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Abzug der wachsenden Steuern (einschließlich der besonders schnell wachsenden Verbrauchssteuem) und ihre geringen Möglichkeiten der Steuerverkürzung dulden, während die Reichen sich )steuergestaltend< der )Null-Steuer( nähern und für die Unternehmen die Mehrwertsteuer nur ein durchlaufender Posten ist.
Es hat sich auch bei den Armen, ob lohnabhängig oder nicht, weit gehend das Prinzip durchgesetzt, das sie bei den Reichen bewundern: Wer erfolgreich ist, hat und bekommt Recht, wie unrechtmäßig er auch zu Erfolg und Reichtum gekonunen ist. »Die Auffassung, dass allein der Erfolg zählt, hat sich inuner stärker auch bei den Armen und Benachteiligten durchgesetzt. Dazu gehört Schwarzarbeit und der unrechtmäßige Bezug von Arbeitslosengeld und Sozialhilfe«, berichtet Jürgen Espenhorst vom »Amt für Industrie- und Sozialarbeit der Evangelischen Kirche«. Daraus resultiert die, wie er sie nennt, »Aufwärtssolidarität« der Armen mit den Reichen.")
Die Armen möchten auch reich werden und sich derselben Methoden bedienen wie )die da oben(. Freilich stehen dazu nur bescheidene und illusionäre Mittel zur Verfügung. Ein beliebtes Betätigungsfeld für Individuen, die sich zu den cleveren, modernen und auch Besserverdienenden zählen, ist die Aktienbörse. Sie ist jedoch in der Hand mächtiger Reichtumsagenten wie Investment- und Emissionsbanken und institutionetter Anleger. Nur solche Insider gewinnen hier dauerhaft und in großem Umfang. Der gewöhnliche Aktienbesitzer, der erst in der Zeitung die Börsenkurse studiert oder sich in den Femsehnachnchten )informiert(, hat schon verloren.
Die regelmäßige Kapitalvemichtung durch Kursverfält ist in Wirklichkeit eine Kapitalumschichtung, denn das für den Kauf der Aktien eingesetzte Geld ist ja nicht verschwunden, freilich ist es nun auf einem anderen Konto. Obwohl wie in den letzten Jahren wieder weltweit Millionen von Anlegem, die bis in die nominell vermögenden Gruppen reichen, auf diese Weise betrügerisch um Hunderte von Milliarden Dollar gebracht wurden, gibt es hier bestenfalls punktuellen juristischen Protest gegen allzu offensichtliche Insidergeschäfte. Das Märchen von der Kapitalvemichtung aber wird geglaubt, die Lämmer schweigen nüt
50 1 »Lauschanghff aufs große Getd«, DeutschtandRadio vom 8.3.1998
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den Wölfen, und die Hoffnung auf den nächsten Kursgewinn entsteht wieder neu.5'
Andere Gruppen der Armen sind schon zufrieden, wenn sie wenigstens das Etikett auf dem Imitat der Modebekleidung oder dem gepanschten Luxuswein zur Schau stellen können. Massenmedien lassen die besonders Armen an den Intimitäten der Reichen teilhaben und gewähren Blicke in das verineintäche Lotterbett und in die Unterhose des dafür auserkorenen Glamourpersonals. Zum zähen Kitt der widersprüchüchen Einheit von reich und arm gehören etwa auch das wöchentliche Lotto- und Totospiel und ähnliche Glücksspiele. Sie sind die Aktienbörsen der Armen. Die tatsächlichen Aussichten, Millionär zu werden, sind auch hier denkbar schlecht, aber Millionen Arme machen in einer Mischung aus Hoffnung, Resignation, Wut und Selbstironie immer wieder mit, in Dresden und Dortmund ebenso wie in den Stums von Manita und Mexiko City soweit sie nicht zu denen gehören, die auch dafür das Geld nicht haben.
Regsame Se(bsterbtindung 1 Die verschlungene, traditionsreiche und perverse Gemeinschaft von Armut und Reichtum hat selbstverständlich einen vielfältigeren Kitt hervorgebracht als das Börsen- und Glücksspiel. Das »Bereichert Euch!« der Reichen und das illusionär-resignierte Mittun der Armen hat vielfältige Begleitung. Dies ist zunächst deshalb der Fall, weil das geselt-
schaftüche arm-reich-Gefüge sehr vielgestaltig ist. Für den Zu-
sanunenhalt sind einerseits die Zwischenschichten wichtig. Sie
repräsentieren für die Armen eine nahe Aufstiegsmöglichkeit,
und sie produzieren vieles von dem, wovon auch manche Arme
und auch manche Reiche etwas haben: Bildung, Dienstleistun-
gen, Kultur.
Zum anderen sind die Gruppen, Schichten und Klassen der Sozia
Reichen und Armen hochgradig in sich zerklüftet. Und da in der und
Gesellschaft ein vollständiges Bild von sich selbst fehlt - die Rei- Zerk
chen fürchten es und setzen alles daran, es zu verhindern; die
Armen sind nicht in der Lage, es zu entwickeln, fürchten durch-
aus auch die Wahrheit über sich selbst -, ist die soziale Erkennt-
nistätigkeit von oben bis unten vor allem darauf gerichtet, die
51 1 Vgt. Werner Rügemer: Das Schweigen der Lämmer und der WöLfe, in:
junge Welt, Ausgabe vom 6.6.2001
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