Von den Regeln des Deutschen Ordens
(Sie sind in lateinischer, französischer, holländischer, oberdeutscher
und niederdeutscher Sprache erhalten, vgl. Die Statuten des
Deutschen Ordens, herausgeg. von M. Perlbach, 1890.)
Aus dem Prolog: Im Namen der heiligen Dreifaltigkeit künden wir allen
denen, die jetzt leben und die noch kommen sollen, wie, wann und wem der Orden
des Hospitales Sankt Marien des Deutschen Hauses von Jerusalem gestiftet
wurde.
Im Jahre 1090 nach Unseres Herrn Geburt, zu den Zeiten, als Akkon von den
Christen belagert und mit Gottes Hilfe wieder aus den Händen der Ungläubigen
gewonnen wurde, waren in dem Heere gute Leute aus Bremen und Lübeck. Diese
erbarmten sich um der Liebe Christi willen über mannigfaltigen Gebrechen der
Siechen im Heere und errichteten das Hospital unter dem Segel eines
Schiffes, das man Kogge heißt, und brachten die Kranken dort mit großer Andacht
unter und pflegten ihrer eifrig. Dieses kleine Beginnen erbarmte den Herzog
Friedrich von Schwaben und andere hohe Herren, deren Namen hier nachgeschrieben
stehen:
der ehrbare Patriarch von Jerusalem, König Heinrich (VI.), Herzog Heinrich
von Brabant, der an der Spitze des Heeres stand, die Meister der Johanniter
und Templer und die Erzbischöfe und Großen des Deutschen Reiches. Mit deren
Rat sandte der Herzog von Schwaben seine Boten über das Meer zu seinem
Bruder König Heinrich, der dann Kaiser wurde, damit er vom Papste Zölestin die
Bestätigung des Spitales erlangte, daß es die Kranken pflege wie die
Johanniter und ritterlich lebe nach dem Orden der Templer. So geschah es, daß dieser
beiden Orden Leben und Vorrechte für unser Spital von der Gnade unseres
Herren und der Mildigkeit des Papstes verliehen und bestätigt wurden.
Dieser heilige ritterliche Orden des Spitales Sankt Marien vom Deutschen
Hause ist durch manches ehrsame Mitglied geziert, denn sie sind Ritter und
erwählte Streiter, die aus Liebe zu Gott und dem Vaterland die Feinde des
Glaubens mit starker Hand vertilgen. In überfließender Minne empfangen sie
Gäste, Pilger und arme Leute, milde dienen sie den Siechen im Spitale mit
liebeglühenden Herzen.
Diesen Orden zum allgemeinen Nutzen der heiligen Kirche sahen viele Päpste
mit freundlichen Augen an und haben ihn er-leuchtet und bestätigt mit
mancherlei Privilegien und Freiheiten.
Dies ist die Regel der Brüder vom Deutschen Hause, Sankt Marien
Dienstmannen:
Drei Dinge sind die Grundfesten eines Jeglichen geistlichen Lebens und
werden in dieser Regel geboten. Das erste ist ewige Keuschheit, das zweite ist
Verzicht auf den eigenen Willen, das ist Gehorsam bis an den Tod, das dritte
ist das Gelübde der Armut, daß der ohne Eigentum lebe, der diesen Orden
annimmt. In diesen drei Dingen: Keuschheit, Gehorsam und Leben ohne Eigentum
liegt dieser Regeln Kraft so unerschütterlich, daß der Meister des Ordens
keine Gewalt hat, jemand von ihnen zu befreien; denn wenn man eine zerbräche, so
wäre wohl die Regel gänzlich zerbrochen.
Doch mögen sie Gut und Erbe haben in der Gemeinschaft: Doch mögen die
Brüder um der großen Kosten willen für die vielen Leute, die Spi-täler, die
Ritterschaft, die Siechen und die Armen fahrendes Gut und erblichen Besitz haben
im Namen der Gesamtheit des Ordens und ihres Kapitels: Lande und Äcker,
Weingärten und Mühlen, Burgen und Dörfer, Pfarreien und Kapellen, Zehnte und
sonstiges, was ihnen in ihren Privilegien verliehen wird. Sie dürfen auch
Leute, Männer und Weiber, Knechte und Mägde, zu ewigem Rechte besitzen.
