Ich lese immer wieder von zumeist recht windigen europäischen Zeitgenossen, die aufgrund einer massierten Investition, krauser Abstammungswege oder eines glückverheißenden Leberflecks wegen zum König einer Südseeinsel ausgerufen werden. Ich hätte nichts dagegen, wenn so etwas auch mir zufiele.
Meine Insel, so stelle ich mir vor, besitzt praktisch nichts außer einer reichhaltigen Flora, einem Internetanschluß (meinem) und einem umfänglichen Uranvorkommen auf einer unweit gelagerten Nachbarinsel, welches zur Finanzierung des alles in allem doch recht aufwendigen Lebensstil der Einwohner in entscheidendem Maße beiträgt. Heterosexualität ist auf meiner Insel so gut wie unbekannt, junge Frauen werden nach der Geburt ihres ersten in–Vitro–Kindes kostengünstig an befreundete Atolle verschachert, wo sie selbstredend ein herrliches Leben haben, ich bin ja nicht gehässig.
Trotzdem wird eine meiner ersten Amtshandlungen sein, ein Schutzalter für die braungebrannten und stets ein wenig zur Korpulenz neigenden Inselbuben einzuführen, was jedoch nicht verhindert, daß sich allabendlich vor meiner Palasthütte ein gutes Schock junger Menschen einfindet, welche auf ihre Initiation durch den weißen Gottkönig wartet. Selbstredend lehne ich dieses Ansinnen fast immer entrüstet ab.
Tourismus wird auf dieser schönen Insel ausgesprochen restriktiv behandelt: An der einzigen Landebucht steht eine große Waage, auf welcher jeder Ankommende sein Nettogewicht zu offenbaren hat, und das Unterschreiten einer gewissen Marge unweigerlich die Visumverweigerung zur Folge hat.
Kohl und Hülsenfrüchte sind auf meiner Insel strengstens untersagt, stattdessen wird eine Rauschpflanze angebaut, die es nur hier gibt, und die einen so leichten Rausch hervorruft, daß man immer noch einen Esel reiten darf, ja nicht einmal richtig merkt, daß man berauscht ist, aber alle paar Minuten entringt sich den Kehlen der Bewohner ein glückliches Kichern, was natürlich auch auf die Freude über ihren ungewöhnlich linden Herrscher zurückzuführen ist.
Wir erkennen nur Staaten an, die uns auch anerkennen, was zur Folge hat, daß wir nur mit Nordkorea und Vanuatu in Beziehungen stehen, was aber herzlich egal ist, denn es hat sich auf dem ganzen herrlichen Eiland niemand gefunden, der willens gewesen wäre, auf die anstrengenden UN–Sitzungen zu fahren. Kofi Annan war zwar mal für zwei Stunden zu Gesprächen in meiner Hütte, kam aber sichtlich verstört und derangiert wieder raus und schreibt jetzt noch nicht einmal mehr eine Karte zum Jahreswechsel.
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