|
Ernst Jandl 1998 beim Attergauer Kultursommer
Ernst Jandl und Friederike Mayröcker, anlässlich einer Lesung, Wien 1974Ernst Jandl (* 1. August 1925 in Wien; † 9. Juni 2000 ebenda) war ein österreichischer Dichter und Schriftsteller sowie Übersetzer. Er ist u. a. durch seine speziell-humoristische Sprachkunst der experimentellen Lyrik und einige markante Neologismen bekannt geworden.
Inhaltsverzeichnis [Verbergen]
1 Leben
2 Werk
3 Auszeichnungen
4 Werke
4.1 Werkausgaben
4.2 Einzelausgaben
4.3 Werke auf Tonträgern
4.4 Video
5 Vertonungen
6 Literatur
7 Siehe auch
8 Weblinks
9 Einzelnachweise
Leben [Bearbeiten]
Grab Jandls auf dem Wiener Zentralfriedhof.Ernst Jandl kam am Ende des Zweiten Weltkriegs in englische Kriegsgefangenschaft. Nach seiner Freilassung studierte er in Wien Germanistik und Anglistik. 1949 absolvierte er die Lehramtsprüfung, promovierte 1950 [1] und war bis 1979 als Lehrer an Gymnasien tätig.
Unter dem Einfluss der konkreten Poesie und des Dadaismus wandte sich Jandl der experimentellen Dichtung zu. 1952 erschien die erste Veröffentlichung Jandls in der Zeitschrift „Neue Wege“.
Ab 1954 war Jandl eng mit Friederike Mayröcker befreundet, seiner späteren Lebensgefährtin, mit der er auch einige Werke gemeinsam kreierte. 1973 war er Mitbegründer der Grazer Autorenversammlung, ab 1975 ihr Vizepräsident und von 1983 bis 1987 ihr Präsident. Jandl wurde mit seiner Auffassung von Sprache ein wichtiger Vertreter der deutschsprachigen experimentellen Lyrik.
Dabei bestand seine Kunst nicht nur im Verfassen, sondern auch im Vortrag seiner Gedichte. Seine damaligen Zuhörer und neue Fans können viele von Jandl selbst verkörperte Sprachspiele im Original hören: Es wurden zahlreiche Schallplattenaufnahmen seiner Sprech- und Lautexperimente verlegt, die von ihm selbst interpretiert und häufig – in veränderter Fortschreibung der Jazz & Lyrik-Programme – von Gesang und Jazzmusik begleitet sind. (Jandl war ein begeisterter Fan des Jazz.)
Jandl wurde in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof (Gruppe 33 G, Nummer 29) beerdigt. Im Jahr 2003 wurde in Wien Donaustadt (22. Bezirk) der Ernst-Jandl-Weg nach ihm benannt. 2005 wurde in Wien Wieden (Schlüsselgasse 4) der Schlüsselpark in Ernst-Jandl-Park umbenannt.
Werk [Bearbeiten]
Zu Jandls bekanntesten Schöpfungen gehören Gedichte wie „heldenplatz“, „ottos mops“ sowie „kneiernzuck“, und Gedichte aus „Laut und Luise“, bspw.: „schtzngrmm“ und „lichtung“. Letzteres sei als Beispiel für ein berühmtes Sprachspiel Jandls hier zitiert:
lichtung
manche meinen
lechts und rinks
kann man nicht velwechsern
werch ein illtum!
Der dritte Band der dtv-Werksausgabe Jandls trägt den Namen dieses Gedichts. Es arbeitet konsequent mit dem Vertauschen der Buchstaben L und R, so dass sich daraus sein Witz ergibt. Bereits der Titel gibt die „Richtung“ der Deutung an. Eine Rezension von Franz Schuh sagt dazu: Indem er es als einen Illtum bezeichnete, dass man lechts und rinks nicht velwechsern könne, habe Jandl besser als jeder andere deutlich gemacht, dass „rechts und links jederzeit zur Verwechslung anstehen“. Schuh weist darauf hin, dass Jandl die „gewichtige Auswahl“ für diesen Band selbst vorgenommen habe und sich darunter auch ein politischer Text befinde, der sich mit dem österreichischen Beitritt zur Europäischen Union befasst.
Mit Freuden konnte Ernst Jandl feststellen, dass seine Sprachspiele das literarische Interesse von Schulkindern deutlich steigerten. Daher hat er sich in seiner Unterrichtstätigkeit viel mit „Lyrik für Kinder“ beschäftigt (siehe Weblinks). Ferner sei sein Gedicht „Eine Fahne für Österreich“ erwähnt (die österreichische Flagge trägt die Farbstreifen Rot-weiß-rot):
rot
ich weiß
rot
Jandl legte Wert darauf, seine Texte selbst vorzutragen und gab ihnen durch seinen eigenwilligen Vortrag eine ganz besondere Note.
