Abfall für alle
Rainald Goetz blickt in seinem Internet-Tagebuch auf das letzte Jahr zurück
Christian Schröder
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Anfangen Einfach irgendwo anfangen. Zum Beispiel auf Seite 519: »Mittwoch, 12.8.98, Berlin. Nochmal draußen bem Einkaufen, im nachtgewittrigen Tröpfelregen, bei giftgelbem Licht, immer noch ganz warmer Luft, irgendwie fast tropisch. Und die Erinnerung an Bali, den wohlriechendsten Ort der Erde, wo ich je war.« Oder auf Seite 387: »Donnerstag, 4.6.98, Berlin. Auf allen Kanälen wird das Zugunglück gemolken, brutalstens, bis es nichts mehr hergibt. Ich kann nicht hingucken, wie damals bei den Überschwemmungen. Das heroische Volksgemeinschafts-Gefühl der kollektiven Helferei. Ich hasse Deutschland.« Oder auf Seite 126: »Donnerstag, 19.3.98, Berlin. Großes Elsterkonzert, draußen im Baumwipfel vor dem Fenster. Noch sind die Stecken der Äste ganz nackig, vorne die kleine schwellenden Kügelchen der Knospendinger. Immer eine tolle Sauerei, der Frühling.«
Man kann das neue Buch von Rainald Goetz einfach irgendwo aufschlagen und zu lesen anfangen. Irgendetwas Interessantes wird man immer finden: einen bruchstückhaften Kürzestessay, einen hübschen kleinen Ich-hasse-euch-alle-Zornesausbruch, eine schön hinskizzierte Naturbeschreibung.
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