lichung mit Hilfe des Technics SL 1200. Ein Wissenschaftler (wenn auch kein Soundwissenschaftler) wie Richard Dawkins »spricht sehr begeistert Über kulturelle Viren-, schreibt Sadie Plant, «aber er hält sich nicht selbst fÜr einen Virenherd'@. Vom Labor ins Studio ausgestreut, spricht Schallwissenschaft nicht allein Über kulturelle Viren, sondern ist selbst ein Virenherd. Es ist eine Sinnesinfektion durch die Verbreitung dessen, was Ishmael Reed »Antiseuchen« nennt.
Maschinenmusik nennt sich nicht deshalb Wissenschaft, weil sie eine Technologie kontrolliert, sondern weil Musik die Kunstforrn ist, die am meisten von Technik unterfüttert, rekombiniert und rekonfiguriert wird. Wissenschaftler setzen Prozesse in Gang, die sie verschlucken: das Hirn des Wissenschaftlers ist im Netz gefangen. Die außerirdische Frequenzmodulation von Acid wendet sich gegen ihre DJ-Producer Phuture und Sleezy D und fängt an, einem ins Hirn zu stechen' und "Gedanken-
muster zu stören'.
Aber indem soiche bislang ignorierten Überkreuzungen von Sound und Science Fiction hier vergrößert werden - der Nexus also, den dieses Projekt Sonic Fiction oder PhonoFiction nennt -, landet Heller als die Sonne paradoxerweise bei einem Porträt aktueller Musik, das wesentich genauer ist, als alle realistischen Darstellungen es bislang zustande ebracht haben. Das liegt daran, daß die meisten jüngeren Darstellunen schwarzer Musik - diejenigen, die den dominanten humanistischen rang der Geschichtsschreibung Über schwarze Musik bilden, ihre offiielle Geschichte - eher Wunscherfüllungen sind als irgend etwas ende-
es: Szenarios, in denen Acid nie stattgefunden hat, der elektronische
azz nie existierte, in der es die Ära der Rhythmaschine einfach nie
hat.
Gegensatz dazu ist Heller als die Sonne eine Mechanographie, eine mnidirektionaie Erkundung der Mechanoinformatik und des geheimen ebens der Maschinen, die die gewaltige und bislang unbeachtete Kovolution von Menschen und Maschinen im Black Atlantic-Futurismus
s späten 20. Jahrhunderts enthüllt.
lien Music ist in all den Breaks und Brüchen: im Abstand zwischen
icky und dem, was man für die Grenzen schwarzer Musik hielt, in der cke zwischen Underground Resistance und dem, was man für das sen schwarzer Musik erachtete, zwischen dem Hörerlebnis von iies & Maceros He Loved Hirn Madly und dem Durchkreuzen aller hwellen mit und durch dieses Erlebnis, während man jedes alte
id, Drum'n'Bass, Electronica, Techno und Dub - für immer. aubenssystem verläßt: Rock, Jazz, Soul, Electro, HipHop, House,
Das NOtsignal des Black Atlantic-Futurismus ist, daß er nicht erkannt werden kann, weder als
"schwarz' noch als Musik. Der sonische Futurismus verortet einen nicht in der Tradition; statt dessen wird man von
seinen (JrsPrÜngen isoliert. Man wird entwurzelt, erlebt eine Golfkrise, einen Wahrnehrnungsschleier, der das sonische Diskontinuum unserer Zeit augenblicklich hörbar werden läßt.
Dem futuristischen Producer kann man das Erbe der Musik nicht anvertrauen. Da sie das erkennen, drängen sich die Dance-Medien Großbritanniens und der (JS nach vorn, um diese Traditionen, die der Produce, stets beiseite läßt, aufrechtzuerhaften. Die Rolle der Medien ist die des Verteidigers einer Essenz, durch Abwehr aller denkbaren Infektionen: Journalisten werden Missionare des HipHop; sie kämpfen um die Seele von Techno.
Deshalb stimmt man sich am Ende des Jahrhunderts auf Frequenzen ein, die dem fröhlichen Tinriitus des guten, soliden Journalismus unhörbar bleiben. Wir lassen uns von intimen Maschinen mutieren, von Audio-Ufos in die Populationen unserer Blutbahnen entführt. Soundmaschinen lassen einen auf der eigenen Haut stranden. Hypersensuale Cyborgs erleben sich als Galaxie audiotaktiler Sensationen. Man ist nicht Zensor, sondern Sensor, nicht Ästhet, sondern Kinästhet. Wir werden Sensationalisten: die neuesten Mutanten, herangezüchtet in Schoßlautsprechern. Deine Mutter, dein erster Sound. Das Schlafzirnmer, die Party, der Dancefloor, der Rave: Das sind die Labors, wo die Nervensysteme des 21. Jahrhunderts sich zusammensetzen, die Matritzen des futurhythrnaschinischen Diskontinuums. Die Zukunft ist ein weit besserer Hinweisgeber für die Gegenwart als die Vergangenheit. Bereitet euch vor, seid bereit, alles, was ihr Über die Geschichte der Musik wißt, fÜr einen kurzen Blick auf ihre Zukunft einzutauschen.
Die VerbindungSmaschine zusammenbauen
Denkware: Betriebssystgm für ein neues Design der Soundwir-klichkeit
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