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Der Trip war für die jeweilige Zeit ein Höchst von nur vorstellbaren, positiven Gefühlen. Zumindest nachdem man erlernt hatte, mit der Wirkung der Droge derart umzugehen, daß man negative Emotionen isolieren konnte. Das »Runterkommen« war anfangs bezüglich des Zeitraums, sowie der Anzahl und Iniensität der Nebenwirkungen noch erträglich. Aufgrund der permanenten Präsenz der Droge konsumierte ich über etliche Wochen letztendlich beinahe täglich. Zuerst waren nur die Nächte horrent. Wenn du auch glaubst, es ist nichts mehr in dir; irgendwann wird es dunkel. SCENE1: Montag morgen um 5.00 Uhr in die Arbeit fahren, gut 12 Stunden zuvor das letzte von 6 wochenendlichen Tickets geworfen. Alles schwarz, und vor mir, mitten auf der Bundesstraße, plötzlich Stephen Kings »Kinder des Zorns«. Irgendwo weißt du, daß du halluzinierst. Aber die Bilder sind zu echt, um nicht den Abhang hinunter zu brettern. SCENE2: Jeder hat schon mal davon gehört, daß es Menschen geben soll, die Kontakt zu Verstorbenen aufnehmen können. Inzwischen ist mir zumindest ein möglicher Weg bekannt. Nur, daß meine mir bekannten Toten mir beileibe nichts Gutes wollten. Es waren Szenarien, wie ich sie zuletzt als Kind erlebt hatte. Mit 10 Jahren bereits 30kg Übergewicht, bald darauf schwerste Akne. Ich wurde gehänselt, verbal gefoltert, bespuckt, bis wieder dieses Gefühl in mir aufkam, daß ich am liebsten nie geboren worden wäre; und ich weinte. Und so auch in dieser Nacht. Und da stehen sie in deinem Zimmer und ergötzen sich an deinem Elend. SCENE3: Latent, aber progressiv kamen schwerste Depressionen hinzu, die man als solche erst erkennt, wenn man sich so sehr daran gewöhnt hat, daß man gar nicht mehr nachvollziehen kann, wie man bisher überhaupt jemals glückliche Momente erleben konnte. Man musste sich doch die ganzen Jahre seines Lebens etwas vorgemacht haben; wo doch einfach alles nur unerträglich ist. Heulkrämpfe und nur noch erdrückende Gedankengänge. Das Fiese an der Sache ist, daß für gar nichts anderes mehr Platz ist im Kopf. Unbeschreiblich - wirklich gar nichts. Du konzentrierst dich mit aller Kraft auf dein übles Dasein. Damit war dann auch der Job weg. Ich leistete mir derart abnorme Aussetzer, daß ich bei zwei neuen Arbeitsstellen bereits nach wenigen Tagen wieder den Hut nehmen durfte. Vom Arbeitsamt wurde ich von Anfang an gesperrt. Hatte ich doch alle Vermittlungsversuche durch grob fahrlässiges Verhalten scheitern lassen. SCENE4: Permanenter Schwindel. Mag nicht schlimm klingen, ist er aber. Schon mal beim Zähne putzen ohnmächtig geworden? Platzwunde oberhalb rechtem Auge - auch nicht gerade eine optische Bereicherung für mich. Danke Waschmaschine. Zu irgendwas muss sie ja gut sein. Waschfunktionen konnte sie zu diesem Zeitpunkt aufgrund technischer Defekte bereits längere Zeit nicht ausführen. Autobahn linke Spur. Ein abruptes »Rüberziehen« der Karre auf den Standstreifen läuft auch nicht ohne Angst vor einem Tod bringendem Crash ab. Und wieder wird es dunkel und still. Ich muß den anderen Autofahrern auch noch dankbar sein, für Ihr Desinteresse an meiner Situation. Zu dem Zeitpunkt war mein Handschuhfach nicht weniger voll an Chemie, als ich. SCENE5: (nach dauerhaftem LSD- und XTC-Mischkonsum) Angst vorm Schlafen. Nachdem es einem irgendwie auch nur noch gut geht, solange man »drauf« ist, passiert folgendes, wenn man vier Tage am Stück durch saudumme Begebenheiten an keinerlei Drogen gelangt. Alle bisher beschriebenen Nebenwirkungen blieben bestehen. Den ganzen Tag über, ein Gefühl, als würde dein Geist deinen Körper gleich für immer verlassen. Es wird Nacht, du bist müde. Schwindelig tappst du zum Bett und legst dich hin. Aber die Augen kannst du nicht schließen. Sobald du das möchtest, um endlich, endlich einzuschlafen, der Körper sich nicht mehr bewegen will, und es langsam