Vom Halten der Spitäler: Da dieser Orden, ehe er eine Ritterschaft wurde,
ein Spital war, wie aus dem Namen hervorgeht, so bestimmen wir, daß man in
dem Haupthause oder wo sonst es der Meister mit dem Kapitel für richtig hält,
allezeit Spitäler hat; will man aber irgendwo ein bestehendes Spital mit
seinen Einkünften dem Orden schenken, da mag der Landkomtur nach Beratung mit
den weiseren Brüdern es annehmen oder nicht. In anderen Häusern dieses
Ordens, die ohne Spital sind, soll man ohne des Meisters be-sondere Anweisung mit
dem Rate der weiseren Brüder keine Spi-täler errichten.
Vom Leben in den Spitälern: Wird ein Siecher in das Spital aufgenom-men,
so soll, wenn er kräftig genug und ein Priester da ist, der Kranke, ehe er zu
seiner Ruhestätte gebracht wird, seine Sünden beichten und das Sakrament
empfangen, wenn es der Beichtvater für recht hält. Anders soll man keinen
Kranken aufnehmen. Was er besitzt, wird vom Bruder des Spitales aufgeschrieben.
Der soll auch den Siechen mahnen, daß er um das Heil seiner Seele sorge, und
was der Kranke an Gut besitzt, soll man, so gut man vermag, aufbewahren.
Wenn der Sieche seinen Platz im Spitale erhalten hat, so soll man ihn nach der
Anordnung des Spittlers, der auf die Art der Krankheit zu achten hat, gut
pflegen. Im Haupthause des Or-dens soll man Ärzte haben, der Macht des Hauses
und der Zahl der Kranken entsprechend, und nach ihrem Rat und soweit es das
Haus vermag, soll man die Siechen barmherzig behandeln und liebevoll
pflegen. Alle Tage soll man ihnen Epistel und Evange-lium vorlesen, sie mit
Weihwasser besprengen und in Prozessionen zu ihnen gehen. In den anderen Spitalen
soll man ihnen zu passen-der Zeit alle Tage liebreich zu essen reichen; an
den Sonntagen soll man ihnen Epistel und Evangelium lesen und Weihwasser
sprengen ohne Prozession, wenn der Landkomtur es nicht anders bestimmt. Ihm
bleibt es auch überlassen, in diesen Spitälern nach Rat der weisen Brüder Ärzte
zu haben. Jedoch soll man in allen Spitälern sorgfältig darauf achten, daß
die Kranken nachts immer Licht haben. Wer in diesen Spitalen vor der Vesper
stirbt, der mag gleich begraben werden, wenn es den Pflegern paßt; die aber
nach der Vesper sterben, begräbt man erst am anderen Tag nach der Prim (nach
dem eigentlichen Morgengebet der Mönchsgemeinde), es sei denn, daß der
Pfleger es anders ordnet.
Wem von den Brüdern der Meister oder sein Stellvertreter die Sorge für
Leib und Seele der Siechen eines Spitales anvertraut, der soll sich bemühen,
ihnen demütig und andächtig zu dienen. Die Komture sollen darauf achten, daß
es den Siechen weder an Kost noch an dem, was sie sonst bedürfen, mangele.
Geschieht es aber, daß die Siechen Mangel leiden, weil die, die für die Kost
sorgen sollen, es verschmähen oder versäumen, dann sollen die Brüder, die in
den Spitälern die Pflege haben, es dem Meister oder Oberen melden, der die
Schuldigen nach der Größe ihrer Schuld strafen soll. Wem die Kranken befohlen
sind, der soll auch darauf achten, daß er zu ihrem Dienst Leute aussucht,
die Andacht und Demut dazu zieht, daß sie den Kranken getreu und liebevoll
dienen. Wird man in dieser Beziehung merklicher Versäumnisse gewahr, so soll
das der Pfleger nicht durchgehen lassen. Die Komture wie die ande-ren Brüder
sollen sich dessen bewußt sein, daß, als sie diesen hei-ligen Orden
empfingen, sie ebenso fest gelobt haben, den Siechen zu dienen, als den Orden der
Ritterschaft zu halten.
Wie und womit man die Brüder kleiden mag: Die Brüder dieses Ordens dür-fen
leinenes Tuch zu Hemden und Unterkleidern, zu Hosen und zu Bettüchern, und
wozu es sonst nütze ist, tragen und brauchen. Die Oberkleider sollen von
geistlicher Farbe sein. Die Ritterbrüder sol-len weiße Mäntel tragen zum
Zeichen ihrer Ritterschaft, doch sollen sie sich in der anderen Kleidung nicht von
den übrigen Brüdern unterscheiden. Wir bestimmen, daß jeder Bruder an
Mänteln, Kut-ten und Wappenröcken ein schwarzes Kreuz trage, damit er sich auch
äußerlich als Mitglied dieses Ordens erzeige. Die Schuhe sol-len ohne
Schnüre, Schnäbel und Schnallen sein.