Jandl war Übersetzer aus dem Englischen, u. a. von John Cage (Silence) und Wystan Hugh Auden (Song – Lied und As I walked out one evening).
Auszeichnungen [Bearbeiten]
Jandl erhielt zahlreiche Literatur- und andere Preise für sein Schaffen:
1969: Hörspielpreis der Kriegsblinden zusammen mit Friederike Mayröcker
1974: Georg-Trakl-Preis
1976: Literaturpreis der Stadt Wien
1978: Österreichischer Würdigungspreis
1980: Mülheimer Dramatikerpreis für ‚aus der fremde‘
1982: Anton-Wildgans-Preis
1982: Manuskripte-Preis des Landes Steiermark
1984: Georg-Büchner-Preis
1984: Großer Österreichischer Staatspreis für Literatur
1985: Preis der Deutschen Schallplattenkritik für ‚bist eulen?‘
1987: Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor
1988: Deutscher Kleinkunstpreis
1989: Frankfurter Hörspielpreis
1990: Österreichisches Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst
1990: Peter-Huchel-Preis für das Buch ‚idyllen‘
1993: Kleist-Preis
1995: Friedrich-Hölderlin-Preis
Werke [Bearbeiten]
Werkausgaben [Bearbeiten]
Ernst Jandl: Poetische Werke. 10 Bände. Hg. v. Klaus Siblewski. Luchterhand Literaturverlag: 1997.
Ernst Jandl: Gesammelte Werke. 3 Bände. Hg. v. Klaus Siblewski. Luchterhand: 1990.
Einzelausgaben [Bearbeiten]
Hosi-Anna!. mit Lithografien von Thomas Bayrle und Bernhard Jäger, Gulliver-Presse, Bad Homburg, 1965
laut und luise. Olten (Walter) 1966, Neuausgabe 1990. ISBN 3-630-83008-0
sprechblasen. gedichte. neuwied berlin (luchterhand) 1968, Neuausgabe 1993. ISBN 3-630-83019-6
der künstliche baum. Neuwied Berlin (Luchterhand) 1970
flöda und der schwan. mit vier zeichnungen des autors. Stierstadt i. Ts. (Eremiten) 1971. ISBN 3-87365-010-X
die männer. ein film. zeichnungen des autors. Düsseldorf (Eremiten) 1973. ISBN 3-87365-038-X
dingfest. gedichte. mit einem nachwort von hans mayer. Darmstadt Neuwied (Luchterhand) 1973
serienfuss. darmstadt neuwied (luchterhand) 1974. ISBN 3-472-61157-X
für alle. darmstadt neuwied (luchterhand) 1974. ISBN 3-472-86382-X
die schöne kunst des schreibens, Darmstadt Neuwied (Luchterhand) 1976. ISBN 3-472-86427-3
die bearbeitung der mütze, gedichte, darmstadt neuwied (luchterhand) 1978. ISBN 3-472-86465-6
Aus der Fremde, Sprechoper in 7 Szenen, Darmstadt Neuwied (Luchterhand) 1980. ISBN 3-472-86507-5
der gelbe hund, gedichte, darmstadt neuwied (luchterhand) 1980. ISBN 3-472-86508-3
selbstporträt des schachspielers als trinkende uhr. gedichte. darmstadt neuwied (luchterhand) 1983/1986. ISBN 3-472-61645-8
Das Öffnen und Schließen des Mundes, Frankfurter Poetik-Vorlesungen, Darmstadt Neuwied (Luchterhand) 1985. ISBN 3-472-61567-2
idyllen. gedichte. Frankfurt/Main (Luchterhand Literaturverlag) 1989. ISBN 3-630-86716-2
stanzen. Hamburg Zürich (Luchterhand Literaturverlag) 1992. ISBN 3-630-86784-7
falamaleikum. gedichte und bilder. Hamburg/Zürich (Luchterhand Literaturverlag) 1993. ISBN 3-630-71108-1
peter und die kuh. gedichte. München (Luchterhand Literaturverlag) 1996. ISBN 3-630-86873-8
lechts und rinks. gedichte statements peppermints. München (dtv) 1997. Neuaufl.: München (Luchterhand) 2002. ISBN 3-630-62043-4
Autor in Gesellschaft – Aufsätze und Reden. München (Luchterhand Literaturverlag) 1999. ISBN 3-630-87030-9
aus dem wirklichen Leben: gedichte und prosa. mit 66 Grafiken von Hans Ticha. zusammengestellt von Klaus Siblewski. Büchergilde Gutenberg 2000. ISBN 3-7632-4970-2