still wird um dich herum, beginnt es wieder und wieder. Ein Dröhnen von weit her. Rasant zunehmend in Geschwindigkeit, in Richtung auf deine beiden Ohren, und in der Lautstärke. Kann man das beschreiben? Ein Dröhnen rast schnell wie ein Überschallflugzeug auf deine Ohren zu. Dort angekommen hat es dann auch den Geräuschpegel eines solchen erreicht. Wenn du dir schon sicher bist, daß aufgrund der Lautstärke dein Kopf gleich zerspringt, wird es noch schlimmer. Das Dröhnen rast in zeitlich kaum wahrzunehmenden Augenblicken durch deinen Gehörgang und pflanzt sich, wie das schlimmste je dagewesene Erdbeben, von dort aus durch deinen gesamten Körper. im selben Augenblick verkrampft sie die Muskulatur deines ganzen Körpers. So immens stark. Nie hättest du so etwas für möglich gehalten. Du bist überzeugt, daß es dich gleich zerfetzt. Am Höhepunkt dieser schmerzhaften Verkrampfung (das kann man jetzt glauben, oder auch nicht) wirft es den Körper derart, daß dieser wie in Leichenstarre vom Bett abhebt, und wieder aufschlägt. Ein Bekannter versicherte, daß es mich wohl gut 5 Zentimeter »geworfen« hat. Und dieses Spielchen spielte ich so die ersten zwei Tage und Nächte mit. Dannach blieben zumindest die Verkrampfungen aus. Das Dröhnen blieb. Drei Tage und Nächte war es mir nicht möglich zu schlafen. Und ich wurde fast wahnsinnig dabei. Hätte diese Hölle noch ein, zwei, drei Tage angehalten; ich hätte mich umgebracht. SCENE6: Etwas hat Besitz von mir ergriffen. Aufgrund meiner miesen körperlichen und seelischen Verfassung, war ich dann schon so weit, daß ich mich bereits eine Woche keinem LSD - Trip mehr ausgesetzt habe. Inzwischen sah ich permanent dunkle Schatten in den Augenwinkeln. Man kann sie nicht ignorieren und sie machen einen wahnsinnig. Vergesslichkeit in unbeschreiblichem Maße machte mir den Alltag kaum mehr bestellbar. Telefonnummern konnte ich selbst nach mehrfacher Eingabe nicht richtig wählen. Bei grüner Ampel hielt ich an, bei roter fuhr ich los. Daß ich in dieser Zeit kein Menschenleben geopfert habe, übertrifft sämtliche Wunder. Ich fuhr mit dem Auto in die Stadt zum Einkaufen. Plötzlich Panik. Mir war absolut nicht mehr klar, warum ich im Auto saß und wohin ich fahre. Fragen anderer Menschen habe ich zwar gehört, aber nicht wahrgenommen. Gesten und Signale habe ich gesehen, aber nicht wahrgenommen. Ich konnte Dinge nicht realisieren. Nicht reagieren. Reaktionen blieben auf unterschiedlichste Dinge einfach aus. Auch in Gefahrensituationen. Meine Mutter warnte mich, nicht weiter zu gehen; sie hätte Glas gebrochen. Gehört habe ich das schon. Aber ich war nicht mehr in der Lage, eine gedankliche Schlußfolgerung zu ziehen, wie z.B. »Achtung, stehenbleiben! Ich könnte mir Scherben eintreten.« Ich lief weiter und trat sie mir ein. Du bist nicht mehr du selbst. Es ist, als würden anerlernte Dinge verloren gehen. Als wärst du nicht mehr dein eigener Herr. Als würde ein anderer für dich handeln und denken, der allerdings ist so weit weg, daß er von den Geschehnissen hier kaum etwas mitbekommt. Stellenweise hatte ich das Gefühl an einer verkabelten Fernbedienung mit Kabelbruch und zu hohem Leitungswiderstand zu hängen. Und diese wurde von einem prähistorischen Einzeller bedient. Um es banal auszudrücken, für einen selbst und für andere Personen ist eine völlige Vedummung offensichtlich.////Dieses »endgültige Runterkommen« nach einjährigem LSD - Konsum, davon drei Monate exzessiv, dauerte in etwa ein viertel Jahr. Jeden Abend denkst du dir, daß der nächste Morgen besser werden muß. Das Zeug muß doch irgendwann einfach draußen sein. Mir kam es so vor, als hätte sich das Zeug wie ein Virus in jede einzelne meiner Körperzellen festgesetzt, und wirklich ausnahmslos über alle nur erdenklichen Körperfunktionen die Regie geführt. LSD - ade, scheiden tut nicht weh.
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