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320 DerWandelzursolaren Weltwirtschaft
andere Entwicklungen verlorengegangen ist. Dies gilt in besonderem Maße für viele Zeitgenossen, die durch das Scheitern tatsächlich irrealer Utopien ernüchtert sind, denen sie unter Ausklammerung ungeliebter Teile der Realität selbst anhingen. Übriggeblieben ist eine diffuse Attitüde, die von Erneuerung redet - und damit eigentlich den Komfort, den die Gegenwart noch bietet, wenigstens für sich bewahren will. Im Wissen und unter Inkaufnahme dessen, daß das für immer weniger Menschen möglich ist.
Vorwärts zur primären Wirtschaft
Die wirtschaftsgeschichtliche Perspektive, die sich aus der unweigerlich notwendigen Ablösung fossiler durch solare Energie- und Rohstoffreserven ergibt, ist die eines sich neu entfaltenden primären Wirtschaftssektors: die Land- und Forstwirtschaft nicht mehr als wirtschaftliche Restgröße, sondern als neuer und dauerhafter Hauptträger für die Volkswirtschaft insgesamt; nicht mehr als allenfalls noch nostalgisches Gebilde, sondern als modernes Zukunftsprojekt; nicht mehr als Sektor, in dem immer weniger Menschen arbeiten, sondern als großes Beschäftigungsfeld.
Der klassische primäre Sektor der Volkswirtschaften - allen voran die Agrarwirtschaft - wurde in der industriellen und noch mehr in der postindustriellen Moderne gegenüber dem sekundären der Industriearbeit und dem tertiären der Dienstleistungen marginalisiert. Der Blick in die Beschäftigungsstatistiken, in denen die in der Land- und Forstwirtschaft Arbeitenden einen immer verschwindenderen Anteil haben, verleitet jedoch zu irrigen Analysen und entsprechend irrigen Schlußfolgerungen. Tatsächlich beschäftigt auch der gegenwärtige primäre Sektor wesentlich mehr Menschen, als aus den Statistiken ablesbar ist. Dazu gehören alle, die in den der heutigen Landwirtschaft vor- und nachgelagerten Arbeitsbereichen tätig sind, die in früheren Zeiten großenteils bei landwirtschaftlichen Betrieben angesiedelt waren: in der Produktion von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln, von Saatgut und von Futtermitteln, in der Energiebereitstellung und der Vermarktung. Hinzu kommen der Transportapparat für landwirtschaftliche Hilfsmittel und Erzeugnisse, die Lebensmittelverarbeitung und die Produktion landwirtschaftlicher Maschinen. Nichts davon erscheint in den landwirt-
Die sichtbare Hand der Sonne: Umrisse einer soiaren Weltgesellschaft
schaftlichen Beschäftigungsstatistiken, obwohl nichts davon Landwirtschaft existieren würde.
Im Wirtschaftsverständnis der industriellen und postin Moderne gilt diese Entwicklung als irreversibel. Dies ist ein gepflegtes - Vorurteil und zugleich eine phantasielose Be Wenn technische Produkte oder Dienstleistungen von eine großem Umfang importiert werden niüssen, wird daraus kein Schlußfolgerung gezogen, diese Wirtschaftsfelder endgültig a ben. Im Gegenteil wird versucht, sie wieder im eigenen Wirtsc anzusiedeln. Ausgerechnet primärwirtschaftliche Verlagerun dagegen als aufgegeben. Selbst alarmierende Nachrichten üb bale Umweltentwicklung erschüttern dieses Antihaltung geg Landwirtschaft nicht, obwohl deren naheliegende und schn tende Konsequenz sein kann, daß die Ernährung über den handel keinesfalls stabil gesichert ist.
Würden all diejenigen, die alle Wirtschaftsaktivitäten blau globalen Markt überlassen, die über allen Ideologien und D henden Naturgesetze verstehen, kämen sie an einer Grund nicht vorbei: Technik ist globalisierungsfähig - aber die versorgung auf Dauer nicht. Technische Produktionsstätten unmittelbar von Personen zu erbringende Dienstleistunge beliebig ausweitbar und verlagerbar - Anbauflächen und a ressourcen nicht. Im Pflanzenanbau hängt die Produktivität von der Ausbildung, der Arbeitsorganisation der Beschäft einem optimalen Geräte- und Machineneinsatz ab, sonder sentlich von unveränderbaren geographischen und klimatisc gungen. Dies ist der entscheidende Unterschied zu allen and schaftsaktivitäten, der von der gleichmacherischen Weltmark ignoriert wird. Bleibt es dabei, wird das in zahllosen Ländern neu zum Verlust ihrer landwirtschaftlichen Basis führen, w Weltproduktion auf die geographisch und klimatisch günstig gebiete konzentriert - die dann durch Oberlastung um so sc Bodenerschöpfung anheimfallen.
Aus der Einstellung, die Landwirtschaft müsse - bisherige lungstendenzen immer weiter folgend - Betriebsstrukturen e die für Weltmarktbedingungen geeignet seien, erwächst auch liche Hinnahme heilloser sozialer Folgen für die Gesellsc allem in Ländern der dritten Welt. Wenn sich auch noch der G
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