Letzte Gedichte. hrsg. von Klaus Siblewski, München (Luchterhand Literaturverlag) 2001. ISBN 3-630-62001-9
Briefe aus dem Krieg 1943–1946. Luchterhand Literaturverlag, Berlin 2005
Poesiealbum 278: Ernst Jandl. Auswahl Bernd Jentzsch (1. Aufl. 2008) bzw. Klaus Siblewski (2. Aufl. 2010). ISBN 3-931329-78-X
Werke auf Tonträgern [Bearbeiten]
Laut und Luise. Wagenbachs Quartplatte 2. Berlin 1968
Fünf Mann Menschen. Hörspiel zusammen mit Friederike Mayröcker Produktion des Südwestfunks (ohne Nummer). Beilage zu: Klaus Schöning (ed.): Neues Hörspiel Texte und Partituren. Suhrkamp, Frankfurt am Main, 1969
hosi + anna. Wagenbachs Quartplatte 6. Berlin 1971
der künstliche Baum. Luchterhand 7 PAL 60.159, Darmstadt 1973
Das Röcheln der Mona Lisa. Deutsche Grammophon/Luchterhand 2574 003, Hamburg-Neuwied 1973 (LP zusammen mit Helmut Heißenbüttel Max unmittelbar vor dem Einschlafen)
him hanflang war das wort. Wagenbachs Quartplatte 20, Berlin 1980
ernst jandl spricht gedichte. Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt am Main (ohne Nummer). Beilage zu: „Begleitheft zur Ausstellung der Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt am Main 23. Oktober 1984 bis 21. Dezember 1984, 17. Januar 1985 bis 28. Februar 1985“, 1984
Lyrics – Texte und Musik live. ernst jandl mit manfred schoof (trompete, flügelhorn), Cosmus Records NSV 1412 (Sampler), 1984
vom vom zum zum. ernst jandl mit lauren newton (gesang), uli scherer (klavier und stimme), wolfgang puschnig (holzblasinstrumente und stimme). Extraplatte GmbH Wien (EX 316 145 CD), 1988
Das Röcheln der Mona Lisa – szenen aus dem wirklichen leben – kennen sie mich herren. Bayerischer Rundfunk Hörspiel-CD (Best.-Nr.: 22871), 1990
lieber ein saxophon. (sprechgedichte aus 'idyllen') mit ernst jandl, lauren newton, klaus dickbauer. Audio-CD. Erding 1991. ISBN 3-221-51532-4
bist eulen?. ernst jandl mit lauren newton (stimme). wolfgang puschnig (altsaxophon, baßklarinette [bassklarinette], flöte und stimme). woody schabata (marimbaphon, vibraphon, tablas, tarabuka und synthesizer), mathias rüegg (künstlerische leitung und stimme). Extraplatte GmbH Wien (CD EX 316 141-2), 1984 (NA 1994, ISBN 3-221-51412-3)
stanzen. ernst jandl mit erich meixner (stimme, ziehharmonika). Extraplatte GmbH Wien (CD EX 316 157-2), 1994
aus der fremde – sprechoper. Audio-CD. Gertraud Scholz Verlag, Obermichelbach 1995. ISBN 3-925599-34-7
laut und luise – aus der kürze des lebens. ernst jandl mit dieter glawischnig und der NDR Bigband. HatHut Records CH-4106 Therwil (2 CDs 2-8701) 1995
wien heldenplatz. 2 Audio-CDs gelesen vom Autor und Wolf Redl. München 1998. ISBN 3-89584-742-9
him hanflang war das wort. sprechgedichte gelesen vom autor. 1 Audio-CD. Berlin 2000. ISBN 3-8031-4037-4
13 radiophone texte & das röcheln der monalisa. 1 Audio-CD gelesen vom Autor. Bayerischer Rundfunk 2002. ISBN 3-934847-70-6
weltgebräuche. Audio-Cd gelesen vom Autor mit Martin Haselböck (Orgel) und Rudolf Josel (Posaune). Erding 2002. ISBN 3-902123-27-3
eile mit feile. 1 Audio-CD gesprochen vom Autor. München 2003. ISBN 3-89940-262-6
laut + luise. hosi + anna. sprechgedichte gelesen vom autor. 1 Audio-CD, in Vorbereitung Berlin 2005. ISBN 3-8031-4026-9
Video [Bearbeiten]
ernst jandl live – Gedichte und Szenen aus zwei Autorenlesungen Mainz und Frankfurt 1983, Luchterhand
