>Info zum Stichwort Hochmittelalter | >diskutieren | >Permalink 
Hettig schrieb am 14.5. 2003 um 17:13:27 Uhr über

Hochmittelalter

Sterben, Tod und Begräbnis im Hochmittelalter


1. Der Tod ist allgegenwärtig

Das »Mittelalter« war eine Epoche, in der der Tod allgegenwärtig war. Denken wir nur an Fehden und Kriege, Krankheiten und Seuchen. Denken wir daran, wie relativ unmittelbar die Menschen der Natur ausgesetzt waren, wie sehr abhängig sie waren von der Witterung, Niederschlägen und Trockenheit. Und wie relativ hilflos sie Katastrophen (Regen, Schnee, Sturm, etc.) gegenüber standen. Denken wir an die sehr hohe Kindersterblichkeit und insgesamt niedrige Lebenserwartung, die im Durchschnitt - je nach sozialer Stellung - zwischen 25 und 40 Jahren gelegen haben soll. Im Jahr 1195 korrigierte Innocenz III. die bis dahin verwendete Lesart des 89. Psalms »der Mensch werde 70, wenn es hochkomme 80 Jahre alt«, in folgende: »Wenige erreichen sechzig, ganz wenige siebzig Jahre«.
»Man lebt vom Tode her

2. Der Tod als Übergang

Der mittelalterliche Mensch erlebt den Tod nicht als Ende sondern als »Schwelle« zu einer anderen, entsprechend den mittelalterlichen Glaubensvorstellungen, aber nicht unbedingt einer »besseren« Welt.
»Das vierzehnte ökumenische Konzil, das sich im Jahre 1274 in Lyon versammelte, verkündete als Glauben der Christen: ‚Die Seelen derer, die nach der Taufe nicht von Sünde befleckt oder die zu Lebzeiten oder nach dem Tod von Sünden gereinigt wurden, werden bald in den Himmel kommen. Die Seelen derer, die mit einer Todsünde sterben oder mit der Erbsünde verscheiden, steigen bald in die Hölle hinab, wo sie mit unterschiedlichen Qualen bestraft werden. Unabhängig davon werden am jüngsten Tag a l l e Menschen mit ihren Körpern vor dem Gericht Christi erscheinen, wo sie Rechenschaft ablegen müssen über ihre Taten.« .

3. Freude und Trauer

Gemäß dem Paulus - Brief an die Thessaloniker (1. Thess. 4,13) sollen die Gläubigen nicht trauern, so wie »die, die keine Hoffnung haben«. Diese Hoffnung war es, die in der Spätantike viele bewog, sich dem christlichen Glauben zuzuwenden. In den mittelalterlichen Schriften wird der Todestag/ Gedenktag von Heiligen als »natalis« (»Geburtstag«) angegeben, der physische Geburtstag wurde »vergessen«. Dies gilt für viele andere Persönlichkeiten des Mittelalters. Während zum Beispiel das Todesjahr Friedrich I. (Barbarossa) genau feststeht, ist sein Geburtsjahr, und das vieler anderer, nicht mehr genau zu ermitteln.

Daß im Angesicht des Todes die »Freude« über den Tod, selbst bei besonders Frommen, ja »heiligen« Menschen nicht immer überwog, zeigen Selbstzeugnisse, zum Beispiel von Augustinus, der schilderte, wie er nach dem Tode seiner Mutter mit der Trauer rang. Oder Bernhard von Clairvaux, nach dem Tode seines Bruders Gerhard eine Predigt unterbrechen mußte: »Die Trauer zwingt, Schluß zu machen, das Unglück, das mich getroffen hat. Wie lange soll ich mich noch verstellen? ... Bislang habe ich meinem Gefühl Gewalt angetan und konnte mich bis jetzt verleugnen, um nicht den Eindruck zu erwecken, als hätten die Gefühle den Glauben besiegt. ... Der unterdrückte Schmerz setzte sich nur um so tiefer im Innern fest; immer bitterer wurde er - ich fühle es - , je weniger er sich nach außen Luft machen durfte. Ich gestehe, ich bin besiegt. Es muß hinaus, das Leid, das drinnen ist

