Arsen im Trinkwasser
Herbert Hasenbein 09.05.2003
Gefährlicher Kreislauf aufgedeckt
Arsen, Gift für den Menschen, ist ein Energieträger für Bakterien. Angeregt durch
intensiven Ackerbau und Viehzucht lösen die Mikroben Arsen aus dem Erdreich und
machen das Grundwasser in vielen Regionen Asiens ungenießbar.
Arsenik beherrschte als tödliche Droge die griechische Welt des Altertums und erlebte
seine zweite Blüte im Mittelalter. Geschmacklos und in Verbindung mit Pottasche
wasserlöslich, lässt es sich akut tödlich oder in kleinen Dosen verabreichen. Heute kommt
das Enzymgift sozusagen auf leisen Sohlen, nämlich unerkannt mit dem Trinkwasser.
In Bangladesch, so berichten Ronald S.Oremland von der Princeton Universität in New
York und John F.Stolz von der McGill Universität in Montreal in
Science konsumieren mehr als 30 Millionen Menschen Grundwasser
mit unzulässig hohen Arsenkonzentrationen. Auch anderswo wird Arsen zunehmend ins
Wasser gespült. "Eine Zeitbombe, die das drohende Problem der Wassernot qualitativ
verschärft."
Arsen ist janusköpfig. Nützlich in der Medizin: vor einem Jahrhundert war Salversan das
erste Arzneimittel gegen die Syphilis. Heute noch wird Arsen zur Bekämpfung mancher
Krebsarten angewandt. Nützlich in der Landwirtschaft: Organische Arsenverbindungen
wie Roxarsone finden unverändert in der Schweine- und Geflügelzucht Verwendung. 50
Tonnen und mehr werden jährlich in den USA verbraucht. Bis zum Verbot 1980 wurden
zudem arsenhaltige Pestizide, jährlich etwa 10.000 Tonnen, ausgestreut. Viele Farbstoffe
und Imprägniermittel enthalten Arsenverbindungen, die das Element ebenso ins
Grundwasser laufen lassen wie die Gülle von Schweinen und Geflügel. Die andere Seite
des Arsens ist sein Funktion als Energieträger, der vielen Bakterien zum Wachstum
verhilft und möglicherweise schon vor 3,5 Milliarden Jahren in der sauerstoffarmen Zeit
Leben überhaupt ermöglichte.
Arsen ist in der Erdkruste selten (0,0001 Prozent), allerdings weit verbreitet und häufig
mit Kupfer, Blei und Gold vergesellschaftet. Eine der chemischen Besonderheiten sind die
vier Oxydationsstufen. Ferner kommen methylierte organische Arsenverbindungen vor, die
als Abbauprodukte bakterieller Prozesse entstehen, sei es im Biotop, sei es über die
Ausscheidung mit dem Urin. Anaerobe und aerobe Bakterien, die von den Forschern als
DARPs (Dissimilatory Arsenate-Reducin Prokaryotes) bezeichnet werden, sind nicht nur
auf Arsen spezialisiert, sondern veratmen auch Schwefel und damit Nitrate und Nitrite. Im
Unterschied zu den Schwefelverbindungen, bleibt das toxische Potential des Arsens
allerdings über viele Abbaustufen erhalten.
Natürliche Bedingungen
zum Studium der
DARPs (Dissimilatory
Arsenate-Reducin
Prokaryotes) bietet der
Mono Lake in der
Sierra Kaliforniens
(Satellitenaufnahme
Credit Science)
Die Vielfalt der Bakterien, die Arsen als Energieträger benutzen, könnten für die
Beharrlichkeit eines Gens aus der frühen Zeit unseres Planeten sprechen. Die damaligen
primitiven mikrobiellen Ökosysteme verfügten zwar über flüssiges Wasser, litten aber am
Sauerstoffmangel. Arsen und Schwefel boten die Kraft, zu wachsen und sich zu vermehren.
Der Mono Lake in Kalifornien, ein 1-3 Millionen Jahre alter
Binnensee, der alkalisch und salzhaltig ist, bietet den Forschern das natürliche Umfeld,
die Mikroben zu untersuchen.
»Der Mensch,« sagt Ronald S.Oremland, "könnte die treibende Kraft sein. Die
intensivierte Landwirtschaft geht mit dem Graben von Brunnen einher, womit das
Grundwasser absinkt. Oxidantien wie Ozon und Nitrate stimulieren die Oxydation von
Arsen(III). Dieser Prozess lässt die Biomasse anwachsen und schafft sauerstoffarme
Bedingungen. Zusätzliche Überladungen durch Tierzucht und Pestizide fördern das
Wachstum der DARPs und damit die weitere Auslösung von Arsen aus den Mineralien.
Als Folge steigt die Arsenkonzentration im Grundwasser allmählich an."
Arsen als mikrobieller
Energieträger ist in
chemische Reaktionen
eingebunden, die
ihrerseits Arsen aus
fester Matrix in Lösung
bringen (Credit Science)
Liegt es daran, dass Geologen und Mikrobiologen systematisch danach suchen, oder sind
veränderte klimatische Bedingungen der Grund dafür, dass die Zahl der Mikroben, die
Arsenverbindungen oxydieren oder reduzieren, ständig zunimmt?
Die Erfahrungen aus Bangladesch und anderen Regionen, in denen der
Bevölkerungszuwachs den Nahrungsmittelbedarf erhöht, sprechen für den
Menschen als wahren Urheber. Wir müssen darauf drängen, dass die
Entwicklungsländer nicht die Fehler der Industrienationen wiederholen,
so John F.Stolz. Ist der Kreislauf erst einmal erkannt, kann Abhilfe geschaffen werden.
Wie schwierig die neue Erkenntnis im Detail wird, zeigt eine kanadische Studie. Vom
wetterfest imprägnierten Holz, das seit Jahren für die phantasievollen Bauten auf
Spielplätzen benutzt wird, tropft Arsen nach jedem Regenguss ab: in die Hände der
Kinder und in den Boden.
Kommentare:
Salvarsan war sicher nützlich - wenn auch nicht »gut« (loennroth, 10.5.2003 9:25)
irgendwie ist manchmal was synchron (von Vorgestern, 9.5.2003 22:04)
Grenzwert USA: 0,05 mg/l (Bauxit, 9.5.2003 19:14)
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last modified: 09.05.2003
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