Wie und wo die Brüder schlafen sollen: Alle gesunden Brüder schlafen an
einem Orte zusammen, es sei denn, daß der Oberste anordne, daß etliche Brüder
wegen ihres Amtes anderswo schlafen müssen. Und wenn sie schlafen, so sollen
sie über ihrem Hemde gegürtet liegen und in ihren Unterkleidern und Hosen,
wie es sich für geistliche Leute geziemt. Es soll auch ein jeder gesondert
für sich liegen, außer wenn es sich aus dringenden Gründen anders fügt. An
dem Orte, wo der größte Teil der Brüder schläft, soll es des Nachts nicht an
Licht fehlen.
Wie sie nicht Schränke mit besonderen Schlössern haben sollen: Da
Ordensmän-ner in jeder Weise Eigentum meiden sollen, so wollen wir, daß die Brüder
in den Ordenshäusern keine Schlösser an ihren Schreinen oder sonstigen
verschließbaren Dingen haben sollen. Ausgenommen sind hiervon die Brüder, die auf
Wegfahrt sind, und die Beamten, denen solche Dinge um ihres Amtes willen zum
gemein-samen Nutzen des Hauses wohl zustehen.
Was zum Ritterdienst gehört: Der Orden ist besonders zum Ritterdienst
gegen des Kreuzes und des Glaubens Feind eingesetzt, und es ist nötig, je nach
den verschiedenen Kampfgewohnheiten der Länder und Feinde mit verschiedenen
Waffen und Mitteln zu kämpfen. Darum ist alles, was an Pferden, Waffen,
Knechten und anderen Din-gen, deren Gebrauch den Brüdern zum Streite erlaubt ist,
dem Ent-scheide des Obersten unter ihnen vorbehalten. Er soll mit dem Rate
der weiseren Brüder des Landes, darinnen man Krieg führt, oder wenigstens
mit den Anwesenden, wenn Verzug, um die anderen herbeizurufen, Gefahr bringt,
alles recht ordnen und festsetzen. Doch solle man fleißig darauf achten, daß
man Sättel, Zäume und Schilde, die mit Gold oder Silber oder anderer
weltlicher Farbe bemalt sind, nicht ohne notwendigen Grund führe. Lanzenschäfte,
Schilde und Sättel sollen keine Überzüge haben, doch mögen sie die
Speereisen, die poliert sind, bedecken, damit sie desto schärfer sind, den Feind zu
verwunden.
Von der Jagd: Jagd, die man mit lautem Geschrei, mit Hunden, mit Beizen
und Federspiel abzuhalten pflegt, ist den Brüdern verboten. Wenn sie aber in
einigen Gegenden viele Waldgüter haben und an Wildbret und Fellen großen
Nutzen ziehen können, so ist es ihnen gestattet, Jäger zu halten. Diese und
andere Jagende mögen sie zum Schutze vor bösen Leuten begleiten. Doch sollen sie
nicht mit vorbedachtem Mute, Geschoß oder anderen Waffen in der Hand, durch
Feld und Wald sprengend, dem Wilde nacheilen. Wir er-lauben ihnen auch,
Wölfe, Bären, Luchse und Löwen ohne Jagd-hunde zu vernichten, aber nicht um der
Kurzweil, sondern um des allgemeinen Nutzenswillen. Zuweilen mögen die
Brüder auch Vögel schießen, damit sie sich an das Schießen gewöhnen und es desto
besser lernen.
Von Glück und Größe einer Bruderschaft: Alle Brüder sollen sich
gegen-einander so verhalten, daß sich nicht die Milde und Eintracht des Bru-dernamens
in Unmilde verkehre, sondern sie sollen sich befleißigen, daß sie so in
brüderlicher Liebe einmütig und gütlich im Geiste der Sanftmut miteinander
leben, daß man mit Recht von ihnen sagen möge: >> Wie gut und wie fröhlich ist
der Brüder Wohnen in Ein-tracht!<< Ein jeder trage wenn er es vermag, des
anderen Bürde, und befleißige sich ein jeder, den anderen zu ehren.