4. Christliche Riten um Sterben, Tod und Begräbnis im Hochmittelalter

4.1.1 Das Ritual nach der »Ordo visitationis infirmorum«
In der Zeit Karl des Großen gab eine Liturgiereform dem Sterbebeistand eine feste Ordnung. Diese kann als maßgeblich für den gesamten weiteren Verlauf des Mittelalters gelten:
Am Anfang stehen die BEICHTE und die ERTEILUNG DER BUßE. Es erfolgte die WASCHUNG des Kranken, er erhielt FRISCHE BEKLEIDUNG und sollte nach Möglichkeit in die KIRCHE GEBRACHT werden. Zum STERBEN soll er auf Stroh und Asche gebettet werden. Die Priester treten mit dem Kreuz zu ihm, sprechen den Friedensgruß (Pax vobiscum) und sprengen WEIHWASSER aus. Auf den Kopf des Sterbenden streuen sie geweihte Asche, beten die sieben BUßPSALMEN und die ALLERHEILIGEN - LITANEI.

Es folgt die KRANKENSALBUNG, die auf den Jakobus - Brief (5, 14 - 16) zurück geht.
Seit der karolingischen Reform galt die Krankensalbung als ausschließlich priesterliche Tätigkeit!

Alle beten schließlich das GLAUBENSBEKENNTNIS und das VATERUNSER. Der Sterbende soll sich dabei »selbst Gott anempfehlen« .

Nun reicht der Priester die Kommunion: Leib und Blut des Herrn.

Solange der Tod nicht eingetreten ist, sollen die Priester ihre Besuche tätlich wiederholen und für den Sterbenden beten.

4.1.2 Sterben im Mönchsgewand

Das Mönchsgewand als ehrenrettendes und heilssicherndes Bußkleid führte im Hochmittelalter zum Brauch des »Sterbens im Mönchsgewand«. Allerdings mußten die sterbenden zuvor die Mönchsgelübde ablegen. Ab dem 12. Jahrhundert wurde das Mönchsgewand als »aus sich heraus heiligend« betrachtet. Bekannte Persönlichkeiten, die sterbend in eine Mönchskutte haben kleiden lassen, waren zum Beispiel Wilhelm von Marseille (1004), Ludwig von Thüringen (1227) und Kaiser Friedrich II. (1250). Kaiser Otto IV. (1218) ließ sich auf dem Sterbebett immerhin die Stola des Walkenrieder Zisterzienser - Abtes um den Hals legen







4.2 Die Beerdigung

4.2.1 Grundsätze
· Der Verstorbene verläßt zwar die Mitte der Lebenden, bleibt aber im Jenseits weiter existent
· Die Hinterbliebenen fühlen sich weiter für die Verstorbenen verantwortlich
· Es kann von einer »Solidargemeinschaft der Lebenden und der Toten« gesprochen werden (J. LeGoff).
· Dienste an den Verstorbenen, wie z.B. »Leichenschmaus« und »Totenmahl«, galten als »TOTENRECHT UND SIPPENPFLICHT«, ebenso wie das »RECHT DES TOTEN AUF SEIN GRAB« und dessen Unverletzlichkeit.
· Eine Ausnahme gab es hinsichtlich den von der kirchlichen Gemeinschaft ausgeschlossenen: Sie konnten keine Bestattung auf einem kirchlichen Friedhof beanspruchen und es wurde auch nicht für sie gebetet.


4.2.2 Grab und Bestattung

Die christliche Kirche lehnte von Anfang an die Feuerbestattung ab, übernahm ansonsten vielfach die regional vorgefundenen Bestattungsbräuche.

