Seitdem in den 90er Jahren verwaltungswissenschaftliche Studien zweifelsfrei festgestellt haben, daß Sachkenntnis der Tätigkeit eines Beamten keineswegs abträglich ist, sieht sich der Beamte regelmässiger Fortbildung ausgesetzt. Diese findet in Schulungszentren statt, die teils von abenteuerlicher Scheußlichkeit, teils von feudaler Pracht sind: Schlösser und Villen im Landesbesitz. Die Fortbildungsveranstaltung selbst ähnelt Parteitagen der SED beim Referat des Generalsekretärs. Ein Dozent doziert, die Fortzubildenden schreiben mit toternstem Gesichtsausdruck mit. Die Stimmung entspricht dem einer Schulklasse beim Mathematikunterricht. Doch irgendwann ist auch der längste Vortrag zuende, und dann beginnt einer der Höhepunkte des Beamtenlebens, nämlich das gesellige Beisammensein mit den Kollegen aus anderen Behörden. Beim Bier findet ein Erfahrungsaustausch statt, der solange dauert, bis der Beamte nicht mehr stehen kann. Zudem stellt die Fortbildung eine der ganz wenigen Gelegenheiten im Leben des Beamten zum ausserehelichen Geschlechtsverkehr dar - nur in der Fortbildung ist der Beamte der Aufsicht seiner Behördenkollegen während und seines Ehegatten ausserhalb der Dienstzeit entzogen, und mit fortschreitender Sexualisierung der Gesellschaft macht der Beamte von dieser Möglichkeit fortschreitenden Gebrauch. Amtlich, verwaltungswissenschaftlich und von politischer Seite kann daher stets mit gutem Gewissen darauf hingewiesen werden, daß es kaum einen Berufsstand in Deutschland gibt, der so sehr auf Fortbildung bedacht ist und einen regelrechten Eifer zur Fortbildung hat, wie die Beamten. Der Sektor »Fortbildung« stellt daher einen nicht zu vernachlässigenden Wachstumsmarkt dar, was man auch volkswirtschaftlich schon seit längerem registriert hat.
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