Wie man alle Brüder zum Rat versammeln soll: Wenn, der Meister des Ordens
oder seine Stellvertreter über etwas endgültig verhandeln wollen und meinen,
es gehe die Gesamtheit des Ordens an, einzusetzen oder zu entsetzen oder
Land und Ländlein zu verkaufen, wozu man vom Meister und vom Kapitel Erlaubnis
haben muß, oder Brüder in den Orden aufzunehmen, so soll man alle
anwesenden Brüder versammeln, und was der bessere Teil von ihnen rät, dem sollen der
Meister oder sein Stellvertreter folgen. Welches aber der bes-sere Teil sei,
wenn sie mißhellig sind, das soll man dem Meister oder seinem
Stellvertreter überlassen, doch so, daß man mehr auf die Frömmigkeit, Erfahrung,
Ehrsamkeit und Einsicht als auf die Menge der Brüder sehe. Andere kleinere
Beratungen mögen sie mit den weiseren Brüdern, die bei ihnen sind, halten. Kleine
Geschäfte mögen sie auch von sich aus erledigen.
Die Brüder den Leuten ein gut Vorbild: Brüder auf der Wegfahrt gegen den
Feind oder zu anderen Geschäften sollen, da sie das Zeichen der Milde, das
Kreuz, als Zeichen ihres Ordens außen tragen, den Leu-ten durch das gute
Vorbild ihrer Werke und durch nützliche Worte beweisen, daß Gott mit ihnen und in
ihnen ist. Wenn sie des Nachts unterwegs sind, dann mögen sie auch nach der
Komplete oder vor der Prim von nützlichen und ehrsamen Dingen reden, doch
nicht in der Herberge, nachdem sie die Komplete gesprochen haben, außer gemäß
der vorgeschriebenen Form. Wirte und Orte, die schlechten Ruf haben, sollen
sie meiden, wenn sie ihnen bekannt sind. Wo sie zur Herberge sind, da soll
an ihrer Schlafstätte des Nachts ein Licht brennen, wenn sie es ohne große
Mühsal be-schaffen können, damit sie nicht an ihrem guten Leumund Schaden
nehmen. Zu den Zeiten, wenn sie auf der Wegfahrt von Ort zu Ort ziehen, mögen
sie sich mit dem Gottesdienste und den Venien derer, zu denen sie kommen,
begnügen. Wenn sie nach Hause zu-rückkehren, so mögen sie wegen der Ermüdung
durch Waffen-dienst und Weg am folgenden Morgen der Mette und den Horen
fernbleiben. Das mag man nicht allein den Wegmüden erlauben, sondern auch denen,
die mit nützlichen Geschäften für das Haus befaßt sind.
Zu Hochzeiten, zu Ritterversammlungen und anderen Gesell-schaften und zu
Schauspielen, die man in weltlicher Hoffahrt zu des Teufels Dienste pflegt,
sollen die Brüder nicht gehen, doch kann es zuweilen in Geschäften des Ordens
oder zur Gewinnung von Seelen geschehen. An verdächtigen Orten und zu
ungehörigen Zei-ten sollen die Brüder jedes Gespräch mit Frauen, und besonders
mit jungen, vermeiden. Und Frauen zu küssen was ein offenes Zeichen der
Unkeuschheit und weltlichen Liebe ist, ist ihnen so wenig er-laubt, daß sie auch
ihre eigenen Mütter und Schwestern nicht küs-sen dürfen.
Stellung zu den im Ordenshaus bediensteten Frauen: Außerdem bestimmen wir,
daß man keine Frau zu unseres Ordens vollem Mitglied auf-nehme, denn es
geschieht oft, daß männlicher Mut von weiblicher Vertraulichkeit schädlich
erweicht wird. Da jedoch etliche Dienste an den Siechen in den Spitalen und am
Vieh besser von Frauen als von Männern verrichtet werden, so ist es erlaubt,
zu diesen Diensten Frauen als Halbschwestern aufzunehmen; doch soll man es
nur mit Erlaubnis des Landkomturs tun. Sind sie aufgenommen, so soll man
ihnen ihre Wohnung außerhalb der der Brüder bereiten, denn die Keuschheit des
Ordensmannes, der mit Frauen zusammen-wohnt, wird vielleicht bewahrt, doch ist
sie nicht sicher, und es mag auf Dauer ohne Ärgernis nicht abgehen.
Verheiratete oder ledige Weltleute als Vertraute des Ordens: Damit der
Orden einer größeren Anzahl Leuten von Nutzen sei, so bestimmen wir, daß man
verheiratete und ledige Weltleute als Vertraute des Ordens aufnehmen darf, die
mit Leib und Gut den Brüdern untertänig sind. Ihr Leben soll fortan ehrbar
sein, wie es sich geziemt. Sie sollen nicht nur offenbare Sünde vermeiden,
sondern auch unerlaubten Gewinn und unerlaubte Geschäfte von da an nicht mehr
machen. Ihre Kleider sollen von geistlicher Farbe sein, aber nicht das
ganze Kreuz tragen. Stirbt von den Verheirateten eines, so fällt das halbe Gut
an den Orden. Stirbt auch der andere Teil, so erhält der Orden das Ganze.