Vertonungen [Bearbeiten]
Zorah Mari Bauer (*1957): Vertonung von Jandl-Gedichten (1988) für gemischte Sing- und Sprechstimmen
Dieter Glawischnig (*1938): Laut und Luise – aus der Kürze des Lebens (1995) (Ernst Jandl [Sprache], Dieter Glawischnig [Komposition] und die NDR Bigband)
Johannes Marks (*1968): Eine Jandl-Revue (2008) für Sopran, Klarinette, Akkordeon und Violoncello. UA 4. Mai 2008 Dortmund (Depot; Irene Kurka [Sopran], Joachim Striepens [Klarinetten], Maik Hester [Akkordeon], Burkart Zeller [Violoncello])
1. die tassen – 2. 16 jahr – 3. eulen – 4. ohren im konzert – 5. etüde in f („eile mit feile“)
Ensemble sonorfeo: von zeiten, Vertonungen von Jandl-Gedichten für Sprecher (Heiner Waniek), sprechende Flöte (Matthias Nahmmacher) und Geige (Ulrike Nahmmacher). UA: 11. August 2006 beim Jandlfest tohuwabohu – jazz me if you can in Wuppertal.
Literatur [Bearbeiten]
Friederike Mayröcker: Requiem für Ernst Jandl. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2001
Ernst Jandl, Wespennest Nr. 125, 2002. ISBN 3-85458-125-4
Kristina Pfoser/Volker Kaukoreit (Hrsg.): Interpretationen – Gedichte von Ernst Jandl. Reclam, Stuttgart 2002. ISBN 3-15-017519-4
Bernhard Fetz (Hrsg.): Ernst Jandl. Musik Rhythmus Radikale Dichtung. Zsolnay, Wien 2005 (Profile, Bd. 12). ISBN 3-552-05355-7
Theo Breuer: Ernst Jandl (1925–2000). In: T. B.: Aus dem Hinterland. Lyrik nach 2000. Edition YE, Sistig/Eifel 2005
Anne Uhrmacher: Spielarten des Komischen. Ernst Jandl und die Sprache, Niemeyer, Tübingen 2007 (Germanistische Linguistik, Bd. 276). ISBN 978-3-484-31276-0
Nils Bernstein: Ernst Jandl im retroaktiven Maskenspiel. Zu autobiographischen und metapoetischen Werken Jandls, in: Marcus Born (Hrsg.): Erzählen, Geschichte, Wahrheit, Königshausen & Neumann, Würzburg 2009. ISBN 978-3-8260-4142-6. S. 159–173
Siehe auch [Bearbeiten]
Ernst-Jandl-Preis
komische Lyrik
Weblinks [Bearbeiten]
Commons: Ernst Jandl – Sammlung von Bildern und/oder Videos und Audiodateien
Wikiquote: Ernst Jandl – Zitate
Literatur von und über Ernst Jandl im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek (Datensatz zu Ernst Jandl • PICA-Datensatz • Apper-Personensuche)
Ernst Jandl in der deutschen und englischen Version der Internet Movie Database
www.ernstjandl.com Biografie und Werk von Ernst Jandl
ub.fu-berlin.de Linksammlung der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin
Ernst Jandl, 2 Bilder und Lernen mit Humor
Literaturliste zu den Hörspielen von Ernst Jandl, vor allem zu „Fünf Mann Menschen“
Kurzfassung dreier Literaturrezensionen von Franz Schuh (Autor) über Sprechblasen, „laut + luise“ und „lichtung“. Ursprgl. in: Die Zeit vom 3. August 2000
Einzelnachweise [Bearbeiten]
↑ Katalogzettel Universitätsbibliothek Wien
Personendaten
NAME Jandl, Ernst
KURZBESCHREIBUNG österreichischer Dichter
GEBURTSDATUM 1. August 1925
GEBURTSORT Wien
STERBEDATUM 9. Juni 2000
STERBEORT Wien
Von „http://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Jandl“
Kategorien: Autor | Dadaismus (Literatur) | Literatur (20. Jahrhundert) | Literatur (Österreich) | Literatur (Deutsch) | Hörspielautor | Lyrik | Mann | Österreicher | Träger des österreichischen Ehrenzeichens für Wissenschaft und Kunst | Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung | Person (Wien) | Geboren 1925 | Gestorben 2000
|