Für das Hochmittelalter gilt in etwa folgende Auflistung, wie sie seit der karolingischen Reform überliefert wurde:

Nach dem eingetretenen Tod wird der Leichnam GEWASCHEN und anschließend neu EINGEKLEIDET.
Er wird auf eine Bahre gelegt und aus dem STERBEHAUS in die KIRCHE getragen. Dort wird für den VERSTORBENEN gebetet und in der Regel noch am gleichen Tage beigesetzt.
Während im frühen Mittelalter eine MESSLITURGIE nicht zwingend dazugehörte, wird sie später zum wichtigsten begleitenden Akt.
Die Beisetzung findet nach Möglichkeit am Todestag statt.

Im 10. und 12. Jahrhundert entsteht im Kloster Cluny die differenzierteste Totenliturgie. Als Bestattungsort erlangt Cluny ein hohes Ansehen. Im 10. und 11. Jahrhundert beziehen sich 10 % der Klosterschenkungen auf Laienbegräbnisse, zum Preis eines »Hofes«.
»Das Kloster übernahm dabei eine feste Verpflichtung an Messen, Gebeten du Almosenspenden. Grab und Gebetsdienst sollten, wie es einmal heißt, die Fürsprache des Heiligen Petrus beim jüngsten Gericht sicherstellen«.

Die mittelalterlichen Städte legten ihre Friedhöfe, anders als in der Antike üblich war, rund um ihre Kirchen an (KIRCHHÖFE).
Noch begehrter als eine Beisetzung auf dem Friedhof , war die in der Kirche. Trotz mehrfacher Verbote hielt sich die Tradition des Kirchengrabes sehr lange, insbesondere der Adel beanspruchte vehement eine Kirchenbestattung. So gewährten die Klöster ihren Adligen Stifter häufig solche Kirchenbegräbnisse.




4.2.3 Totenmahl, Totenmesse, Armenspeisung

Bis zum 4. Jahrhundert wurden TOTENMÄHLER am Grabe des Verstorbenen abgehalten. Dies geht vermutlich auf vorchristliche Bräuche zurück. Die Kirche versuchte statt dessen die EUCHARISTIEFEIER und eine gesonderte ARMENSPEISUNG durchzusetzen.

Das Totenmahl wurde zwar vom Grab verdrängt, blieb aber während des gesamten Mittelalters Brauch im Verwandtenkreis, im Kreise der Nachbarn, Gilden, Bruderschaften und selbst in den Klöstern .
Gewünschtes und Verbotenes existierten nebeneinander fort. Nach dem Ableben des Verstorbenen hielt man eine Meßfeier - und je nach den materiellen Möglichkeiten - eine Armenspeisung bzw. eine Almosenvergabe.
Bei der Meßfeier ging es im Hochmittelalter weniger um denDank an Gott für das Leben des Verstorbenen' und bei den Almosen nicht mehr so sehr um die Sorge für die Armen, sondern mehr um den Wunsch, den Verstorbenen zu helfen, »um ihnen in einem möglicherweise ungünstigen Jenseitsgeschick noch beistehen zu können« .

Ab der Zeit Karl d. Großen hatte sich das Durchführen einer Messe als kirchliche Totenfeier, am Tag der Beisetzung, durchgesetzt. Ab diesem Zeitpunkt wurde ebenfalls das Abhalten von Messen, am 3., 7. und 30. Tag nach dem Eintritt des Todes, und an den Jahrestagen, üblich .






   User-Bewertung: 0
Was hat ganz besonders viel mit »Hochmittelalter« zu tun? Beschreibe es und erläutere warum.

Dein Name:
Deine Assoziationen zu »Hochmittelalter«:
Hier nichts eingeben, sonst wird der Text nicht gespeichert:
Hier das stehen lassen, sonst wird der Text nicht gespeichert:
 Konfiguration | Web-Blaster | Statistik | »Hochmittelalter« | Hilfe | Startseite 
0.0165 (0.0029, 0.0123) sek. –– 880540129