Über die Aufnahme entscheidet der Landkomtur.
Wie man die Kinder in den Orden aufnehmen soll: Wir wollen auch, daß man
kein Kind in den Orden einkleide oder aufnehme, ehe es das vier-zehnte Jahr
vollendet hat. Bringen Vater, Mutter oder Vormund ein Kind vor dem
vierzehnten Jahr, oder kommen die Kinder von selbst, so soll man sie, wenn man sie
aufnehmen will, in Frömmigkeit bis zu diesem Alter erziehen und soll sie dann,
wenn es ihnen und den Brüdern gefällt, wie üblich in den Orden aufnehmen.
Von der Fürsorge des Meisters um die Brüder: An den Führern soll zweierlei
sein: mild ratende Barmherzigkeit und gerecht eifernde Zucht. Da-her soll
der Meister, der über alle anderen gesetzt ist und an sich selbst allen
Brüdern das Vorbild guter Werke geben soll, auch die Ruhelosen vermahnen, die
Siechen aufnehmen und die Kranken trösten und in Sanftheit geduldig zu ihnen
allen sein. In der Hand soll er die Rute und den Stab tragen nach des
Propheten Wort: die wachsame Rute, damit er während der nächtlichen Wacht selbst
seine Herde hüte, den tödlichen Schlaf und die Versäumnis der hei-ligen
Ehrfürchtigkeit aus den Trägern wachsam heraustreibe und allen Ungehorsam mit dem
Eifer der Gerechtigkeit züchtige; den Stab aber, damit er den schwachen
Herzen und denen, die von Trauer zerbrochen sind, die Stütze väterlicher Liebe
und Mitleides gebe, auf daß nicht Verzweiflung die Verlassenen verzehre und
damit die Schwäche gestärkt werde.
Aus den Gesetzen der Brüder des Deutschen Hauses: In allen Häusern unseres
Ordens sollen alle Brüder alle Freitage ihre Geißlung empfangen außer an
hohen Festtagen; in der Fastenzeit vor Weihnachten und vor Ostern sollen sich
die Brüder dreimal wöchentlich geißeln, am Montag, Mittwoch und Freitag. -
Kein Bruder, weder Pfaffe noch Laie, soll außerhalb seines Ordens beichten,
wenn er nicht dazu die Erlaubnis seines Oberen hat.
Daß die Liebe das Übergold aller guten Dinge sei: Das Gold zieret, die
Schilde behüten. Gebricht unserem Gotteshause das Gold der Liebe, so sind wir
ungezieret und unbehütet; denn die Liebe ist eine Grund-feste geistlichen
Lebens und stärkt und tröstet die, die in Arbeit sind, und ist die Frucht und
der Lohn derer, die beständig sind. Ohne die Liebe sind weder Orden noch Werk
heilig, sondern Gleichnisse der Heiligkeit. Die Liebe ist ein Schatz, mit
dem der Arme reich ist, der ihn hat, und der Reiche arm ist, der ihn nicht
hat.
Hiernach sollen alle Brüder mit Fleiß streben, daß sie nicht nur
untereinander nicht beschwerden, sondern mit Liebe und Demut gegeneinander das
erwerben, daß sie im Himmel er-höret werden, wie das Evangelium spricht: Wer sich
erniedrigt, der soll erhöhet werden.
Daß unser Gericht nach Gottes Willen sei und des Unschuldigen
Gerechtig-keit nicht verderbe, oder daß die begangene Mißtat nicht ungerächt bleibe, so
setzen wir fest, daß die Schuld eines Bruders, sie sei leicht, schwer,
schwerer oder am allerschwersten, durch das Zeug-nis zweier Brüder unseres Ordens
ohne jede Entscheidung des Ka-pitels, das ihn richtet, als erwiesen gelten
soll. Stellt sich aber her-aus, daß sie falsche Zeugen gewesen sind, so soll
man sie mit der-selben Strafe büßen, wie jener erhalten hat, damit dieses
heiligen Ordens Gesetz die Brüder vor dem Ärgernis vor bösen Leuten schütze,
die oft um einer leichten Verfehlung oder ganz ohne Ur-sache guter Leute
guten Leumund schädigen wollen. Der Bruder, der Jahrbuße tut, soll ein Jahr
lang mit den Knechten schlafen gehn, wenn solche im Hause sind; mit einer Kutte
ohne Kreuz soll er dienen; mit den Knechten soll er essen und auf der Erde
sitzen. In der Woche soll er drei Tage bei Wasser und Brot fasten, zwei
davon stehen unter der Gnade und Gewalt des Oberen und der Brüder; alle Sonntag
soll er von dem Priester in der Kirche nachdem Evangelium seine Geißelung
empfangen, wenn die Schuld so offenbar ist, daß davon dem Hause
unentschuldbare Schande ge-kommen und die weltlichen Leute daran ein großes Ärgernis
ge-nommen haben. Auch steht es dem Oberen und den Brüdern zu, ob sie den
Schuldigen in Eisen oder in den Kerker legen oder ob sie zu dem einen Jahr Buße ein
zweites hinzufügen oder sonst die Buße schwerer machen.
