wenn die Linguitik den Anspruch erhebt, sich ans Explizite zu halten und bei der prache nichts vorauszusetzen, bleibt sie doch in der Sphäre eines
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Diskurses, der bestimmte Arten von Gefügen und bestimmt gesellschaftlicher Macht voraussetzt. Die Grammatikali Chomsky, das kategoriale Symbol S, das alle Sätze beherrscht allem die Markierung einer Macht und erst dann die Markieru Syntax: du bildest grammatikalisch korrekte Sätze, du teilst je sage in ein nominales und ein verbales Syntagma auf (ei Dichotomie ... ). Man kann solchen linguistischen Modellen ni werfen, daß sie zu abstrakt wären, sondern im Gegenteil, daß abstrakt genug sind, daß sie die abstrakte Mas(-hine nicht erfas die Verbindung (Konnexion) einer Sprache mit semantisc pragmatischen Inhalten von Aussagen bewerkstelligt, mit kol Äußerungsgefügen, mit einer ganzen Mikropolitik des gesel lieben Bereiches. Ein Rhizom dagegen verbindet unaufhörlich tische Kettenglieder, Machtorganisationen, Ereignisse aus Wissenschaften und gesellschaftlichen Kämpfen. Ein semi Kettenglied gleicht einer Wurzelknolle, in der ganz untersch sprachliche, aber auch perzeptive, mimische, gestische und k Akte zusammengeschlossen sind: es gibt weder eine Sprache noch eine Universalität der Sprache, sondern einen Wettst Dialekten, Mundarten, Jargons und Fachsprachen. Es gibt idealen Sprecher-Hörer, ebensowenig wie eine ho Sprachgemeinschaft. Die gesprochene Sprache ist, nach einer lierung von Weinreich, "eine wesentlich heterogene Wirklich gibt keine Muttersprache, sondern die Machtergreifung einer sehenden Sprache in einer politischen Mannigfaltigkeit. Die stabilisiert sich im Umkreis einer Pfarrei, eines Bistums, einer stadt. Sie bildet Knollen. Sie entwickelt sich durch unter Verästelungen und Strömungen, sie folgt Flußtälem oder bahnlinien, sie breitet sich wie eine Öllache aus.-' Man ka Sprache immer in interne strukturale Elemente zerlegen: da scheidet sich nicht grundsätzlich von einer Suche nach Wurz Baum hat immer etwas Genealogisches, das ist keine volkst Methode. Eine Methode vom Typus Rhizom dagegen k Sprache nur dadurch untersuchen, daß sie diese auf andere Di nen und Register hin dezentriert. Eine Sprache zieht sich nur al ihrer Machtlosigkeit auf sich selber zurück.
3. Das Prinzip der Mannigfaltigkeit: nur wenn die Vielheit lieb als Substantiv, als Mannigfaltigkeit, behandelt wird, hat Einen als Subjekt oder Objekt, als natürliche oder geistige Real Bild und Welt keine Beziehung mehr. Mannigfaltigkeiten sin
3. Vgl. Bertil Malmberg, Nya @)ägat- iriom @pt-akf@)i-skningen, Stockholm 19 Übers. Nem, Ti-ends in Liiiguisti(-s, Stockholm 1964, S. 65-67 (das Beispiel lianischen Dialekts).
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