Zu der allerschwersten Schuld gehört, wenn ein Bruder als Feig-ling von
Fahne und Schwert flieht, wenn ein Bruder von den Chri-sten zu den Heiden geht
und mit ihnen bleiben will, auch wenn er den Glauben nicht verleugnet; wenn
ein Bruder Sodomie treibt ... für diese drei Vergehen gibt es keinerlei
Gnade. Die Schuldigen werden für ewig aus dem Orden gestoßen, nur den, der
Sodomie treibt, soll man in ewiger Gefangenschaft halten.
Von den großen Gewohnheiten erfahren wir: Nach eines Meisters Tode sol-len
alle Brüder dem gehorsam sein, dem der sterbende Meister Stell-vertretung
und Siegel übergeben hat. Ist aber, daß ihnen dünket, dieser sei nicht dazu
fähig, so mögen sie einen Besseren an seine Stell setzen. Des Meisters
Jahrtag soll man aufschreiben, damit er dort begangen wird, wo der Leichnam ruht.
Muß er aber dort be-graben werden, wo wir kein Haus haben im fremden Land,
so soll der nächste Landkomtur eines der ihm unterstellten Häuser zur
Jahrtagfeier für den verstorbenen Meister bestimmen. Alle die Klei-der des Meisters
soll man an Arme verteilen, ebenso sein Essen ein ganzes Jahr lang einem
Bedürftigen spenden, wie man es bei einem verstorbenen Bruder vierzig Tage
tut. Nach dem Tode des Meisters soll sein Stellvertreter folgende Komture zu
der Neuwahl zusammenrufen: den von Preußen, von Deutschland, von Österreich,
von Apulien, von Griechenland und von Armenien. Er soll ihnen volle Zeit
lassen, zu dem Kapitel zu kommen. Inzwischen darf man keine Meisterwahl
vornehmen. Da außerdem der Meister von Livland eines der größten Glieder unseres
Ordens ist, so soll man ihn auch ermahnen, zur Wahl zu kommen, wenn er es wegen
der Länge des Weges ohne Not tun kann.
Wenn der angesetzte Wahltag kommt und die Brüder nach der Gewohnheit zum
Kapitel versammelt sind, so soll der stellvertretende Meister mit dem Rate
des Konventes einen Ritterbruder zum Wahlkomtur einsetzen. Dieser wählt auf
sein Gewissen einen ande-ren Bruder, und die zwei wählen den dritten und die
drei den vier-ten und so fort, bis es dreizehn sind, von denen soll einer ein
Prie-ster, acht Ritter und vier andere Brüder sein, diese sollen die Wahl
vollziehen. Und wenn man so die einzelnen Wähler aufruft, so kann der Konvent
zustimmen oder einen anderen vorschlagen, zu dem man mehr Vertrauen in der
Wahlsache hat. Wenn diese drei-zehn von dem Kapitel gewählt und bestätigt
sind, so sollen sie auf das heilige Evangelium schwören bei ihrer Seligkeit,
daß sie weder durch Liebe noch durch Haß noch durch Furcht sich treiben
lassen, sondern daß sie aus lauterem Herzen den wählen, der ihnen der Würdigste,
Beste und Vollkommenste zur Leitung und zum Schutze des Ordens zu sein
dünkt. Auch bestimmen wir, daß ein unehe-liches Kind oder einer, der Jahrbuße
getan wegen Unkeuschheit oder Diebstahls, niemals Hochmeister werden kann.
Dem Komtur, der die Wahl leitet, steht es als erstem zu, den Namen dessen
zu nennen, der ihm auf sein Gewissen der würdigste und beste zum Meister
dünkt. Hierauf ermahnet er alle eindring-lich mit lauterem Herzen, den zu
nennen, den sie zum Meister wünschen. Nennen alle den gleichen oder wenigstens
der größere Teil, so ist die Wahl beendet und besteht zu Recht. Dann begeben
sie sich zum Konvent und verkünden, daß Bruder N. zum Meister gewählet sei.
Die Brüder Pfaffen stimmen darauf festtäglich das >>Te deum laudamus<< an.
Die Glocken läuten, und der stellvertre-tende Meister soll den Neuerwählten
vor den Altar führen. Dort übergibt er ihm vor allen Brüdern das Meisteramt
mit Ring und Siegel und ermahnet ihn, daß er also die Rechte des Hauses und
des Ordens verwalte, daß er am Tage des Jüngsten Gerichts furchtlos vor Gott
stehen und den Lohn seiner Werke empfangen könne. Darauf küßt der Meister den
Bruder Priester und den, der ihm Ring und Siegel übergab.
Wenn so viel Geld in dem Schatz ist, daß er größerer Wachsam-keit bedarf,
so soll man ihn bewahren mit drei Schlössern und drei Schlüsseln, von denen
einen der Meister, den zweiten der Großkomtur, den dritten der Treßler hat,
so daß keiner alleine daran-kommen kann. Auch soll die Gesamtheit der Brüder
nicht wissen, ob der Schatz voll oder leer ist. Dünkt es aber dem Meister
und seinen Rat richtig, so mag er es mitteilen dem Großkomtur, dem Marschall,
dem Spittler, dem Trapier, einem Bruderpriester, dem kleinen Komtur und
einem Bruder der nicht Ritter ist, und welche von den Brüdern er sonst noch
ausgewählt, damit umso besser zu den Geschäften und der Verwaltung des Hauses
raten können. Aber den anderen Brüdern soll man nichts sagen, damit ein
voller Schatz nicht ihre Genügsamkeit störe oder ein leerer ihren Sinn beschwere.
Kein Meister soll über Meer fahren ohne große Not und nur nach des
Kapitels Rat. Beschließt aber das Kapitel, daß der Meister das Heilige Land
verlassen soll, so soll es ihm eine gewisse Zeit setzen, in der er wieder zurück
sein muß. Versäumt er die Zeit, was Gott verhüte, so geht er seiner
Meisterschaft verlustig. Kein Bru-der braucht ihm mehr Gehorsam zu leisten; dann soll
man nach des Ordens Gewohnheit einen neuen Meister wählen. Alle Brüder die
Waffendienst tun, gehören zu dem Marschall und sind ihm untertänig nächst dem
Meister. Der Marschall hat ihnen alles zu geben, was zum Waffendienst
gehört.
Der Spittler und der Trapier stehen unter dem Marschall in allen Dingen,
die zum Harnisch gehören, und auf Kriegsfahrten. Auch der Großkomtur soll
sich dem Marschall fügen, wenn man wähnt, vor dem Feinde zu sein. Auf
Kriegsfahrten hält der Marschall das Kapitel, wenn der Meister oder ein
Stellvertreter nicht anwesend ist. Ist aber kein Marschall da, so hält der Komtur das
Kapitel. Ist man daheim, so steht es dem Komtur zu, Kapitel zu halten.
Ist der Meister anwesend, so darf der Marschall nicht ohne dessen
Erlaubnis gegen die Feinde vorgehen oder den Befehl dazu geben, es sei denn, daß
offenbare Not ihn zwinge, daß er den Angriff nicht aufschieben kann.
Der Treßler und andere Beamte, die in ihren Amtsgeschäften Geld und Gut
ausgeben, sollen am Ende jeden Monates vor dem Meister Rechnung legen. Kann
der Meister sie nicht hören, so tue es der Komtur mit den Brüdern, die sich
dazu eignen, und lege zu-sammen mit dem Treßler die errechnete Summe dem
Meister vor.
Der Spittler ist nicht zur Rechnungsablegung verpflichtet, damit er um so
freier sein Amt der Milde an den Siechen ausüben möge. Doch soll er über
sein Tun, wenn es nötig ist, mit dem Meister sprechen; falls ihm etwas im
Spitale fehlt, so soll der Komtur es geben. Hat der Spittler aber Überschuß, so
soll er es in den Schatz abliefern.
Wenn die Brüder vom Konvent ausreiten, so soll niemand seine Pferde
satteln noch bepacken lassen, ehe der Befehl dazu gegeben wird. Und wenn gesattelt
ist, so mag man die Packpferde mit allem beladen, was mit dem kleinen
Riemen gebunden wird. Was aber an die großen Riemen gehört, das soll man erst auf
besonderen Befehl aufladen. Wenn die Pferde beladen sind, sollen die Brüder
nicht aufsitzen, ehe der Befehl dazu gegeben ist. Ist der Befehl ge-geben
und sind sie dann an dem Lagerplatz aufgesessen, so sollen sie acht haben,
daß man aus Versäumnis oder Vergeßlichkeit nichts verliere. Dann soll der
Bruder an der Spitze reiten, und die Knechte sollen ihm folgen und jeder seinen
Platz in der Rotte einnehmen. Dann soll der Bruder die Knechte vorreiten
lassen und am Ende der Rotte weiter reiten, damit er sie desto besser übersehe.
Jeder soll den Platz, den er eingenommen hat, beibehalten. Einer soll dem
anderen gemächlich folgen. Zu große Eile ist zu vermeiden.
Wenn sich ein Lärm oder Geschrei erhebt (also der Ruf zu den Waffen bei
einer Beunruhigung ertönt), so sollen sich die Brüder, die gerade anwesend
sind, mit ihren Waffen zur Wehr setzen, so gut sie können, bis ihnen Hilfe
kommt. Wer irgendwo anders ist, eilt zu seiner Fahne und hört, was ihm befohlen
wird.
An Stätten, wo man Feindseligkeiten befürchtet, sollen die Brü-der ohne
Erlaubnis ihren Tieren die Zäume nicht abnehmen und nicht füttern. Wenn die
Fahne aufgepflanzt ist, so sollen sie sich bei ihr im Kreise lagern außerhalb
der Kapellenschnur in der Ord-nung, in der sie geritten sind. Ob man nun im
Ringe oder anders liegt, stets ist darauf zu achten, daß man die Hütten so
aufschlägt, daß die Tiere im Innern des Kreises sind, so daß sie und die
Aus-rüstung um so besser geschützt sind.
Ein jeder Bruder soll seinen Platz bei der Kapelle einnehmen, damit er den
Gottesdienst hören kann. Und wenn ein Bruder den Gottesdienst bei Tag oder
Nacht verschläft, so soll ihn der, der ihm am nächsten liegt wecken. Ebenso
soll es auch in den Häusern gehalten werden. Wenn gelagert ist, sollen die
Brüder ohne Er-laubnis keins ihrer Pferde nach Holz, Gras oder sonst
irgendwas aussenden. Der Marschall darf ohne des Meisters Erlaubnis keinen der
Brüder weder mit noch ohne Waffen vom Heere fortsenden oder ihn soweit fortgehen
lassen, daß er sich oder dem Heere Schaden tun kann. Die Brüder sollen sich
auch ohne Erlaubnis nicht weiter vom Lager oder vom Hause entfernen, als sie
ein Ge-schrei, das sich im Heere erhebt, oder die Glocken hören können,
damit sie erreichbar sind, wenn man ihrer bedarf.
Wenn der Marschall, oder wer die Fahne führt, die Feinde an-greift, so
soll ein Sergeant, der Diener eines Ritters, eine Fahne führen, unter der sich
die Knechte sammeln und warten, bis Gott ihre Herren wieder sendet. Kein
Bruder darf angreifen, ehe der Fahnenträger angreift. Ist dieser losgesprengt,
so mag ein jeder tun, wozu Gott sein Herz weist, doch so, daß, wenn es ihn
Zeit dünkt, er wieder zur Fahne zurückkehren kann. Die Brüder, denen die
Fahne befohlen ist, tun bei ihr ihr möglichstes, jedoch ohne sich von ihr zu
entfernen.
Aufnahmeritual: Wenn sich der Meister und die Brüder darüber einig sind,
wen sie neu in den Orden aufnehmen wollen, so entsenden sie einen Bruder zu
denen, die da Brüder werden sollen. Diese kommen dann vor das Kapitel und
knien vor dem Meister nieder oder wer an dessen Statt das Kapitel leitet. Dann
bittet der Neuauf-zunehmende um Gottes willen, ihn in den Orden aufzunehmen,
damit er seine Seele rette. Dann soll der Meister antworten: >>Die Brüder
haben Eure Bitte erhört, wenn Ihr keines der Dinge an Euch habt, die wir Euch
fragen werden. Das erste ist, ob Ihr Euch keinem Orden gelobt habt, keinem
Weibe durch Gelübde verbun-den seid, ob Ihr keines Herren eigen seid, ob Ihr
niemanden etwas schuldet oder eine Rechnung zu begle
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